Das Trinkgeld mache fast 40 Prozent des gesamten Einkommens aus. (Symbolbild) Foto: Hoda Bogdan – stock.adobe.com

Gastro-Beschäftigte in Kurzarbeit. Wie gehen Betroffenen in Doppelstadt mit Corona-Krise um?

Villingen-Schwenningen - Der Vermieter ahnt, was jetzt kommt: Das Räuspern am anderen Ende der Leitung, die Verlegenheitspause, dann die belegte Stimme: "Ich kann die volle Miete nicht mehr zahlen."

Newsblog zur Ausbreitung des Coronavirus in der Region

So wie Michael B. geht es vielen Menschen, die in der Gastronomie beschäftigt sind, jetzt kurzarbeiten und auch noch auf das bislang so ordentliche Trinkgeld verzichten müssen.

Rund 2500 Menschen arbeiten im Gastgewerbe, in Hotels oder Pensionen; gut 1500 sind in der Gastronomie im Schwarzwald-Baar-Kreis beschäftigt und sorgten bisher dafür, dass der Gast ein gut gezapftes Pils auf die Theke und ein ordentliches Essen auf den Tisch gestellt bekam.

Doch Restaurants, Bars und andere Gastro-Lokationen sind seit ein paar Wochen geschlossen. Unter den Gastronomen geht die blanke Angst um, wie lange sie es noch angesichts von den aktuell leeren Kassen und Umsatzausfällen aushalten können, dazu haben sie auch eine andere Sorge.

Wie geht es mit meinen Beschäftigten weiter? Viele Betriebe haben ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt, vorsorglich bis in den Juni hinein, erzählt ein Mittvierziger, der bis Mitte März in einem Villinger Betrieb gearbeitet hat.

Fast 40 Prozent fehlen

Nicht nur der Verdienst fehlt, es ist vor allem das Trinkgeld, das bei vielen Gastro-Beschäftigten schmerzlich ausbleibt. Das muss man auch einem Schwenninger Gastronomen nicht sagen: Die Kurzarbeit und damit 60 Prozent weniger Verdienst, das sei schon ein herber Einschnitt, doch das fehlende Trinkgeld reiße noch ein größeres Loch in den Geldbeutel. Teilweise mache dieses Zubrot 30 bis fast 40 Prozent des gesamten Einkommens aus.

Wie manchen Chefs oder Geschäftsführerinnen geht es auch einigen Mitarbeitern: Um Engpässe zu vermeiden, geht es jetzt ans Eingemachte, muss Erspartes angezapft werden, damit "wir über die Runden kommen".

Erspartes geht drauf

Die Reserven anzapfen? Soweit ist es bei Michael B. noch nicht. Zunächst wendet er sich an seinen Vermieter. Mit einem Kloß im Hals, wie er sagt, schildert er die Situation und kommt dann zum Punkt und seinem Anliegen. "Könnte man etwas an der Miete machen", erzählt er von dem Gespräch. Keine fünf Minuten später haben sich er und der Eigentümer geeinigt: Bis auf weiteres muss der Mieter keine Nebenkosten zahlen. Immerhin monatlich 200 Euro. "Das sind für uns ein Zwei-Wochen-Einkauf", rechnet B. vor, der mit seinem Lebenspartner in der Doppelstadt zusammenwohnt. Auch ihn trifft es hart, dass er auf unbestimmte Zeit auf das üppige Trinkgeld verzichten muss. "Das waren fast immer 1000 Euro im Monat."

Gemeinsame Lösungen

Könnte ein solches Arrangement zwischen Vermieter und Mieter die Regel werden in diesen Ausnahmezeiten? Thomas Haller, Vorsitzender des Haus- und Grundeigentümervereins, hat zwar bereits nur ein paar Anfragen zum Thema. Er geht jedoch davon aus, dass die Anzahl entsprechender Mails oder Telefonate erst in den nächsten Wochen explodieren werden, je nachdem, wie lange der Zustand der Kurzarbeit generell noch anhalte.

Bei Anfragen rät er seinen Mitgliedern grundsätzlich: "Gehen Sie aufeinander zu, sprechen Sie miteinander und finden Sie gemeinsam eine Lösung." Nicht jeder Eigentümer, rückt Haller gleichzeitig ein populäres Klischee zurecht, habe Geld in Hülle und Fülle und könne problemlos auf die gesamte Miete verzichten: "Viele sind auf die monatlichen Mieteinnahmen angewiesen." Damit Eigentümer und Mieter eine vernünftige Basis finden, bietet der Verein Stundungs-Formulare für Mieten an.

Anfragen von besorgten Bürgern gibt es auch am anderen Ende der Stadt. Von der Geschäftsstelle von Haus und Grund hinein in die Pressestelle der Stadtwerke VS: In den vergangenen Tagen, hieß es, habe es einige Anfragen von Kunden gegeben, die durch die derzeitige Corona-Pandemie Zahlungsschwierigkeiten haben, erläutert Oliver Bauer, bei den SVS für die Unternehmenskommunikation zuständig. "Wir sind hier in engem Austausch mit den betroffenen Kunden."

Bauer weist darauf hin, dass der Bundestag im März ein Gesetzespaket zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der derzeitigen Corona- Pandemie auf den Weg gebracht habe. Ein Teil des neuen Gesetzes, das am 1. April in Kraft getreten ist, beinhalte auch ein Zahlungsmoratorium für Verbraucher und Kleinstgewerbekunden. Dies stelle für die Kunden eine zeitlich begrenzte Stundung dar. Konkret gesprochen: Mit Ablauf des Moratoriums müssen die fälligen Beträge geleistet werden. "Daher erarbeiten wir gemeinsam mit den betroffenen Kunden individuelle Lösungen und zeigen je nach konkretem Einzelfall die verschiedenen Möglichkeiten auf", zeigt Bauer auf.

Frische Luft statt grübeln

Michael B. hat die Nebenkosten-Sache mit dem Vermieter bereits einvernehmlich geregelt. Erleichtert, wie er jetzt ist, kann er Krise und Kontaktsperre doch auch etwas Positives abgewinnen. "Wir brauchen etwas weniger Geld, weil ja nichts auf hat und wir nicht ausgehen können." Zudem könne er sich jetzt um so mehr der Gartenarbeit widmen.

Gärtnern statt grübeln als Gebot der Stunde? "An der frischen Luft, da komme ich auf andere Gedanken." Dann vermisst er sie nicht so sehr, die Kollegen, die Gäste, "eben die Kneipenatmosphäre".