Vieles war unter den Teilnehmern der Leitbild-Werkstatt besprochen worden. Foto: Bloss

Visionieren oder sparen? Leitbild für Villingen-Schwenningen der Zukunft hat Signalkraft verloren. Mit Kommentar

Villingen-Schwenningen - Vor eineinhalb Jahren war sich der Gemeinderat von Villingen-Schwenningen am Ende mehrheitlich einig: Ein Leitbild für das Oberzentrum musste her – eine Vision für das Villingen-Schwenningen der Zukunft. Doch jetzt, wo dieses vorliegt, ist es mit seiner Signalkraft offenbar nicht mehr weit her.

In den zurückliegenden Wochen ist unter den Gemeinderäten der Doppelstadt eine erbitterte Debatte entbrannt. Der Gründe gibt es nicht viele, aber immerhin zwei: das Gutachten der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement, kurz: KGSt, und das von dem Hamburger Planungsbüro Urbanista entwickelte Leitbild. Ersteres ist ein Sparpapier, das der Gemeinderat ebenso in Auftrag gegeben hatte und das aufdecken sollte, wo Villingen-Schwenningen bares Geld sparen könnte. Beim zweitgenannten handelt es sich um besagte Zukunftsvision.

Nun liegen im Wesentlichen beide vor – und plötzlich sieht sich der Gemeinderat offenbar in der Bredouille. Würde es nach damaligem Beschluss gehen, wäre der Fall eigentlich klar: Es ginge jetzt ans Eingemachte. Man hätte sein Leitbild vor Augen, als die große Zukunftsvision, und würde anhand dessen die Einsparpotenziale quasi abarbeiten.

Aber: Man hadert offenbar mit dem – für beide Gutachten zusammen übrigens über eine halbe Million Euro teuren – Gesamtkonzept und ist sich uneins: Was wiegt nun schwerer – seiner Vision einer Stadt zu folgen oder den Einsparvorschlägen? Kann man ein KGSt-Gutachten beschließen, obwohl es Vorschläge enthält, die gar nicht politisch gewollt sind? Und was müsste eigentlich zuerst gemacht werden, der Beschluss für oder gegen das Sparpapier oder doch eher das Leitbild? Und darf ein Leitbild als solches überhaupt einem Spardiktat unterworfen werden, oder müssten sich nicht vielmehr die Sparmaßnahmen am städtischen Leitbild orientieren?

Es ist das klassische Bild von der Katze, die sich in den Schwanz beißt. Die Lösung des Problems steht derzeit aus. Und die Debatte ist vorerst vertagt. Sollte der Gemeinderat zuletzt eigentlich am heutigen Mittwoch über das Sparpapier der KGSt beraten, wich der Tagesordnungspunkt nun vom Programm und will man das heiße Eisen erst gegen Monatsende anpacken.

Kommentar: Eine Vision?

Von Cornelia Spitz

Als der Gemeinderat sich vor rund eineinhalb Jahren dazu entschlossen hat, ein Leitbild fertigen zu lassen, war er mutig. Ganz bewusst entschied sich das Gremium damals unter mehreren, durchaus auch bodenständigeren Bewerbern für die Innovativsten. Warum? Weil man sich von den jungen Hamburgern eine echte Vision erhoffte: das Villingen-Schwenningen der Zukunft. Auf Papier wurde es gebaut. Doch jetzt, eineinhalb Jahre später, ist die Euphorie verpufft. Und mehr noch: Villingen-Schwenningen ist drauf und dran, ein teuer gekauftes Gutachten ad absurdum zu führen. Wofür braucht es eine Vision, wenn sie sich am Ende dann doch allem anderen voran dem Spardiktat unterwerfen muss? Sinnvoller wäre es doch, die ohne Zweifel notwendigen Sparmaßnahmen am Villingen-Schwenningen der Zukunft auszurichten, der Stadt, in der man in Zukunft leben will.

Info: Die Gutachten

Viele Seiten dick sind die zwei Gutachten, die nun diskutiert werden. Das Gutachten der KGSt beschäftigt sich vorrangig mit Einsparvorschlägen. Das Leitbild hingegen wurde vom Planungsbüro Urbanista aus Hamburg erstellt. Die Idee dahinter: Der Gemeinderat wollte ein Leitbild, eine Orientierungshilfe, welche Grundpfeiler das Oberzentrum in Zukunft haben soll.