Begeisterung nach 7:1-Sieg der Deutschen in der Doppelstadt. Großer Verblüffung folgt Finale-Fieber.
Villingen-Schwenningen - Die Doppelstadt ist im WM-Fieber – jetzt, nach dem sensationellen 7:1-Halbfinale-Sieg der deutschen Nationalmannschaft am Dienstagabend, erst recht.
Nein, gerechnet hat mit diesem Ergebnis wirklich niemand. Auch in Schwenningen herrschte nach 30 Minuten rund um die »Fanmeile« am Bahnhof absolute Ungläubigkeit. Fast 500 Fans hatten sich dort in der Expressguthalle sowie in und vor dem Café Ostbahnhof zusammengefunden, um den historischen Sieg gemeinsam zu feiern. Gastwirt Jan Christoph Uhl hatte sogar einen Fernseher und Sitzplätze in die Banhofsvorhalle gestellt, um dem Ansturm gerecht zu werden. Nach den 90 Minuten gab es schließlich kein Halten mehr – auch in Villingen nicht. Dort zog sich ein langer Bandwurm von geflaggten Fahrzeugen durch die Bertholdstraße an der feiernden Meute rund um die Kneipenmeile in der Färberstraße vorbei; laut Polizei glücklicherweise ohne größere Zwischenfälle.
Am Tag danach leuchtet’s überall schwarz-rot-gold: An Häuserfassaden, in Schaufenstern, in Verkaufsräumen und Bars. Im Einzelhandel boomt der Verkauf von Fanartikeln bereits seit Wochen. Vielerorts ist nichts mehr übrig geblieben. Im K & L Ruppert in der Bickenstraße hängen ein paar wenige gelb-grüne Brasilientrikots – von 14,99 auf 4,99 Euro reduziert. "Das ist aber schon seit ein paar Tagen so«, versichert Verkäuferin Kristina Rymin und lacht. Ihr Kollege kann sich im Gegensatz zur restlichen Belegschaft nicht so recht über das Spielergebnis freuen: "Ich war für die Brasilianer", sagt Samuele Longombardo. Und fügt hinzu: "Ich habe es heute morgen nicht über mich gebracht, das Ergebnis in unseren Spielplan in der Kantine einzutragen."
Dennoch: Trikots nachbestellen werde man nur im Hinblick aufs Finale nicht mehr. Bei Intersport Stähle in der Rietstraße hängen noch einige Fußballshirts. Die Belegschaft trägt jedoch keine. Im Drogeriemarkt Müller haben sich die Verkäufer hingegen in Schale geschmissen: Elke Leitner trägt Ohrstecker in Deutschland-Optik, auch Klebetatoos und Deutschland-Socken hätten sie und ihre Kollegen schon getragen. Jeanette Neuer, Verkaufsberaterin im Naturshop, wird am Sonntag wohl auch beim Finale einschalten – schließlich ist sie eine Cousine von Manuel Neuer, dem Torwart der Nationalelf, wie sie auf mehrfaches ungläubiges Nachfragen bestätigt. "Dabei schaue ich eigentlich keinen Fußball, und wir haben auch keinen Kontakt zueinander – wahrscheinlich weiß er nicht einmal, dass es mich gibt", lacht sie. Das Spiel am Dienstag habe sie »total verpennt", aber natürlich freue auch sie sich über den Sieg der Deutschen.
Während keiner der angesprochenen Betriebe aufgrund des späten Finale-Anpfiffs auf einen verspäteten Arbeitsbeginn setzt, können sich zumindest viele Schüler in der Doppelstadt über die Tatsache freuen, dass einige Klausuren erst eine Stunde später geschrieben werden. "Rainer Beha und ich haben uns dafür entschieden, die Lehrer frei darüber entscheiden zu lassen", erklärt Manfred Koschek, geschäftsführender Direktor der Gymnasien, auch stellvertretend für seinen Kollegen, der für Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen zuständig ist. An jenen Schulen, wo davon Gebrauch gemacht wurde, habe dies bisher auch »sehr gut geklappt«, so etwa am Schwenninger Deutenberg-Gymnasium, wo die Neuntklässler beispielsweise gestern morgen erst zur zweiten Schulstunde antreten durften. Ein Luxus, der nicht jedem vergönnt ist: Am Gymnasium am Romäusring etwa gibt’s keine Fußball-Extrawürste.
Auch viele Lokale stecken im WM-Fieber, so auch das Gasthaus Ott in der Villinger Färberstraße. An den bisherigen Spieltagen warf sich die ganze Belegschaft in Deutschland-Trikots und fieberte mit. Am Sonntag kann man sich das Spiel bis 24 Uhr sowohl im Biergarten als auch im Innenbereich anschauen. Bisher war das Haus immer voll, alle Tische an den Spieltagen belegt. Besondere Öffnungszeiten gibt es beim Finale aber nicht. "Es leert sich auch schnell wieder, wenn die Spiele vorbei sind", weiß Gastwirt Domenico Wittkopf aus Erfahrung.