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Autoren widmen der Leuchtenfirma mehrere Seiten in "Bilanzskandale – Delikte und Gegenmaßnahmen"

Der Bilanzskandal der ehemaligen Hess AG ist eine offenbar unendliche Geschichte. Noch bevor die Akten geschlossen sind, ist der Fall nun sogar Teil eines Buches geworden. "Bilanzskandale – Delikte und Gegenmaßnahmen" titelt das Werk.

Villingen-Schwenningen. Der Hess-Skandal hat das Zeug zu einem waschechten Krimi, genauer gesagt, einem Wirtschaftskrimi. Und doch ist das erste Buch, das sich nun mit ihm beschäftigt, stattdessen ein Fachbuch. Das Werk ist ein Klassiker für Juristen und nun bereits in der zweiten, wesentlich erweiterten Auflage im Erich Schmidt Verlag erschienen. Es will unter anderem zeigen, "wie Sie Methoden und Tricks von Bilanzbetrügern erkennen und Manipulationen rechtzeitig vorbeugen". Die Autoren Volker Peemöller, Harald Krehl und Stefan Hofmann studieren zur Veranschaulichung solcher Machenschaften in ihrem Buch 33 konkrete Einzelfälle und dröseln diese in allen ihnen bekannten Einzelheiten auf.

Bilanzbetrug gibt es, stellen die Autoren klar, seit es Bilanzen gibt. Natürlich hätten der Gesetzgeber, Standardsetter und Regulierungsbehörden auf vielfache Weise versucht, wirtschaftskriminellen Machenschaften einen Riegel vorzuschieben – trotzdem wachse aber die Liste spektakulärer Bilanzskandale ungebremst. Darin reiht sich in den Augen der Autoren nun auch der Fall des Villinger Leuchtenherstellers, der mittlerweile zerschlagenen Hess AG ein, der sich im Januar nun schon zum fünften Mal jähren wird.

Ehemaligen Hess-Vorständen wird ein massiv kreatives Potenzial bescheinigt

Als Groborientierung vor der eigentlichen Fall-Schilderung des Hess-Skandals geben die Autoren an, dass die Jahresabschlüsse des Unternehmens "durch mehrere, breit gestreute und kreative Maßnahmen" nicht unerheblich beeinflusst worden seien. "Neben Fremdkapital konnte durch einen Börsengang auf Grundlage der manipulierten Bilanzen auch Eigenkapital eingesammelt werden", heißt es weiter. Wie diese zum Teil kreativen Maßnahmen aussehen, schildern sie im weiteren Verlauf des Buchs beispielhaft: Kreisgeschäfte, unterlassene Buchungen von Wechselverbindlichkeiten und Rückstellungen sowie periodenfremde Erfassung von Aufwendungen, beispielsweise, aber auch eine "kreative Umsatzerzielung durch Verkauf eigener Entwicklungsleistungen", "eine Bilanzkürzung durch Finanzierungswechsel" oder etwa "Scheingewinne durch aufwandsneutrale Absatzgeschäfte". Als Täter geben sie die oberste Führungsebene – also die im Januar 2013 plötzlich geschassten Vorstände Christoph Hess und Peter Ziegler an – sowie die zweite Führungsebene mit Bereich Finanz- und Rechnungswesen/Bilanzen an. Und als Grund: "auf unrealistischen Wachstumsprognosen beruhende Strategie".

Habe der Ausgabepreis der Hess-Aktie – das 1947 von Willi Hess gegründete Unternehmen war nur wenige Wochen vor dem im Januar 2013 aufgedeckten Skandal an die Börse gegangen – bei 15,50 Euro gelegen, sei der erste Kurs mit 15,60 Euro aufgrund der hohen Verschuldung nur wenig höher ausgefallen. Die Motivation, überhaupt an die Börse zu gehen, war die geplante Expansion im LED-Lampengeschäft. 36 Millionen Euro schwer war der Börsengang.

Doch auch wenn die Autoren aufgrund der Umsatzzahlen von LED-Lampen auf dem europäischen Markt einräumen, dem optimistischen Geschäftsmodell von Hess sei im Grunde zuzustimmen, sei die "stürmische Entwicklung für Hess wohl zu spät" verlaufen. Seit 2009 habe Hess in Folge zu hohe Investitionen getätigt. "Um an frisches Kapital zu gelangen, bedienten sich der Vorstandsvorsitzende Christoph Hess und der Finanzvorstand Peter Ziegler einer ganzen Reihe an Manipulationstechniken, um die Bilanzen für die Kapitalgeber entsprechend aufzuhübschen", heißt es in dem Buch. Den Vorständen attestieren die Schreiber ein "massiv kreatives Potenzial", das hinter den Manipulationen stecke. Und dann werden sie deutlicher: Sie schreiben von den Scheinrechnungen, die es gegeben haben soll, aber auch von mehreren Kreisgeschäften und falsch verbuchten Verkäufen von Entwicklungsleistungen an beherrschte und wirtschaftlich abhängige Unternehmen. In Anlehnung an den Bericht der Wirtschaftsprüfer von Ebner Stolz über die Bilanzmanipulationen schildern die Autoren einzelne Techniken, darunter etwa eine "kreative Werterhöhung durch Maschinenverkauf an Konzernfremde – der Verkaufspreis der Maschinen erhöhte sich von Transaktion zu Transaktion, der Unterschied vom Anfangs- zum Endpreis sei enorm. Auch, dass der Finanzvorstand Peter Ziegler in diesem expliziten Fall einen "Etappensieg" vor Gericht errungen habe, wird nicht verschwiegen, allerdings auch gleich wieder geschmälert: "da das Gericht lediglich auf die Rechnungen abstellte, die in den Bilanzen richtig verbucht worden waren und steuerlich ebenfalls richtig berücksichtigt wurden".

Obwohl das Buch hauptsächlich Juristen, Führungskräfte, Studierende oder Dozenten ansprechen dürfte, legen Rezensenten das Werk auch interessierten Lesern der Wirtschaftspresse als spannende Lektüre ans Herz. Kurzweilig und transparant werde das Wissen vermittelt und werde aufgezeigt, wie Bilanzkosmetik in Aufsehen erregenden Fällen funktioniert hat.

Das Buch: 2017, 2. Auflage, 393 Seiten, Gebunden, Verlag: Schmidt (Erich), Berlin, ISBN-10: 3503112081, ISBN-13: 9783503112081, Erscheinungsdatum: 14.11.2016