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Testfahrer sind im Drei-Schicht-Betrieb in der Doppelstadt unterwegs. Erprobung neuer Modelle im Dauerlaufkurs.

Villingen-Schwenningen - Sie sind getarnt, führen Tests durch und gehören seit einigen Monaten schon zum festen Bestandteil auf den VS-Straßen: Die Doppelstadt wird von Mercedes-Benz-Erlkönigen genutzt. Doch warum ausgerechnet hier?

Der Wagen, beklebt mit weißer Folie auf der schwarze kurvige Muster abgebildet sind, fällt sofort auf – hinzu kommt, dass markante Abdeckungen an der Karosserie das Fahrzeug unförmig erscheinen lassen. Auch die Rücklichter wirken unpassend und klobig. Kein Wunder: Der Fahrzeughersteller will verhindern, dass zu viele Details einer neuen Baureihe ans Licht kommen. Mit solchen getarnten Prototypen, so genannten Erlkönigen, ist auch Mercedes Benz unterwegs. Und seit einigen Monaten verstärkt auf den Straßen von Villingen-Schwenningen.

Tagtäglich rollen die Erlkönige durch die Doppelstadt und sorgen für Aufsehen. Häufig werden dabei immer wieder die gleichen Routen gewählt, in der Güterbahnhofstraße in Villingen wurden auch schon ganze "Rudel" von Testfahrzeugen des deutschen Autoherstellers gesichtet – hier scheinen sich die Testfahrer in regelmäßigen Abständen zu treffen.

Doch wie kommt es, dass ausgerechnet Villingen-Schwenningen in den Fokus von Mercedes-Benz geraten ist? Der Grund liegt rund 23 Kilometer Luftlinie entfernt. Denn in Immendingen wird derzeit das Prüf- und Technologiezentrum (PZI) des Autoherstellers gebaut. Dort sind im vergangenen Jahr nach Angaben des Unternehmens bereits die ersten Prüfmodule eröffnet worden.

Aber: "Für eine vollständige Durchführung von Stadt-Erprobungen im Zentrum werden neben dem bereits eröffneten ›Stadtquartier‹ die Streckenmodule ›Stadt-Dauerlaufkurs‹ benötigt – diese befindet sich aktuell noch im Bau", berichtet Bernhard Weidemann, Pressesprecher der Daimler AG, auf Anfrage des Schwarzwälder Boten.

Genau für jene Testfahrten werden nun die Straßen in VS genutzt. So fahren bis zur Inbetriebnahme dieses Kurses derzeit laut Weidemann "etwa fünf Fahrzeuge im 3-Schicht-Betrieb anteilig Stadtstrecken" in der Doppelstadt. Dabei handelt es sich nicht nur um die getarnten Erlkönige. "Darunter sind auch bereits vorgestellte Baureihen, die ungetarnt unterwegs sind", erklärt der Pressesprecher. Dazu zählen wohl ebenfalls Elektrofahrzeuge mit Kennzeichen aus dem Landkreis Reutlingen. Insgesamt habe man im Bereich ›Dauererprobung‹ bereits Arbeitsplätze für etwa 50 Testfahrer geschaffen.

Unter Autofahrern wird dabei scherzhaft gemunkelt, ob vielleicht die Vielzahl der Schlaglöcher ein Grund dafür ist, dass man sich die städtischen Straßen für die Testfahrten ausgesucht hat. Aber der Pressesprecher der Daimler AG wiegelt ab: "Die Straßenqualität spielt hierbei keine Rolle." Vielmehr würde Villingen-Schwenningen aufgrund der "realistischen Stadtstrecken mit erhöhtem Verkehrsaufkommen" genutzt werden.

Doch das Ende der Erlkönige auf den Straßen in VS ist offenbar absehbar: Noch im Laufe des Jahres soll das Prüf- und Technologiezentrum fertiggestellt sein. Spätestens dann wird auch das dortige Streckenmodul "Stadt-Dauerlaufkurs" in Betrieb gehen.

Daimler investiert nach eigenen Angaben rund 200 Millionen Euro in das Prüf- und Technologiezentrum Immendingen (PZI) auf dem Kasernengelände. Dort sollen in Zukunft insgesamt 300 Mitarbeiter die vier strategischen Zukunftsfelder Vernetzung, autonomes Fahren, flexible Nutzung und elektrische Antriebe weiterentwickeln. Die Fertigstellung und Inbetriebnahme des Geländes ist für 2018 geplant. Im vergangenen Oktober wurden bereits vier Teststrecken in Betrieb genommen. Dabei handelt es sich um Stadtquartier (Simulation Stadtfahrten), Albdauerlaufkurs (kurvenreichen Steigungs- und Gefällstrecken), 4x4 Modul (unbefestigte Wege für Allrad- und Geländefahrzeuge) und die Bertha-Fläche (Tests kollisionsvermeidender Fahrassistenzsysteme und fahrerloser Fahrzeuge).