Von der Freude über den Börsengang im Oktober 2012 ist nichts mehr übrig. Jetzt klickten für die geschassten Vorstände, Peter Ziegler und Christoph Hess (von links), die Handschellen. Foto: Hess AG

Staatsanwalt spricht von dringendem Tatverdacht und sieht Fluchtgefahr. Wohnhäuser erneut gefilzt.

Villingen-Schwenningen - Auf einmal ging alles ganz schnell: Polizeiautos fuhren bei beider Privatanwesen in Villingen und Obereschach vor, und gegen 6.30 Uhr klickten gestern die Handschellen. Polizisten der Landespolizeidirektion Freiburg haben Christoph Hess und Peter Ziegler als mutmaßliche Hauptverantwortliche im Bilanz-Skandal um den Villinger Leuchtenhersteller festgenommen.

Die beiden Ex-Chefs des Villinger Unternehmens dürften aus allen Wolken gefallen sein, als die Uniformierten plötzlich früh morgens vor der Tür standen. "Wir kündigen uns nicht vorher an", bekräftigte der Erste Staatsanwalt von der Schwerpunktabteilung Wirtschaftskriminalität Peter Lintz in Mannheim gegenüber unserer Zeitung. Schließlich bestehe nicht nur dringender Tatverdacht, aufgrund dessen der richterliche Haftbefehl ergangen sei, sondern obendrein auch Flucht- und Verdunkelungsgefahr.

Habe die erste Durchsuchung beider Privatwohnungen im Frühjahr 2013 nichts für die Ermittler Verwertbares zu Tage gefördert, sah es gestern offenbar anders aus: "Es wurden Unterlagen und elektronische Datenträger gefunden" und als Beweismittel sichergestellt, so Lintz, die bei der ersten Durchsuchung offenbar nicht in den Räumen gewesen seien.

Die Liste der Vergehen, die beiden Ex-Chefs vorgeworfen werden, ist lang. Abgesehen davon, dass die Staatsanwaltschaft in Mannheim angesichts der "erweiterten Umstände" und im Laufe der Ermittlungen gestiegenen Schadenssummen die Gefahr sieht, die beiden Verdächtigen könnten sich aus dem Staub machen, ist auch die Liste der mutmaßlichen Vergehen lang, wegen derer dringender Tatverdacht gegeben sei: u Hess und Ziegler werden gefälschte Jahresbilanzen der Jahre 2011 und 2012 vorgeworfen. u Es geht um Betrug: Zwei finanzierende Banken sollen über die Wirtschaftsverhältnisse und Mittelverwendung im Rahmen von Kreditverhältnissen getäuscht worden sein – 5,4 Millionen Euro Schaden. u Untreue zum Nachteil der Hess AG sowie eines Tochterunternehmens soll begangen worden sein bei Grundstücks- und Aktienerwerbungen – 1,1 Millionen Euro Schaden. u Betrug zum Nachteil eines Finanzdienstleisters in den Niederlanden beim Aktienerwerb, der sich auf die "geschönten Zahlen" im Börsenprospekt stützte, so Staatsanwalt Peter Lintz – 3,63 Millionen Euro Schaden. u Lediglich gegen Christoph Hess soll sich zudem der Vorwurf der Untreue richten, indem er privat veranlasste Flüge, Handwerkerleistungen oder Reinigungsarbeiten über die Firma abgerechnet haben soll – 85 000 Euro Schaden.

Ein Ende hätten die Ermittlungen mit diesen beiden Festnahmen jedoch noch nicht gefunden, erklärte Lintz. Diese dauerten noch an, im Visier der Ermittler stünden nach wie vor insgesamt 17 verdächtige Personen.

Gestern Nachmittag um 16 Uhr wurden Hess und Ziegler im Amtsgericht Mannheim dem Richter vorgeführt, der dann darüber zu entscheiden hatte, ob der Haftbefehl in Vollzug gesetzt wird.

Im Zuge der Haftprüfung setzte der zuständige Richter in Mannheim noch gestern Abend beide Haftbefehle "außer Vollzug". Das tat er allerdings gegen entsprechende Auflagen: Christoph Hess wurde lediglich gegen eine Kaution von 40.000 Euro auf freien Fuß gesetzt, beide müssen sich nun ein- oder zweimal wöchentlich beim örtlich zuständigen Polizeirevier melden, um zu beweisen, dass sie sich noch im Land aufhalten, und mussten ihre Pässe abgeben. So soll vermieden werden, dass sich die beiden Verdächtigen doch noch den Armen der deutschen Justiz entziehen.