Auch in der Gastronomie hat die Pandemie viele Betriebe kalt erwischt. Foto: vichie81 – stock.adobe.com_357660611

Pandemie und die Folgen: Umdenken in Unternehmen und Handel. "Viele stehen mit dem Rücken an der Wand."

Villingen-Schwenningen - Ob Handel, Industrie oder Gastronomie: Die Coronakrise hat viele Betriebe eiskalt erwischt. Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Umsatzeinbußen und drohende Insolvenzen sind teils so gegenwärtig wie die Angst vor einer Ansteckung.

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Könnte Covid-19 auch anderes befeuert haben, wie den Gedanken: "Muss ich vielleicht etwas ändern?"

Seit dem Auftreten des Corona-Virus in Deutschland, den ersten Infektionen und dem Lockdown Mitte März hat der Alltag vieler Menschen ein anderes Gesicht. Sicherheitsabstand, Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind mittlerweile so selbstverständlich wie Geldbeutel und Haustürschlüssel in der Tasche. "Wir leben in außergewöhnlichen Zeiten." Wir, das sind für Christian Beck, Pressesprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg, und Matthias Schanz, politischer Referent bei der IHK, viele Mitgliedsbetriebe, die mit den Auswirkungen der Coronakrise stark zu kämpfen haben.

Die schwächelnde Konjunktur im Vorjahr und die Beschleunigung des Strukturwandels in einzelnen Branchen durch die Krise haben viele Betriebe doppelt getroffen: die Krise als eine Art Brandbeschleuniger. "Im Zuge unserer Krisenberatung hatten wir es mit vielen Einzelschicksalen zu tun, die ans Herz gehen", so IHK-Sprecher Beck. "Viele stehen mit dem Rücken an der Wand." Hilfsprogramme seien ein wichtiger Beitrag zur schnellen Hilfe gewesen. Trotz der Finanzspritzen, die für viele Betriebe nur eine erste, aber existenzsichernde Hilfestellung waren, müsse man gegen Jahresende mit einer steigenden Zahl an Insolvenzen rechnen, so Beck.

Doch Schanz und Beck sehen auch anderes. Die Krise als Chance, diese Aussage ist ihnen zwar zu plakativ. Diese Ausnahme-Zeit habe aber sicherlich das Nachdenken über die Zukunft angestoßen. Die Umstellung auf Automatisierungsprozesse oder die Neustrukturierung der plötzlich so unsicher gewordenen Lieferketten würden nun diskutiert. Da verschiedene Produkte nicht hergestellt werden konnten, weil Komponenten, die in Fernost produziert wurden, ganz einfach fehlten, rücke eine Regionalisierung und Diversifizierung der Lieferketten immer stärker in den Fokus. Zusätzlich werde über neue Arbeitsformen und digitalisierte Geschäftsmodelle nachgedacht.

Saftige Umsatzeinbrüche

Umsatzeinbrüche um die 60 Prozent und Kurzarbeit, das ist auch für Lars Emmerich, Geschäftsführer von Eisenmann Spritzguss (190 Mitarbeiter), und Martin Oertel, Generalbevollmächtigter von Güntert Präzisionstechnik (230 Mitarbeiter), beide in Villingen, bittere Realität. Die viel diskutierte regionalere Ausrichtung der Lieferketten, so der Tenor, sei zum Beispiel im Automotive-Bereich nicht einfach umsetzbar. "Das ist ein globaler Markt", so Oertel.

Um gerade Mittelstandsfirmen den Weg aus der Krise zu erleichtern, setzen Unternehmer wie Emmerich auf Signale aus der Politik, auf weniger Bürokratie und erleichterte Genehmigungsverfahren für Neubauten etwa. Für Oertel liegt ein Schlüssel zur erfolgreichen Reaktion auf Krisenzeiten auch in der Steuerung. Um künftige Turbulenzen durchzustehen, möchte das Unternehmen in Zukunft Kapazitätsspitzen durch Ferienjobber und Aushilfen auffangen. Parallel zum Stammpersonal, "mit dem wir super durch die Krise gekommen sind". Auch für Emmerich und Oertel wäre ein zweiter Lockdown eine Horrorvorstellung, denn "jetzt geht es wieder aufwärts".

Online fürs "Städtle"

Mit Blick auf den örtlichen schwer gebeutelten Handel kommt von den beiden IHK-Experten Beck und Schanz ein klares Credo: Wer den Einzelhandel und damit die Lebendigkeit der Innenstädte erhalten wolle, der sollte "nicht alles im Internet kaufen und sich dann über leere Fußgängerzonen beklagen".

Für den langjährigen Geschäftsmann aus VS, Stefan Kleyling (Uhren Grießhaber), gehen die Gedanken in zwei Richtungen. Zum einen befürchtet auch er, dass manche Händler die Krise nicht überleben. "Einigen ging es ja schon zuvor nicht gut." Andererseits sehen er und andere Kollegen aus der Stadt die Zeit dafür gekommen, das eigene Geschäftsmodell zu überdenken. "Es war ein Einschnitt, der uns alle aufhorchen lassen muss."

Kleyling hat bereits Konsequenzen gezogen und öffnet sich dem regionalen Online-Geschäft. "Wir gehen jetzt mit unserem gesamten Sortiment online bis zum Jahresende." Die Kunden suchen zuhause aus, erläutert er das Konzept, reservieren und kommen dann in den Laden, um Ring oder Kette nach Wahl zu kaufen. Trotz online-regional-Konzept möchte Kleyling auch künftig den Kunden signalisieren: "Uns gibt es auch weiterhin in der Stadt."

Für seinen GVO-Kollegen, den langjährigen Geschäftsmann Reiner Böck, gibt es nur einen Weg aus der Krise und einen Appell an die Kunden: "Geht ins Städtle zum Einkaufen", um ein Ausbluten der Innenstädte zu vermeiden. Die mögliche Alternative regionaler Online-Handel sieht er eher kritisch, da nur wenige Händler die Weichen auf E-Commerce stellen können. Die Kosten seien zu hoch, Lagerräume seien zu schaffen und zudem "ist der Onlinehandel eine Wissenschaft für sich, das ist sicher nicht unser Job".