Urteil mit Signalwirkung: Die beiden ehemaligen Hess-Vorstände Peter Ziegler und Christoph Hess müssen jetzt zwei Millionen Euro Schadensersatz bezahlen. Foto: Hess AG

Landgericht verurteilt Christoph Hess und Peter Ziegler. E-Mails werden zum Verhängnis.

Villingen-Schwenningen - Christoph Hess und Peter Ziegler, die Ex-Chefs der insolventen Hess AG, sollen Schadenersatz leisten – zu Zahlungen in Höhe von zwei Millionen Euro zuzüglich Zinsen an den ehemaligen Großaktionär HPE hat die zweite Zivilkammer des Landgerichts Konstanz die beiden am 3. Juni nun verurteilt.

Gläubiger und Aktionäre warten nach der Anklage seitens der Staatsanwaltschaft in Mannheim, wo die Spezialabteilung für Wirtschaftskriminalität angesiedelt ist, noch auf die gerichtliche Aufarbeitung des Bilanzskandals bei Hess in einem möglichen Strafprozess. Unterdessen hat nun zum ersten Mal ein Zivilgericht ein vermutlich noch Aufsehen erregendes Urteil in der Sache gefällt. Das Gericht geht nämlich ganz klar von Absicht aus: Christoph Hess und Peter Ziegler hätten "vorsätzlich" gehandelt und seien auch "keinem Rechtsirrtum" erlegen, heißt es in dem Urteil, das unserer Redaktion vorliegt.

Scheinrechnungen zur Erhöhung der Umsatzzahlen der Hess AG seien in der Absicht erstellt worden, Anleger zu Aktienkäufen zu motivieren – zumindest im Fall von Christoph Hess komme hinzu, "dass er bei dem Verkauf der Primary Shares als Mitgesellschafter der Hess Verwaltungs GmbH und Co. KG direkt profitierte", meint das Landgericht.

Auf schier unzähligen Seiten in der Urteilsschrift und den Anlagen wird penibel dargelegt, wie die Bilanzmanipulation in vielen kleinen Schritten passiert sein soll. Mutmaßliche Scheinrechnungen werden seziert, aber auch der Verkauf von Entwicklungsleistungen, die immer wieder Rätsel aufgaben. Das Gericht bezweifelte teilweise deren Existenz oder den genannten Umfang. Unzweifelhaft hingegen viele Indizien digitaler Art. Eine E-Mail von Peter Ziegler an einen leitenden Angestellten, den späteren Whistleblower, beispielsweise. Ziegler schreibt darin, dass er eine Dokumentation von Entwicklungskosten für zu gefährlich halte, "weil zu viele Projekte drin stünden, die er auch für Evros verwendet habe". Die Evros GmbH hat überhaupt eine Schlüsselstellung in dem unübersichtlichen Firmen-Geflecht der Hess AG. Sie war laut Gericht eine "reine Abrechnungsfirma", "die dazu diente, Scheinumsätze der Hess AG zu generieren". Das Vorgehen sei oft dasselbe gewesen: Ziegler habe als Finanzvorstand der Hess AG einen Vertriebsmitarbeiter angewiesen, "verschiedene, genau vorgegebene Rechnungen auszulösen".

Um die Rechnungsempfänger mit den notwendigen finanziellen Mitteln auszustatten, "wurden auf Veranlassung des Beklagten Ziffer 2* (rückdatierte) Rechnungen an die Evros GmbH ausgestellt. Und nachdem die Evros GmbH die Zahlungen an die Rechnungsaussteller geleistet hatte, "haben diese ihrerseits Zahlungen auf die Rechnungen der Hess AG geleistet" – so die wundersame Erhöhung der Umsatzerlöse der Hess AG in der Bilanz 2011 um 4 758 640 Euro.

Gelenkt und gesteuert habe diese Vorgänge zwar Ziegler, doch auch Christoph Hess habe von den Vorgängen gewusst und sei von Ziegler darüber auch in mehreren Mails informiert worden.

Zieglers Anwalt Christoph Kleiner überlegt, gegen das Urteil in Berufung gehen. Hess’ Anwalt äußerte sich noch nicht. Ein Ende der Hess-Prozesse an den verschiedenen Gerichten scheint auch abgesehen davon nicht in Sicht. Neben dem in der Urteilsbegründung ausführlich dargestellten "Betrug", so das Landgericht, komme auch die Prospekthaftung noch in Betracht. Dem Börsenprospekt, mit dem für eine Investition in die Hess AG geworben wurde, lagen in den Augen der Ermittler ebenfalls geschönte Zahlen zugrunde, unter anderem der unrichtige Jahresabschluss 2011. Hess und Ziegler tragen nicht nur als "tatsächliche Urheber des Prospektes" Verantwortung, sie hätten auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Emission gehabt und darauf hingewirkt, "dass ein unrichtiger oder unvollständiger Prospekt veröffentlicht wird".

Weitere Informationen: *beim Beklagten Ziffer 2 handelt es sich um Peter Ziegler