Dekan Wolfgang Rüter-Ebel, Anita Neidhardt-März, Jürgen Stach und Dekan Josef Fischer (von links) diskutierten über die Situation von Flüchtlingen. Foto: Heinig Foto: Schwarzwälder-Bote

Aktionswoche: Freie Wohlfahrtsverbände und Kirchen fordern Recht auf Familienzusammenführung

Der 10. Dezember ist der "Tag der Menschenrechte". Die vorangehende und von der Liga der Freien Wohlfahrtsverbände Baden-Württemberg ausgerufene Aktionswoche "Recht auf Familie – Integration braucht Familienzusammenführung" war Thema eines Pressegespräches.

VS-Villingen. Mit dem Ziel, auf die andauernde humanitäre Notlage vieler geflüchteter Familien aufmerksam zu machen, hatte die Vorsitzende der örtlichen Liga und Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes, Anita Neidhardt-März, die beiden Dekane Wolfgang Rüter-Ebel und Josef Fischer sowie den Sozialdezernenten des Schwarzwald-Baar-Kreises, Jürgen Stach, an einen Tisch geholt.

Ein Dorn im Auge ist den Freien Wohlfahrtsverbänden und auch den Kirchen besonders der ein Jahr gültige subsidiäre (behelfsmäßige) Schutz für zurzeit bundesweit etwa 110 000 Menschen, der eine Familienzusammenführung zwei Jahre lang ausschließt. Subsidiären Schutz genießt, wer in seinem Heimatland von Folter und Gefahren für Leib und Leben in einer Kriegs- oder Bürgerkriegssituation bedroht ist, nicht aber individuell verfolgt wird und damit nicht den von der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Status hat, der zur Asylberechtigung führt.

Für Anita Neidhardt-März ein Unding, nicht nur für die betroffenen Menschen, "die für Integration nicht frei im Kopf sind", sondern auch für deren Familienangehörige, die in ihrer Heimat festsitzen und sich in ihrer Not oft skrupellosen Schleppern anvertrauen. "Es wird noch mehr Tote geben", befürchtet Neidhardt-März.

Den subsidiären Schutz empfindet auch Dekan Fischer als eine schlechte Zwischenlösung, die in seinen Augen wieder abgeschafft gehört. "Entweder anerkannt oder noch Antragsteller", nur damit sei den Menschen gedient, forderte er. Eine bessere personelle Ausstattung der bearbeitenden Ämter, um die Verfahren zu beschleunigen, sieht Fischer als geboten. Nicht allein Praktikabilität, sondern das Ziel, den Menschen zu helfen, müsse im Vordergrund stehen. Aus dem Blickwinkel des Einzelfalles gab Jürgen Stach seinen Vorrednern Recht, lenkte den Blick aber auf das große Ganze und bislang ungelöste Fragen wie Kranken- und Pflegeversicherungen sowie die Rentenversorgung.

"Wie viele Flüchtlinge können wir uns noch leisten?" fragte er vor dem Hintergrund der Stimmungslage in der Bevölkerung. Dem widersprach Fischer. Die Aufgabe der Politik sei es, sich nicht von angeblichen Stimmungen leiten zu lassen, sondern die Bevölkerung substanziell zu informieren. Skrurril finde er, dass "dort, wo die Zahl der Flüchtlinge am geringsten ist, die Ängste am größten sind". Im Schwarzwald-Baar-Kreis seien sie nach seiner Beobachtung "kontrollierbar". Für Neidhardt-März geht es auch darum, Armut und Kriege in den Herkunftsländern verhindern zu helfen und nicht – etwa durch Waffenlieferungen aus Deutschland – noch zu befeuern. Investitionen in die Migranten und Flüchtlinge lohnen sich, denn: "wir brauchen sie". Der soziale Wohnungsbau sei endlich in aller Munde und das nütze auch der hiesigen Bevölkerung, lautet ihre Überzeugung. Gleichwohl warnte Stach vor finanziellen Problemen, die er auf die Kommunen zukommen sieht, wenn die "enormen, aber befristeten Beiträge" des Bundes zu den Soziallasten auslaufen.

"Großen Handlungsbedarf" sieht Wolfgang Rüter-Ebel deshalb für die Bundespolitik. Sie sei aufgefordert, die Wege der Flüchtlinge zu organisieren, denn es könne nicht angehen, dass die Kommunen Versäumnisse ausbaden müssen.