Foto: © wetzkaz – stock.adobe.com Foto: Schwarzwälder Bote

Stimmung:

Diese Woche hat sich das Europäische Parlament zur Sitzungswoche in Straßburg zusammengefunden. Eine Woche, die geprägt war vom Besuch Angela Merkels und den Brexit-Entwicklungen. Auch Andreas Schwab, der den Wahlkreis Südbaden vertritt, hatte einiges zu tun.

Schwarzwald-Baar-Kreis. Es ist Dienstagabend, etwa halb 8 Uhr in Straßburg. Andreas Schwab erhebt sich aus seinem Sitz im Plenarsaal des Europaparlaments. Obwohl er einen Tag voller Termine in den Knochen hat, ist für ihn nicht Feierabend. Im Gegenteil. Schwab, der auch den Schwarzwald-Baar-Kreis vertritt, stellt dem Plenum ein Thema vor. Der Berichterstatter lässt eine Hand locker in der Hosentasche, blickt auf seine Notizen und beginnt.

Der Bericht steht unter dem sperrigen Titel "Stärkung der Wettbewerbsbehörden zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts" auf der Tagesordnung. Trocken, zumindest für die Ohren von Otto Normalverbraucher. Um solche Themen kümmert sich Schwab recht oft. Denn er ist nicht nur EU-Abgeordneter, sondern auch Mitglied im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz sowie binnenmarktpolitischer Sprecher der Europäischen Volkspartei EVP, zu der auch die beiden deutschen Unionsparteien gehören.

Diese, erklärt er augenzwinkernd im Gespräch mit unserer Zeitung, seien sich ja in der Regel über die meisten Themen einig. Im Laufschritt geht es die Gänge des Parlaments entlang, während Schwab weiter erklärt. "Das sieht zwischen EVP-Parteien anderer Staaten anders aus." Wir seien gerade auf dem Weg zu einem so genannten Positionierungstreffen. Dabei wird besprochen, inwiefern zu einem Thema innerhalb der Fraktion Einigkeit besteht und welche Position dazu bezogen werden sollte. Das Treffen moderiert Schwab.

Während seines Vortrages im Plenarsaal einige Stunden später ist kaum ein Abgeordneter anwesend, fast alle der 751 Sitze sind leer. Ein Bild, wie man es von Aufzeichnungen aus dem Bundestag kennt. "Das ist normal. Die wenigen Anwesenden sind die Experten zu diesem Thema aus den Fraktionen", erklärt ein Mitarbeiter Schwabs. Später werden diese intern von der Thematik berichten und den anderen Abgeordneten empfehlen, für oder gegen das Anliegen zu stimmen. Nur zu diesen Abstimmungen über bereits vorgestellte Themen ist das Parlament für gewöhnlich voll besetzt. Tags darauf wurde über Schwabs Wettbewerbs-Thema abgestimmt: Mit deutlicher Mehrheit gab es ein Ja.

Abseits der Abstimmungen ist der Plenarsaal selten gefüllt. Eine Ausnahme ist ebenfalls am Dienstag der Besuch Angela Merkels, die im Zuge einer Vortragsreihe über die Zukunft Europas spricht. Den Auftritt der Kanzlerin hätte Schwab fast verpasst – wegen eines Meetings mit der aus den USA angereisten Youtube-Chefin Susan Wojcicki. Trotz der knappen Zeit hört Schwab geduldig zu, während er eine Portion Kaffeezucker zwischen seinen Fingern kreisen lässt. Vereinzelt lehnt er sich vor, stellt eine Frage oder erklärt der Managerin seinen Standpunkt. Dann geht es weiter.

Überhaupt scheint Schwab ein beliebter Gesprächspartner zu sein: So stehen regelmäßig Interviews, etwa mit TV-Sendern, auf dem Tagesprogramm. Dieses umfasst während der Straßburger Sitzungswochen aufgrund der geografischen Nähe auch einige Vor-Ort-Termine und Besuche von Gruppen aus seinem Wahlkreis. Einen Teil seiner Heimat hat sich Andreas Schwab trotz der vielen Besuche mit ins Elsass genommen: So hängt gegenüber seiner Bürotüre eine Landkarte – abgebildet ist der Schwarzwald.

Schwarzwald-Baar-Kreis (fab). Natürlich ist sie in Straßburg bereits allgegenwärtig, die am 26. Mai 2019 anstehende Europawahl. So liegen überall Infomappen aus und kürzlich haben einige Parteien wie die EVP, die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten), ihren Spitzenkandidaten bestimmt.

Dennoch liegt der Fokus im Alltag noch auf anderen Fragen: Wie weit können Themen wie zum Beispiel der mehrjährige Finanzrahmen im EU-Haushalt in dieser Legislaturperiode noch vorangebracht werden? Wie kann sich Europa der sich ständig verändernden Welt anpassen? Und vor allem: Wie werden sich der Brexit und Europa nach einem Brexit entwickeln?

So sagt auch Andreas Schwab (CDU, EVP) bezüglich der Wahl: "Man merkt, dass konzentriert gearbeitet wird und es ist vielleicht bereits die eine oder andere klare Positionierung zu beobachten." Aber ein Wahlkampf habe noch nicht angefangen. "Jetzt gerade muss noch das Personelle geklärt werden, bevor es an die Inhalte geht."

