Der Briefumschlag war adressiert an Frank Bonath von der FDP. (Symbolfoto) Foto: dpa

Julia Decke bekommt Hassbotschaft in einem Brief. Politikerin will anderen Frauen Mut machen.

Villingen-Schwenningen - Was ist Ausschlag gebend für den Erfolg bei den Kommunalwahlen? Und wie geht man am besten damit um, wenn ein Kandidat seiner Äußerlichkeiten wegen gemobbt wird? Damit beschäftigt sich die FDP Villingen-Schwenningen zwangsweise, denn Kandidatin Julia Decke ist genau das passiert.

Der Briefumschlag war adressiert an Frank Bonath von der FDP mit dem Hinweis "Z. Hd. Julia Decke" und sah ganz harmlos aus. Der Inhalt aber war es nicht. Darin steckte ein verunstalteter Flyer der FDP mit purer Hetze: Aus Julia Decke wurde eine "Julia Dicke" gemacht, über das Porträt ein "solch eine fette werde ich nicht wählen" gekritzelt und daneben noch die wüste Beschimpfung "fette Sau".

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Marcel Klinge muss noch immer schlucken, wenn er ihn anblickt. "Im ersten Augenblick war ich sprachlos, und das passiert wirklich nicht so schnell", gibt er zu. Was sagen das Aussehen, die Herkunft oder das Geschlecht über die politische Kompetenz einer Gemeinderats-Kandidatin aus? "Gar nichts! Julia Decke macht einen tollen Job und ist super engagiert", stellt Klinge klar. Den bösen Brief einfach wegwerfen und hoffen, dass das ein Einzelfall ist, das kam für ihn aber nicht in die Tüte: "Wir dürfen so etwas nicht stehen lassen, sondern müssen solch primitiven Aussagen laut und deutlich widersprechen!" Nach einigen Gesprächen mit Frauen in seinem Umfeld kristallisierte sich zudem heraus: Genau das ist es, wovor viele Frauen Angst haben und was sie letztlich von einer Kandidatur abhalten kann, die Reduzierung aufs Äußerliche, einem Schönheitsideal nicht zu genügen und deshalb abgestraft zu werden.

Für viele Frauen Thema

Wer ungewollt aus dem Rahmen fällt, scheue schnell das Rampenlicht, die Fotos für den Kandidatenflyer, das Licht der Öffentlichkeit, so das Resümee, das Marcel Klinge nach seinen Gesprächen mit verschiedenen Frauen ziehen konnte. Muss man schlank sein, um Erfolg zu haben? Sind etliche Pfunde zuviel ein Hindernis? In ihrem privaten Umfeld, erzählt die Assistentin der Vertriebsleitung, sei ihr Gewicht kaum ein Thema. Als sie dort von dem feigen Mobbing erzählte, erntete der unbekannte "Täter" nur Empörung.

Sie selbst war "erstmal sprachlos", dann aber auch traurig über solch "einen schlechten Umgang miteinander" und dass man auf Äußerlichkeiten, "die ja einfach da sind und die man ja auch nicht wegdiskutieren kann", reduziert wird. Was wäre denn, wenn sie zu dünn wäre? "Dann hieße es wahrscheinlich, dass ich magersüchtig wäre", spekuliert Julia Decke und schätzt: "Da war wahrscheinlich jemand am Werk, dem es gar nicht so wichtig war, sich politisch mit mir auseinander zu setzen."

Täter gibt sich Mühe

Doch demjenigen war es wichtig genug, dass Julia Decke seine Ablehnung zu spüren bekommt, erfährt, wie er darüber denkt – immerhin machte sich der Fremde die Mühe, seine Hassbotschaft in ein Kuvert zu stecken, dieses zu frankieren und zu ihren Händen an Frank Bonath zu schicken.

Dass Äußerlichkeiten vor allem bei Frauen durchaus ins Gewicht fallen, bekomme frau trotzdem tagtäglich zu spüren, erzählt Julia Decke. "Ein Mann ist stattlich, eine Frau ist fett", bringt es die 35-jährige Gemeinderatskandidatin auf den Punkt. "Bei einem Mann wird viel eher darüber hinweggesehen."

Anderen Angst nehmen

Auch Julia Decke glaubt, dass Übergewicht "durchaus etwas ist, das Leute davon abhält", sich beispielsweise einer solchen Kandidatur zu stellen. Obgleich sie selbst sich dem Thema tough stellt, benötigte sie doch etwas Bedenkzeit, als der Stadtverbandsvorsitzende Marcel Klinge vorschlug, ihren Fall öffentlich zu machen, um wachzurütteln, mit einem Tabu zu brechen und klarzustellen: Äußerlichkeiten sind es nicht, auf die es bei der Kommunalwahl ankommen darf.

Was, wenn der Einzelfall sich zu einer faustdicken Hetzkampagne auswächst? Was, wenn die Diskussion um ihr Gewicht dadurch weite Kreise zieht? "Natürlich macht man sich diese Gedanken", gibt Julia Decke zu, andererseits gibt es da auch die Chance, anderen die Angst zu nehmen, zu zeigen, dass Übergewicht hier keinen Unterschied macht.