Neue Serie: Beate Riesterer und Martin Maier fühlen sich beruflich und privat mit dieser Schwenninger Institution verbunden

Je kälter es wird, desto willkommener sind wärmende Gedanken. Erinnerungen an sonnige Tage im Schwenninger Freibad etwa. Der Abriss von Resten dieser einstigen Institution hat Ende Oktober begonnen. Was bleibt, sind die Erinnerungen daran.

VS-Schwenningen. Für Beate Riesterer gilt dasselbe wie fürs alte Schwenninger Freibad: Sie ist eine Institution. Egal, wann man ins Neckarbad kommt – Beate Riesterer ist da. Im kommenden Februar feiert sie ihr 40. Jubiläum als Schwimmmeisterin, viele Jahre davon hat sie am Beckenrand im ehemaligen Freibad verbracht. Ihre Erinnerungen daran reichen aber noch viel weiter zurück. "Da hat meine Mutter schon schwimmen gelernt", erzählt die Fachangestellte für Bäderbetriebe, wie es richtig heißt.

Sie selbst hat ihre Kindheit und Jugend dort erlebt. Am 1. Mai sei zumeist Saisoneröffnung gewesen. Mit Freunden oder der Familie und einer warmen Decke sei es dann ins Freibad gegangen. "Wir haben uns eingekuschelt", erzählt sie, "und wenn wir lustig waren, sind wir ins Wasser." Als Krönung gab’s noch ein Eis für 50 Pfennig obendrauf.

Schon als Sieben- oder Achtjährige habe sie sich engagiert und den Schwimmmeistern beispielsweise dabei geholfen, Badekappen auszugeben. Die waren damals noch Pflicht. Und: "Ich war immer in der DLRG", erzählt Beate Riesterer. Weil die Wasserretter immer am Wochenende im Freibad Dienst taten, stand sie schon früh als Aufsicht am Beckenrand. Am 12. Februar 1979 machte die Schwenningerin ihr Hobby schließlich zum Beruf: Sie fing als Schwimmmeisterin an, damals noch in Villingen.

Ihr erster Chef war Martin Maier. Der ist inzwischen "über 95", wie er erzählt, erinnert sich aber noch bestens an die junge Beate Riesterer. "Ich hab sie eingestellt. Da war sie noch ledig." Maier kommt mit einem Stock und seiner Pflegerin zum Gespräch ins Neckarbad. Seine Augen sind nicht mehr die besten, wenn er etwas genau anschauen möchte, dann nimmt er eine Lupe. Sein Verstand allerdings ist hellwach – und seine Erinnerungen ans Freibad und dessen Personal quicklebendig.

Ab 1952 war Martin Maier beim Tiefbauamt und dort für die Bäder zuständig. Er behielt die Verantwortung für sie bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1989. Auch, als sich die Strukturen veränderten: ab 1960 als Leiter der Stadtwerke Schwenningen und später bei den SVS.

1952, sagt er, sei das Freibad noch nicht so in Form gewesen. Das Wasser kam aus einer Quelle und hatte einen ziemlich hohen Härtegrad. "Ich hab dann umgestellt auf Frischwasser", erzählt er. Zudem sei es mit Koks beheizt worden, der wiederum in Eisenbahnwaggons geliefert wurde. Anderthalb Tage lang habe es gedauert, bis die Bademeister den Koks in den Keller geschaufelt hätten. Die Wassertemperatur lag dank der Heizung bei 20 bis 22 Grad Celsius.

Auch er war schon als Kind im Freibad. "Als Schulerbub hab ich das Schwimmen hier gelernt." Das war 1934/35. "Da war das Wasser noch saukalt. Die Heizerei hat nicht immer funktioniert." Immerhin gab es warme Duschen, das sei ein Novum gewesen.

Schon damals machte er Bekanntschaft mit dem Freibad-Chef Lauffer aus Mühlhausen. Bei Schülern, die mit ihrer Klasse zum Schwimmen kamen, kontrollierte Lauffer nach dem Duschen, ob sie auch sauber genug sind. War der Schwimmmeister nicht zufrieden, habe er den Kindern eine mit einem Gummiriemen gegeben. Als Martin Maier es dann beruflich mit dem Herrn zu tun hatte, erklärte er voller Genugtuung: "Herr Lauffer, das hört sofort auf!"

An solche "Duschkontrollen" erinnert sich auch Beate Riesterer noch. Genauso wie an die Tatsache, dass der Freibad-Chef früher eine Wohnung auf dem Gelände hatte. Und dessen Frau betrieb den Kiosk.

Riesterer denkt auch noch an eine Glocke, die immer um 18 Uhr geläutet wurde: Kinder, die ohne Eltern da waren, mussten dann das Becken verlassen.

Maier und Riesterer haben auch noch die Stammtische im Kopf, etwa von Kriegsversehrten, die sich immer im Bad trafen. Oder Gruppen, die zusammen Fußball spielten. Außerdem haben sie die nächtlichen Besucher nicht vergessen. "Die waren ständig da", erzählt der frühere Bäder-Chef. Ende der 80er-Jahre schmissen Unbekannte nachts einen großen Müllcontainer ins Becken. In der Folge war das Freibad wochenlang zu.

Wenn die Schwimmmeisterin und ihr einstiger Vorgesetzter ins Erzählen kommen, dann sprudeln die Erinnerungen ans Freibad nur so aus ihnen heraus. An Lehrer, die ihre Schüler – obwohl sie nicht schwimmen konnten – einfach vom Sprungbrett stießen, ans Wettschwimmen zwischen Behördenleitern oder den Saisonbeginn, vor dem die Mitarbeiter jedes Jahr das Becken blau strichen.

Beate Riesterer erinnert sich auch noch genau an ihre letzte Saison. Selbst an warmen Sonnentagen sei das neue Neckarbad voll gewesen, das Außenbecken aber leer geblieben. Das war im Sommer 2004. Nachher sollten sich die Tore nicht mehr öffnen. Das Freibad war sanierungsbedürftig, das Becken senkte sich ab. Die Sanierung, damals war die Rede von 1,8 Millionen Euro, war der Stadt zu teuer. "Für mich war’s schlimm", erinnert sich die 59-Jährige. Wie eine Beerdigung von Mutter oder Vater. Als Lastwagen Schotter und Sand in das einstige Becken kippten, 180 Ladungen, da musste Beate Riesterer weinen. Aus dem Becken wurden Beachvolleyball-Felder, und eine Ära ging zu Ende.

Bis heute gebe es Menschen, die dem Freibad hinterhertrauern, sagt die Schwimmmeisterin. Bei manchen versteht sie das gut. Andere würde sie am liebsten fragen: Wo wart ihr, als es noch geöffnet hatte? Dass nun mit dem Abriss von weiteren Gebäudeteilen immer mehr vom Freibad verschwindet, das schmerzt Beate Riesterer nicht mehr. Die Erinnerungen bleiben ohnehin lebendig.