Gerhard Gebauer und seine Frau Liselotte feiern im Jahr 2011 ihren 85. Geburstag. Foto: Streck

Ende einer Ära: "Architekt" der gemeinsamen Stadt stirbt im Alter von 90 Jahren. Mit Kommentar

Villingen-Schwenningen - Der ehemalige Oberbürgermeister Gerhard Gebauer, der Vater der gemeinsamen Stadt, hat am Samstag nach längerer Krankheit im Alter von 90 Jahren für immer die Augen geschlossen.

Seit einigen Jahren war es um Gebauer ruhig geworden. In seinen letzten Lebensmonaten ist er von seiner Frau Liselotte, Sohn Hans-Joachim und Tochter Angelika liebevoll gepflegt worden. Die meiste Zeit hatte er in der geriatrischen Klinik verbracht, die er 1998 ins Leben gerufen hat.

Gerhard Gebauer galt als der Architekt der gemeinsamen Stadt. Die "einmalige Erfolgsstory" erfüllte ihn immer mit Stolz, schließlich war es 1972 gelungen, zwei Kommunen, die gegensätzlicher kaum sein konnten, zu fusionieren: auf der einen Seite das badische Villingen, katholisch, stolz auf seine bürgerliche Tradition, auf der anderen das württembergische Schwenningen, protestantisch, als Arbeiterstadt groß geworden. Hatte es auf Schwenninger Seite kaum eine politische Gegnerschaft gegen die geplante Städte-Ehe gegeben, war in Villingen vielfältige Überzeugungsarbeit erforderlich. Nicht geringe Widerstände mussten überwunden werden. So wetterte etwa die Aktion Alt-Villingen vehement gegen den Zusammenschluss. Indes vergebens. Gebauer führte dies auch darauf zurück, dass die Gegner den "Ernst der Lage" zu spät erkannt hätten. Bürgeranhörungen brachten jedenfalls eine breite Zustimmung: in Schwenningen 77 Prozent, in Villingen immerhin 64 Prozent.

Aufgrund der Fusion musste sich Gebauer, zum 1. Januar 1971 für weitere zwölf Jahre als OB Schwenningens bestätigt, bereits ein Jahr später erneut zur Wahl stellen. Bis zwei Wochen vor dem Urnengang hatte er auch mit einem ernsthaften Gegenkandidaten zu rechnen. Gerd Jauch, Rechtsanwalt und ZDF-Journalist, hatte seinen Hut in den Ring geworfen. Noch heute wird kolportiert, Jauch habe seine Bewerbung zurückgezogen, nachdem ihm das von ihm beauftragte Meinungsforschungsinstitut Allensbach nur bescheidene Erfolgschancen prognostiziert hatte. Gebauer siegte. Und er tat dies auch bei zwei Wiederwahlen. 1980 zog sein Herausforderer Hannsheinrich Walz, als damaliger CDU-Fraktionsvorsitzender der natürliche Widerpart des SPD-OBs, den Kürzeren. 1987 musste Gebauer zwar zum zweiten Mal antreten – sein späterer Nachfolger Manfred Matusza hatte ihm einen zweiten Wahlgang abgetrotzt –, aber am Ende ging er auch dieser Wahl als strahlender Sieger hervor.

Ende 1994 schied Gebauer 68-jährig nach 35 Jahren als dienstältester OB Deutschlands aus dem Amt aus. Die Integration der beiden Städte wurde seine Lebensaufgabe, er lebte VS. Seiner Vorstellung eines nicht nur politischen, sondern auch räumlichen Zusammenwachsens wurden zwar aufgrund landespolitischer Entscheidungen zunächst Grenzen gesetzt, doch habe die gemeinsame Stadt ihre Bewährungsprobe schon längst bestanden. VS sei als Zentralort der Region anerkannt, sagte Gebauer immer wieder. Als eine der größten Erfolge der Doppelstadt war für ihn die Hochschulentwicklung – ohne Städtefusion, ist sich Gebauer sicher, undenkbar.

Von Anbeginn seiner langen Amtszeit hatte Gebauer eine Fülle von Ehrenämtern inne. Der deutsche Städtetag würdigte sein Engagement mit der Ehrenmitgliedschaft, der Rat der Gemeinden und Regionen Europas mit der Ehrenpräsidentschaft. Jahrzehntelang hatte er den Vorsitz im Bürgerheimverein und im DRK Schwenningen inne, in unzähligen weiteren Vereinen war er Mitglied. Gebauer war Träger zahlreicher Auszeichnungen, so des Bundesverdienstkreuzes, und er war Ehrenbürger von VS und Zittau.

Kürzer treten war seine Sache auch im Ruhestand nicht. Gebauer kandidierte 1999 für den Gemeinderat. Ihm liege das Schicksal der Stadt am Herzen, argumentierte Gebauer, und tatsächlich ging er als Stimmenkönig der SPD aus dieser Wahl hervor. 2004 und 2009 wurde er erneut in den Rat gewählt.

 Gerhard Gebauer wurde am 15. Dezember 1926 im hessischen Philippstal, Kreis Bad Hersfeld, geboren. Nach Kriegsdienst, Jura-Studium und Referendariat in Frankfurt und Tübingen wechselte er 1953 in den Dienst des Landes Baden-Württemberg. Er war Regierungsrat in der Oberfinanzdirektion Stuttgart und Leiter des staatlichen Liegenschaftsamtes Tübingen. Der promovierte Jurist wechselte 1960 als Bürgermeister nach Schwenningen. Seit Oktober 1962 – nach dem Tod Hans Kohlers – war er deren OB. Ab Januar 1972 stand Gebauer an der Spitze der Stadt Villingen-Schwenningen.

Kommentar: Vermächtnis

Von Sabine Streck

Der Vordenker und Visionär einer gemeinsamen Stadt Villingen-Schwenningen ist tot. Gerhard Gebauer war in seiner 35-jährigen Tätigkeit als Oberbürgermeister Architekt und Wegbereiter für die Zukunft von VS als starkes Oberzentrum. Vieles hat der geschickte Taktierer in all den Jahrzehnten erreicht. Vieles ist noch zu tun. Die Hochschulen haben sich etabliert und sind auf Wachstumskurs, die Wirtschaft hat Krisen überstanden und boomt, die Stadtteile wachsen langsam nicht nur räumlich, sondern auch im Bewusstsein der Menschen, die hier leben, zusammen. In diesem Annäherungsprozess liegt noch viel Entwicklungspotenzial, das allen voran die Bürger und die Kommunalpolitiker als Vermächtnis erkennen müssen. Der Weg im Sinne Gerhard Gebauers zum großen und starken Ganzen sollte mutig gemeinsam weiter gegangen werden.