Christoph Hess auf dem Weg ins Amtsgericht. Foto: Eich

Ehemaliger Chef der Leuchtenfirma will sich Öffentlichkeit entziehen. Warten auf das Hauptverfahren.

Villingen-Schwenningen - Christoph Hess, ehemaliger Chef der Leuchtenfirma Hess, die im Zentrum eines Wirtschaftskrimis um einen mutmaßlichen Bilanzbetrug stand, sollte sich gestern vor dem Amtsgericht wegen Untreue verantworten. Doch es kam ganz anders.

Ehe es überhaupt zum Prozess kommen konnte, wurde er nach langem Hin und Her ausgesetzt – ob Christoph Hess in diesem Punkt jemals juristisch belangt werden kann, ist fraglicher denn je.

Es ist fast genau vier Jahre her, als es bei dem mittelständischen Leuchtenhersteller Hess in Villingen-Schwenningen einen Riesenknall tat: Am 21. Januar 2013 wurden die Vorstände Christoph Hess und Peter Ziegler plötzlich fristlos gefeuert. Die Vorwürfe, die laut wurden, waren ungeheuerlich: Bilanzmanipulation – Finanz-, Vermögens- und Ertragslage seien in den Finanzberichten der Gesellschaft zu positiv dargestellt worden, hieß es.

Das Unternehmen mit seinen damals rund 360 Mitarbeitern hatte erst wenige Wochen zuvor, im Oktober 2012, als Vorzeige-Mittelständler im Ländle den mutigen Schritt an die Börse getan. Und plötzlich war es Protagonist im wohl größten Wirtschaftskrimi, den die Doppelstadt jemals gesehen hat.

Untreue-Vorwurf ist nur eine Randerscheinung

Dass Christoph Hess sich seit gestern vor dem Amtsgericht Villingen-Schwenningen wegen des Vorwurfs der Untreue verantworten muss, ist eigentlich nur eine Randerscheinung des großen Ganzen. Es geht dabei nicht um die mutmaßliche Bilanzmanipulation, sondern um Handwerkerleistungen, Reinigungsarbeiten oder beispielsweise ein Sicherheitskonzept für das Privathaus, deren Kosten Hess über die Firma abgerechnet haben soll. Aber: Der Prozess hätte ein helles Licht auf die ehemalige Chefetage des einstigen Familienunternehmens werfen können, in dem es auch im generellen Geschäftsbetrieb nicht immer mit rechten Dingen zugegangen sein soll.

Doch der große Wirtschaftsprozess lässt noch auf sich warten. Anklage vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Mannheims ist 2014 gegen Hess, Ziegler und weitere Angeklagte zwar ergangen, doch wegen Überlastung des Gerichts steht die Terminierung eines Hauptverfahrens noch aus – 600 Gläubiger und ihre 100 Millionen Euro anerkannten Forderungen werden darin eine Rolle spielen.

In Villingen-Schwenningen sollte es gestern, abgetrennt davon, drei Tage lang wegen des Vorwurfs der Untreue gegen Christoph Hess zur Sache gehen. Aber: Ist Christoph Hess überhaupt verhandlungsfähig?

Nach Informationen unserer Zeitung hatte er in derselben Sache gegen einen Strafbefehl auf ein Jahr Gefängnis, ausgesetzt zur Bewährung, Einspruch eingelegt mit der Begründung, verhandlungsunfähig zu sein – das wurde ärztlich attestiert. Im Vorfeld des Prozesses nun wurde seine Verhandlungsfähigkeit gutachterlich festgestellt – dennoch wurde die Sitzung gestern erst einmal unterbrochen, um erneut nichtöffentlich über seine Verhandlungsfähigkeit zu beraten. Fazit: Der ehemalige Firmenboss sei nur eingeschränkt verhandlungsfähig, und zwar unter der Voraussetzung, dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen werde. Doch ein kompletter Ausschluss der Öffentlichkeit sei nach dem Gerichtsverfassungsgesetz "nicht möglich", so Richterin Anja Mannhardt. Auch der Mannheimer Staatsanwalt Nico Hollinger betonte: "Ich sehe keine gesetzliche Handhabe, die Öffentlichkeit vollständig auszuschließen."

Klarheit von neuem Gutachten erhofft

Im Umkehrschluss wäre das eine Bankrotterklärung für das Untreue-Verfahren gegen Hess: Wenn die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, gelte Hess laut dem Gutachten, so Mannhardt, als nicht verhandlungsfähig, und damit müsste das Verfahren am Ende möglicherweise sogar "eingestellt werden". Der Prozess wird nun ausgesetzt. Ein neuerliches Gutachten soll prüfen, bis wann mit einer Verhandlungsfähigkeit des ehemaligen Hess-Chefs gerechnet werden kann.