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Interview mit Andreas Schwab /Haushalt sollte größer werden / Mehr Mittel für Grenzschutz, Forschung und Entwicklung

Schwarzwald-Baar-Kreis. Der EVP-Europaabgeordnete und CDU-Bezirksvorsitzende Andreas Schwab hat die Europawahl im Mai nächsten Jahres bereits im Blick. Flüchtlingskrise, Brexit und vor allem fehlende Einstimmigkeit in Europa erschweren das Handeln der EU, räumt er ein.

Nach einer aktuellen Umfrage bereitet den Deutschen die aktuelle Flüchtlingssituation große Sorgen. Es gibt Zweifel, dass die Grenzen gegen unkontrollierte Zuwanderung gesichert werden können. Was sagen Sie dazu?

Naja, es gibt inzwischen auch wieder viele andere Themen. Und durch verschiedene Maßnahmen kommt nur noch eine geringe Anzahl an Flüchtlingen an unsere Grenzen, das haben die Menschen hier auch registriert. Die Krise von 2015/2016 ist inzwischen weitgehend bewältigt. Aber natürlich nehmen die Bürger auch sehr sensibel wahr, dass eine trügerische Ruhe eingekehrt ist, weil wir nicht wissen, ob irgendwann die nächste Welle aus Afrika kommen könnte. Es bedarf also endlich einer gemeinsamen Anstrengung Europas, um unsere Außengrenzen zu sichern. Doch die Italiener haben ihre Regeln, die Griechen wiederum andere. Solange das so bleibt, ist die Gefahr groß, dass Flüchtlinge am Ende in Deutschland landen, weil es das größte und in vielerlei Hinsicht das attraktivste Land ist.

Was also wollen Sie tun?

Ich werbe dafür, dass wir schon bei der Einreise sicherstellen, dass jeder, der nach Europa kommt, nach einem einheitlichen europäischem Recht erfasst wird. Im europäischen Haushalt muss deshalb ausreichend Geld zur Verfügung gestellt werden, um sicherzustellen, dass Frontex besser und effektiver arbeiten kann. Das ist nicht einfach, und ich glaube nicht, dass Oettingers Vorschlag ausreicht. Er will die EU-Grenzbeamten bis 2027 auf 10 000 Beamte aufstocken. Das ist aus meiner Sicht zu wenig. Wir als CDU setzen uns dafür ein, die Zahl der Frontexbeamten am besten zu verdreifachen. Es ist immer wieder frustrierend zu sehen, dass die Mitgliedstaaten bei den Fragen der Flüchtlingspolitik zu keiner Einigung kommen. Solange die EU-Länder aber nicht mit einer Stimme sprechen, sind die Probleme nicht lösbar.

Es wurde der Ruf nach schnelleren Abschiebungen von Asylbewerbern laut, die keine Bleibeperspektive haben. Wie sollte es weitergehen?

Wenn jemand erst mal in der EU drin ist und kein Recht hat, zu bleiben, ist es am Ende gar nicht so leicht, ihn nach Abschluss aller Verfahren zurück zu bringen. Der "Verlust" von Ausweispapieren ist ein Problem für den Nachweis des Herkunftslandes. Aber selbst wenn eine Abschiebung gerichtlich vollzogen werden soll und das Herkunftsland den Abzuschiebenden aufnehmen will, bleiben noch immer Hürden, zum Beispiel, weil gesundheitliche Probleme auftreten oder kein Platz in der Linienmaschine zur Verfügung steht. Auch Innenminister Seehofer hat einräumen müssen, dass das "Schließen der Grenze in Bayern" vier oder fünf Flüchtlinge pro Tag effektiv an der Einreise hindern würde. Die meisten haben ein Aufenthaltsrecht in der Schengen-Zone. Aus meiner Sicht bleibt deshalb unsere erste Aufgabe, die Sicherung unserer Grenzen im Hinblick auf mögliche neue Flüchtlinge. Wir können nicht alle Menschen aufnehmen, die nach Europa wollen. Aber wir sollten den Menschen, die Asylgründe nachweisen, mit einheitlichen Regeln Europas gegenübertreten. Damit wäre der Primärmigration wirkungsvoll begegnet. Zur Bewältigung der Sekundärmigration brächten wir weitere Maßnahmen: Zentrale Aufnahmeeinrichtungen in den Erstaufnahmeländern wie Griechenland und Italien, einen europäischen Verteilmechanismus und noch mehr sichere Herkunftsländer. Mit diesen müssen neue Abkommen geschlossen werden, damit sie Flüchtlinge noch aktiver zurücknehmen. Mit Ägypten gibt es beispielsweise die Idee, kostengünstige Unterkünfte zu bauen, Dadurch könnten für diese Länder auch innenpolitisch neue Anreize zur Flüchtlingsrücknahme geschaffen werden. So lange Libyen mangels stabiler Regierung offen bleibt, ist das Tor nach Europa aber nicht geschlossen. Gleichwohl sehen wir ja, dass schon kleine Änderungen der Grenzländer in der Praxis schnell Auswirkungen zeigen: derzeit scheint Spanien wieder stärker als Tor nach Europa zu gelten, weil die italienische Regierung ziemlich streng vorgegangen ist in den letzten Monaten.