Die Bürger beim Urnengang zu einer Wahl pro Europa zu motivieren, beschreibt Schwab als schwierig. Der Kern darin liege, die Stärken eines gemeinsamen Europas aufzuzeigen. "Dass die EU einen Nutzen hat, ist ein Stück weit eine Debatte, die keine ist. Die Menschen leben hier gut – wegen der Demokratie, wegen Europa", sagt er. Da dürfe man niemandem ein Sträuben gegen Veränderungen persönlich übel nehmen. "Es wird aber auch nicht so bleiben, wenn alle die Füße hoch legen", mahnt er an.

Dass die Europawahl in Baden-Württemberg mit den Kommunalwahlen zusammenliegt, habe nichts mit einem vermeintlich größeren Interesse der Bürger in die Kommunalpolitik zu tun. "Man sagt zwar, dass im ländlichen Raum die Kommunal- den Europawahlen helfen. Man sagt aber auch, dass das in den Städten umgekehrt sei", erklärt der Abgeordnete.

Auch Ska Keller, eine der Spitzenkandidaten der Grünen, sieht die Europapolitik lokaler als viele vermuten: "Wenn ich auf die Webseite meines Landkreises schaue, habe ich keine Ahnung, was der Kreistag so entscheidet. Die Tagesordnungen beim Europaparlament sind einsehbar, die Arbeit transparent." Bei der EU-Politik , betont sie, gibt es keine Regierung und Opposition, sondern wechselnde Mehrheiten. "Die kleinen Fraktionen können so viel mehr erreichen", sagt Keller. Auch sie gibt ein Beispiel: Die Richtlinien für saubere Badeseen wurden hier auf europäischer Ebene entschieden."

Schwarzwald-Baar-Kreis (fab). "Europapolitik ist nicht transparent. Das sind Menschen, die sich in Brüssel treffen, um dann doch nichts zu entscheiden. Europapolitik bringt dem ›kleinen Bürger‹ nichts." Es sind Meinungen wie diese, die immer häufiger zu hören sind – auch vor dem Hintergrund des auf dem ganzen Kontinent zu beobachtenden Rechtsrucks. Nun unternimmt die EU einen Versuch, näher an die Bürger heranzurücken.

"Auch ich werde oft gefragt: ›Was habt ihr zuletzt eigentlich gemacht?‹", bringt der Parlamentsvorsitzende Antonio Tajani das Problem auf den Punkt. Dieses haben die Verantwortlichen scheinbar erkannt und einen Versuch gestartet, den Nutzen Europas für den einzelnen EU-Bürger darzustellen. In diesem Zuge stellten Tajani und der Direktor seines Wissenschaftlichen Dienstes, Etienne Bassot, die Internetseite www-what-europe-does-for-me.eu vor.

Wer nun also wissen möchte, welche Projekte es im Schwarzwald-Baar-Kreis ohne EU wohl nicht gebe, klickt auf den Bereich "In meiner Region". Über die Ebenen Deutschland, Baden-Württemberg und Regierungspräsidium Freiburg hindurch gelangt der Nutzer zur Kreisebene. Auf dieser stehen etwa Infos zum Netz der Naturschutzgebiete "Natura 2000", zu dem die drei Vogelschutzgebiete des Kreises gehören.

Mehr auf das Individuum zugeschnitten ist die Suche über den Bereich "In meinem Leben", wobei die Infos nach Interessen wie Berufen, Familie, Sport oder Gesundheit gegliedert sind. Bus- oder Lastwagenfahrer etwa werden hierbei auf EU-Bestimmungen von Ruhezeiten oder Pausen hingewiesen. Auch der deutsche Abgeordnete und Vorsitzende der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, Udo Bullmann, verwendet im Gespräch mit unserer Zeitung dieses Beispiel. "Wenn ich von Besuchergruppen gefragt werde, was Europa für sie leistet, erwähne ich den ausgeruhten Busfahrer, der sie später wieder sicher nach Hause fahren wird, weil ihm dank der EU-Regeln kein übermüdeter Trucker auf der gleichen Spur entgegenkommt."

Der dritte Bereich "Im Fokus" stellt eine eher klassische, detaillierte Suche dar. An dieser Stelle werden dem Bürger aktuelle Briefings anhand von ausgewählten Politikbereichen beleuchtet. "Es handelt sich um keine vollständige Datenbank, eher eine Sammlung konkreter Beispiele", betont Bassot. Doch gerade solche Beispiele spiegelten die Vielfalt des Schaffens der EU wider.

Das Thema, das Andreas Schwab im Plenum vorstellte, betrifft die Befugnisse der Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten – in Deutschland das Bundeskartellamt. Diese hatten verschiedene Möglichkeiten, etwa bei Sanktionierungen oder Beweiserhebungsverfahren sowie unterschiedliche finanzielle Ressourcen. Darüber hinaus war nicht klar geregelt, wie Firmen vorgehen können, die zwar einbezogen waren in wettbewerbsschädigende Absprachen (so genannte Kartelle), diese aber offen legen wollten (Kronzeugen). Dies sorgte dafür, dass in den Staaten unterschiedliche Bedingen zur Überwachung solcher Kartelle herrschten. Das wirkt sich auf den (EU-weiten) Wettbewerb aus und führt zu höheren Preisen, die die Endverbraucher zahlen müssen. Das von Schwab vorgestellte Maßnahmenpaket umfasst eine Stärkung und eine Vereinheitlichung der Instrumente, die die Behörden zur Hand haben. Verabschiedet wurde das Thema nun als Richtlinie. Das bedeutet, dass die EU-Länder verpflichtet sind, ihre nationalen Gesetze dementsprechend anzupassen.