Mechthild und Michael Ruck öffnen am Samstag letztmalig das Schuhhaus Kammerer unter ihrer Führung. Nach fast 75 Jahren endet für die Familie eine Ära. Nun wird das Traditionshaus von Falk Wöhrle aus Singen übernommen. Foto: Eich Foto: Schwarzwälder Bote

Innenstadt: Familie Ruck übergibt das Schuhhaus Kammerer nach fast 75 Jahren in neue Hände

Nach fast 75 Jahren endet eine Ära in der Rietstraße: Das Schuhhaus Kammerer wird in neue Hände übergeben. Wehmut schwingt bei den Inhabern jedoch keine mit – denn für die Nachfolge habe man eine Ideallösung gefunden.

VS-Villingen. Der Schlussverkauf ist fast beendet, die letzten Tage in ihrem Schuhhaus sind gezählt – doch für Geschäftsführer Michael Ruck und Ehefrau Mechthild kein Grund, wehmütig zu sein. "Wir können die ganze Sache beruhigt loslassen", erzählt der 67-Jährige zufrieden. Denn obwohl für die Familie am Samstag eine Ära zu Ende geht, wird das Traditionsschuhhaus Kammerer weiter Bestand haben – auch nach fast 75 Jahren.

Dafür sorgt Falk Wöhrle, Inhaber des gleichnamigen Schuhhauses in Singen. Denn der 38-Jährige wird das Geschäft übernehmen und im gleichen Stil weiterführen. Wie kam es dazu? Die beiden Geschäftsführer kannten sich aus Singen, hier hatte Ruck in der Vergangenheit ebenfalls einen Laden. "Als ich gehört habe, dass er aufhören möchte, habe ich mit ihm gesprochen", so Wöhrle.

Übernahme trotz Corona

Die Basis war schnell gefunden: Denn das Konzept, gute Markenware und umfangreiche Beratung anzubieten, sind gleich. Wöhrle: "Unsere Zielrichtung ist sehr ähnlich." Zudem handelt es sich bei dem Schuhhaus Wöhrle ebenfalls um ein alteingesessenes Geschäft, welches seit 1929 in vierter Generation geführt wird.

Zwar habe die Coronakrise und die damit verbundene Zwangsschließung dafür gesorgt, dass die Pläne kurzzeitig auf Eis gelegt wurden – doch trotz der "herausfordernden Situation", wie es der 38-Jährige angesichts der derzeitigen Lage nennt, habe man an der Übernahme festgehalten. Das habe insbesondere an Michael Ruck gelegen, wie Wöhrle betont: "Er hat uns die Türe geöffnet." Heutzutage sei es schwierig, einen Nachfolger für inhabergeführte Läden zu finden. Dass dies in diesem Fall geklappt hat, ist aber für alle Seiten ganz offensichtlich eine Win-Win-Situation.

"Wir sind froh, dass es mit dem Schuhgeschäft weiter geht, das war ein Glücksfall", so Michael Ruck. Er freut sich gemeinsam mit seiner Ehefrau, dass auch die Mitarbeiter, die zum größten Teil bereits jahrzehntelang mit dabei sind, übernommen werden und so weiterhin den Kunden zur Verfügung stehen. Als bekannt wurde, dass die Rucks aufhören, hätten sie diese auch gleich beruhigen können, "dass es hier im gleichen Stil weiter geht".

Schuhhaus 1946 gegründet

Begonnen hatte diese Erfolgsgeschichte schon im Jahr 1924, als Bernhard Kammerer, Großvater von Mechthild Ruck, das Haus in der Rietstraße kaufte und eine Schuhmacherei gründete.

Nach den Kriegsjahren ließ sein Sohn August die Schuhmachherei als Schuhhaus Kammerer ab 1946 wieder aufleben. Nach und nach verlagerte sich der Fokus dann langsam auf den Schuhverkauf. "Bis zu den sechsziger Jahren hatten wir oben im Haus aber noch zwei Schuhmacher sitzen, unten wurden die Schuhe angeboten", erinnert sich Mechthild Ruck zurück. Ende der Sechziger konzentrierte sich die Familie dann ganz auf den Verkauf der Schuhe, bei dem auch ihre Mutter Elisabeth Kammerer bis zum hohen Alter mithalf.

1982 übernahm schließlich ihr Ehemann Michael Ruck federführend erfolgreich die Geschicke – bis heute. "Wir haben uns vergangenes Jahr dazu entschlossen, 2020 aufzuhören – ich glaube, das haben wir uns jetzt verdient", so Michael Ruck. Seine 66-jährige Ehefrau stimmt ihm zu und ergänzt mit einem Lächeln: "Wir freuen uns jetzt auf mehr Freizeit und dass wir mal samstags gemeinsam ins Städtle gehen können."

Nachdem die Rucks den Laden am Samstag letztmals unter ihrer Führung geöffnet haben werden, wird Wöhrle nach einer Übergangswoche am 15. September wiedereröffnen – unter gleichem Namen.

"Die Lage ist toll"

Dass an diese fast 75-jährige Erfolgsgeschichte angeknüpft werden kann, davon ist der 38-Jährige auch in Hinblick auf die Rahmenbedingungen überzeugt. "Die Lage ist toll, und die Straße ist nach der Sanierung wirklich schön geworden", sagt Wöhrle. Er ist sich deshalb sicher, dass das Traditionsgeschäft als eines der letzten klassischen Schuhhäuser in Villingen noch viele Jahre Teil der Rietstraße sein wird.