Die Bürger haben den Eindruck, außer Deutschland will kein anderes Land Flüchtlinge aufnehmen. Ist das so?

Andere Länder tun schon etwas. Neben Italien zum Beispiel Niederlande und Schweden. Aber es gibt auch Länder, die überhaupt nicht helfen wollen, zum Beispiel Polen. Und hier machen wir deutlich, dass Länder, die nicht helfen wollen dies finanziell zu spüren bekommen und nicht auch noch belohnt werden.

Hat die EU wirklich eine Handhabe?

Das Dilemma ist: Der Haushalt soll größer werden. Polen bekommt viel Geld für Landwirtschaft und Wirtschaftsförderung. Wenn der EU-Haushalt kleiner würde, bliebe weniger Geld für Aufgaben, die uns jetzt besonders wichtig sind: Wir brauchen mehr Mittel für Grenzschutz, Forschung und Entwicklung. Wir Deutschen behalten gleichzeitig ein großes wirtschaftliches Interesse an einem weiteren Zusammenwachsen Europas. Angesichts von Brexit, der Entwicklungen in den USA und in einigen Mitgliedstaaten ist das jedoch alles andere als leicht.

Wie geht es mit dem Brexit weiter?

Die Diskussionslage in Großbritannien ist gespalten, weil vieles nicht umgesetzt werden kann, was von den Vertretern eines vollen Austritts versprochen wurde. Dass das Land die EU institutionell verlässt, steht fest. Die Frage ist nur: Gelingt es, einen Mittelweg zu finden. Zum Beispiel ein Abkommen der EU so ähnlich wie das mit Kanada.

Warum ist Europa so wichtig?

Die großen Probleme, die wir zu lösen haben, sind alle nicht mehr alleine zu lösen. Europa kann aber nur dann glaubwürdig in der Welt auftreten, wenn wir alle mit einer Stimme sprechen. Es gibt in dieser Hinsicht Licht und Schatten in Europa. Ein Lichtblick war zum Beispiel, dass Emmanuel Macron in Frankreich gewählt wurde. Zu den Schattenseiten zählt sicherlich, dass sich einige Staaten in die falsche Richtung entwickeln und demokratische Grundsätze nicht ausreichend respektieren. Die Frage ist, wo Europa hinsteuert.

Und wohin geht es?

Ich hoffe, dass Europa weiter zusammenwachsen kann. Daran zu glauben fällt manchmal auch einem Europaabgeordneten aus Südbaden nicht leicht. Vielleicht kann eine gute Lösung für einen gemeinsamen europäischen Währungsfonds ein neues Leuchtturmprojekt werden!

Damit Länder wie Griechenland davon profitieren?

Es geht um Stabilität. Der Währungsfonds ist eine Einrichtung, die Ländern in Europa helfen soll, Reformen anzupacken und dafür in einem begrenzten Zeitrahmen Hilfe beziehen zu dürfen.

Macht es momentan Spaß, Europaabgeordneter zu sein?

Europaabgeordneter ist aus meiner Sicht die spannendste Aufgabe, die es gibt und nach Europas Zusammenwachsen begleiten zu dürfen, ist nach wie vor sehr wichtig. Es ist sicher so, dass es immer wieder Nerven kostet. Wir wollen zum Beispiel momentan die Außengrenzen besser kontrollieren, aber trotz der Tatsache die entsprechenden Entscheidungen nicht treffen. Es heißt, Politik ist das Bohren dicker Bretter. Und aktuell müssen besonders dicke Bretter gebohrt werden. ■Die Fragen stellte Felicitas Schück