Sebastian Pantel startet Selbstversuch /

VS-Villingen (kal). 364 Euro nach dem Hartz IV Regelsatz reichen aus. Vorausgesetzt man legt keinen Wert auf soziale Kontakte, hat einen intakten Kühlschrank, braucht keine Kleidung zu kaufen und ist nicht an Bildung interessiert. Doch wer will schon freiwillig so sein Dasein fristen? Freiwillig hat Sebastian Pantel einen Selbstversuch gemacht. Die daraus resultieren ernüchternden Ergebnisse hat er jetzt auf Einladung des Kreisverbandes des deutschen Gewerkschaftsbundes in der Tonhalle vorgetragen. Dabei ließ er auch die von ihm geführten Gespräche mit den unfreiwilligen Hartz IV Empfängern einfließen.

Erfahren habe er, dass es nicht den klassischen Hartz IV Empfänger gibt, sondern sich hinter jedem ein persönliches Schicksal verbirgt. Er habe Lebensgeschichten zu hören bekommen, die ihn betroffen machten. Nicht nur, dass die meisten unverschuldet in die Situation gekommen sind, mache ihn nachdenklich, sondern dass diese Menschen einen tagtäglichen Kampf nicht nur ums Überleben führen, sondern auch um die eigene Würde kämpfen.

So hörte er von einem ehemaligen Unternehmer, dass er über 30 Jahre anderen Arbeit und Brot gab und sich heute als Faulenzer beschimpfen lassen muss. Wie andere Menschen, ja, wie Bittsteller fühlten sich andere Erzähler beim Umgang mit den Behörden. Einer Frau, deren Mutter in Norddeutschland verstarb, wurde nur ein Tag für die Hin- und Rückfahrt zur Beerdigung bewilligt. Eine andere musste aus einer größeren Wohnung in eine kleinere umziehen, obwohl diese teurer ist.

Der Leiter eines Job-Centers räumte ein, dass seine Mitarbeiter mit Hartz IV und den Nebenwirkungen überlastet seien. Die Pressestelle von Bundesministerin Ursula von der Leyen habe sich von seinem zehn Punkte umfassenden Fragenkatalog auch überfordert gesehen. Wenig Inhaltliches bekam er auf den auf zwei Fragen reduzierten Katalog zu lesen.

Was seinen Selbstversuch anbelangt, habe er schnell erfahren, dass die Kontakte zu den Arbeitskollegen wegbrechen. Gemeinsam Mittagessen war nicht mehr drin. Der Kochlöffel wurde Zu Hause geschwungen, da nur die von den Experten errechneten und als ausreichend empfundenen 128,46 Euro für Lebensmittel in einen Monat zur Verfügung standen. Der Satz von 30 Euro steht für Kleidung und Schuhe. "Telefon und Internet konnte ich gleich vergessen", erzählte Pantel mit ironischem Unterton. "Wie soll das funktionieren mit dem staatlich bewilligten monatlichen Bildungspaket im Wert von 1,39 Euro ?"

Immer wieder musste er sich die Ratschläge von Unterstützungsempfängern ins Gedächtnis rufen, die meinten: "Vergiss deinen Geburtstag, Weihnachten und sonstige Feste, du kannst dir nichts leisten." Nachhaltig bleibt ihm das Gespräch mit einer Frau in Erinnerung, die meinte, mit den Hartz IV Empfängern habe man so eine Art Sündenböcke geschaffen, die für jene, die gesellschaftlich besser gestellt sind, ein gutes Feindbild abgeben. Das eigne sich zudem als Drohkulisse, um Lohndumping durchzusetzen. "Früher drohten die Kirchen mit dem Fegefeuer, heute haben wir es vor der Tür", zitierte Pantel die Frau.