Der Skandal um den Leuchtenhersteller Hess könnte die LBBW teuer zu stehen kommen. Anlegeranwälte prüfen Schadenersatzansprüche gegen die Bank, die das Unternehmen vor vier Monaten an die Börse gebracht hat. Foto: dpa

Von Euphorie keine Spur mehr: Landesbank drohen Schadenersatzklagen. LBBW weist Vorwürfe zurück.

Villingen-Schwenningen/Stuttgart - Die Insolvenz der Hess AG ist ein Rückschlag für die Aktionärskultur in Deutschland. Für die LBBW, die das Unternehmen seinerzeit federführend begleitet hat, ist das "der größte anzunehmende Unfall", sagt Aktionärsschützer Klaus Nieding.

Noch vor Kurzem – im November – hat die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) bei einer Veranstaltung für Investoren mit dem "erfolgreichen Börsengang der Hess AG" geworben – dem ersten "eines mittelständischen Unternehmens nach über 15 Monaten in Deutschland". Von Euphorie ist heute nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil: Die LBBW, die das Bankenkonsortium beim Börsengang angeführt hat, sieht sich selbst Vorwürfen ausgesetzt.

"Dass Hess nicht einmal vier Monate nach dem Börsengang Insolvenz anmeldet, wirft kein gutes Licht auf die LBBW, die gerne Unternehmen beim Börsengang begleiten möchte", sagt Anlegeranwalt Bernd Jochem aus der Münchener Kanzlei Rotter Rechtsanwälte. Wenn der Verdacht zutreffen sollte, dass seit Jahren Zahlen gefälscht wurden, "wieso ist das der LBBW nicht aufgefallen?", fragt Anlegeranwalt Walter Späth. Auch die Tatsache, dass kurz vor dem Börsengang der Wirtschaftsprüfer bei Hess ausgewechselt wurde, wirft Fragen auf. "Das riecht", sagt Aktionärsschützer Klaus Nieding. Die LBBW weist Vorwürfe zurück. "Die üblichen Sorgfaltspflichten wurden eingehalten", teilt die Bank auf Anfrage mit. Allerdings prüfe man, "ob und in welchen Fällen wir künftig für IPO-Begleitungen zur Verfügung stehen". IPO steht für Börsengänge.

Die Bank muss sich nun auf Schadenersatzklagen einstellen. Bundesweit prüfen Rechtsanwälte Schadenersatzansprüche von Anlegern gegen Verantwortliche beim Börsengang. Dazu zählen neben den Emissionsbanken LBBW, W.W. Warburg und Kempen auch Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte sowie Vorstand und Aufsichtsrat der Hess AG. Sie haften für mögliche Fehler im Wertpapier-Prospekt, den potenzielle Aktionäre erhalten. "Das ist der Fall, wenn beispielsweise die Situation des Unternehmens und der Jahresabschluss 2011, der Grundlage für den Börsengang war, falsch dargestellt wurden", sagt Jochem. "Die LBBW kann sich hier nicht allein auf den Jahresabschluss und das Testat des Wirtschaftsprüfers verlassen." Die Banken, die ein Unternehmen an die Börse bringen, müssen "eigenständige Prüfungen und Recherchen anstellen und die Finanzen des Unternehmens durchleuchten".

Die Anwälte halten mögliche Klagen für aussichtsreich. "Prospekthaftungsansprüche sind scharfe Schwerter", sagt Nieding. Allerdings müssten Anleger die kurze Verjährungsfrist beachten. "Ab Kennen des Prospektfehlers maximal sechs Monate", sagt der Aktionärsschützer. Die Abberufung des Vorstands am 21. Januar könnte dieser Termin sein, an dem Anleger hellhörig geworden sind, so Nieding.

Als Schadenersatz können Anleger im besten Fall die Rückabwicklung des Aktienkaufs bekommen. Der Großteil der Hess-Aktien ging an institutionelle Anleger (also etwa Fonds), 9,2 Prozent an Privatanleger. Innerhalb der bevorrechtigten Zuteilung gingen 4,2 Prozent der Aktien an Privatkunden der Sparkasse Schwarzwald-Baar und der Ostsächsischen Sparkasse Dresden.

Die Mannheimer Staatsanwaltschaft ermittelt laut ihrem Sprecher Peter Lintz gegen sechs Personen im Fall Hess, darunter die beiden geschassten Vorstände Christoph Hess und Peter Ziegler.

Der bisherige vorläufige Insolvenzverwalter des Leuchtenherstellers Hess, Martin Mucha, ist künftig nur noch Insolvenzverwalter des Tochterunternehmens Hess Lichttechnik. Vorläufiger Insolvenzverwalter der Hess AG wird Muchas Kanzleikollege Volker Grub. Mucha selbst habe die Personalie vorgeschlagen, hieß es gestern. Das zuständige Amtsgericht habe sie bestätigt. Grub ist bekannt als früherer Insolvenzverwalter bei Unternehmen wie Bauknecht, Südmilch und Schiesser. Im Schwarzwald hatte er unter anderem die Modellbaufirma Faller in Gütenbach (Schwarzwald-Baar-Kreis) durch die Insolvenz geführt.