Vor dem Oberlandesgericht Freiburg wurde am Mittwoch das Urteil gegen Christoph Hess und Peter Ziegler gesprochen. Foto: Spitz

Bilanzskandal: Christoph Hess und Peter Ziegler bei Urteilsverkündung in Freiburg nicht anwesend.

Villingen-Schwenningen - "Das Vermögen der Beklagten wird unter Arrest gestellt" – die geschassten Hess-Vorstände Christoph Hess und Peter Ziegler waren zwar nicht persönlich anwesend, das Urteil des Oberlandesgerichts dürften sie aber mit Erschrecken zur Kenntnis genommen haben.

Damit unterlagen Hess und Ziegler dem zweitgrößten Aktionär, dem holländischen Unternehmen HPE, das sich von den beiden getäuscht und unter falschen Voraussetzungen zum Aktienerwerb veranlasst sieht. Das Landgericht Konstanz – ohne mündliche Verhandlung – war im Mai des vergangenen Jahres zu anderer Auffassung gelangt, HPE zog vor das Oberlandesgericht in Freiburg.

Während des ersten Prozesstages Mitte Dezember waren die beiden Beklagten Hess und Ziegler mit ihren Anwälten anwesend gewesen und nahmen sie für Prozessbeobachter überraschend ausführlich Stellung zu den Vorwürfen. Bei der gestrigen Urteilsverkündung durch Richter Rainer Jagmann blieben ihre Plätze vor Gericht leer. Nach wenigen Minuten war das Urteil verkündet, für die Begründung aber nahm sich Jagmann eine Viertelstunde Zeit.

In drei Tranchen hat HPE Anteile des Villinger Unternehmens erworben, insgesamt für über 17 Millionen Euro. Habe der holländische Großaktionär eine vorsätzliche Täuschung durch Christoph Hess und Peter Ziegler mittels gefälschter Bilanzen und Umsatzzahlen beim ersten und größten Aktienkauf im Februar 2012 nicht glaubhaft machen können, sei ihm das aber für die Aktienkäufe im Oktober und November 2012 durchaus gelungen, so Jagmann. Um 4,7 Millionen Euro seien die Umsätze der Hess AG auf den Papieren demnach nach oben manipuliert worden. Während das Landgericht Konstanz keinen Arrestgrund gesehen hat, ließ das Oberlandesgericht nun "Vertuschungshandlungen zur Beiseiteschaffung von Beweismitteln" und die Übertragung von Grundstücken als solche in seine Urteilsbegründung einfließen – demnach sei beispielsweise ein Dienstlaptop vor dem Polizeizugriff "gesäubert" worden, so Jagmann.

Der Streitwert für eine Berufungsverhandlung wurde auf 5,9 Millionen Euro festgesetzt. Würden Hess und Ziegler in die Haftung genommen, könne das aber sogar bedeuten, dass sie dann über die volle Höhe der Schadensersatzansprüche haften müssten. Eine Entscheidung, ob HPE Schadensersatzansprüche gegen Hess und Ziegler hat, bedeute das gestrige Urteil nicht, stellte Jagmann klar. Das gelte es in einem Hauptsacheverfahren zu entscheiden, für das HPE nach dem gestrigen Sieg vor dem Oberlandesgericht nun den Boden bereiten dürfte.

Seite 2: Dringlicher Arrest

Das Vermögen von Christoph Hess und Peter Ziegler soll nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Freiburg unter dinglichen Arrest gestellt werden. In dieser Entscheidung sehen Prozessbeobachter einen Fingerzeig für den Ausgang des kompletten Verfahrens. Für Hess und Ziegler hätte hingegen schon die Vollstreckung dieses Urteils ganz konkrete Auswirkungen. Bei einem dinglichen Arrest werden in der Regel die Konten der Beklagten gepfändet und auf Grundstücke in ihrem Besitz Sicherungshypotheken eingetragen. Sollte HPE in einem Hauptsacheverfahren gewinnen, könnte es sich dann am arrestierten Vermögen bedienen.