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Porträt / Wolfgang E. Mallach setzt sich vielfach für Mitmenschen ein / Geiseldrama von Gladbeck hautnah miterlebt

Wolfgang E. Mallach sitzt seit 2006 im Rollstuhl. Er leidet unter Multipler Sklerose. Gerade hat der 60-Jährige seine Dienstzeit als Hauptkommissar an der Polizeihochschule über den regulären Renteneintritt hinaus um ein Jahr verlängert.

Villingen-Schwenningen. "Ich bin jemand, der immer etwas tun will", sagt er. Wolfgang E. Mallach trug den schwarzen Judogürtel des fünften Dan, war Marathonläufer und hat 20 Jahre praktische Polizeiarbeit geleistet, davon vier Jahre bei der Kriminalpolizei. Geträumt hat er in dieser Zeit aber immer von Lehre und Forschung. Seit er seine erste Verhaftung 1976 nach einer Verfolgungsjagd nur durch Glück überlebte, wollte er dazu beitragen, Polizisten optimal ausgerüstet in einen Einsatz zu schicken. Ab 1994 erhielt er mit seiner Berufung an die Polizeihochschule in Schwenningen die Gelegenheit zu Lehre und Materialforschung. Die aktuelle Polizeipistole ist seine Entwicklung, ebenso wie die gesamte Ausrüstung der Beamten für den Alltagsdienst.

Wolfgang E. Mallach ist auch außerhalb der Polizeihochschule ein umtriebiger Mensch. Er setzt sich intensiv für die Belange von Menschen mit Behinderung ein. Er vertritt sie an der Hochschule und als Beisitzer im Landesvorstand der Deutschen Polizeigewerkschaft, er ist Sprecher der Selbsthilfegruppe "Inklusion VS", Mitglied des VdK und des Landesverbandes der Selbsthilfe für Körperbehinderte.

Er hat beim SMART-Projekt ("Starke Menschen achten auf richtige Teilhabe") der Caritas Schwarzwald-Baar mitgemacht und wünscht sich, dass die 2009 von den Vereinten Nationen verabschiedete Behindertenrechtskonvention endlich als "normales Recht aller Menschen" anerkannt wird. Deshalb wirkt er derzeit mit am Aufbau eines landesweiten Netzwerkes "Inklusion".

Er will nach Kanada reisen

Nachdem seine Diagnose feststand, er immer häufiger stürzte und schließlich auf den Rollstuhl angewiesen war, habe es Menschen gegeben, die ihm ein Ende seiner Berufstätigkeit nahelegten, erzählt Mallach. Davon wollte er aber nichts wissen und bewies, dass er trotzdem erfolgreich arbeiten konnte. Seither sind "die Stimmen leiser geworden". Er baute für die behinderten Menschen der großen Polizeihochschule eine Gesamtvertretung auf, betreut Studenten und ist Auslandsbeauftragter für den Austausch der Hochschule mit einer Trainingsakademie in Kanada. Die wieder zu besuchen, steht selbstverständlich auf seiner To-do-Liste. Als Rollifahrer nach Kanada zu fliegen, "ist vergleichsweise einfacher, als sich in der Stadt zu bewegen", weiß er. Barrierefreiheit sei noch immer keine Selbstverständlichkeit.

In Berlin reisen

Wolfgang E. Mallach wurde in Berlin geboren und kam als Siebenjähriger mit seiner Familie nach Tübingen. Da die Mutter früh starb, kam er 1969 nach Maria Tann, damals das Internat der Schwarzwaldschule Triberg. Zurück in Tübingen nahm er die Polizeiausbildung auf. Judo gehörte dazu, und Wolfgang E. Mallach brachte es bis zum Angebot, in der Bundesliga zu kämpfen. Er entschied sich aber dagegen und für den Beruf, schließlich hatte er den gehobenen Dienst im Visier.

Nach etlichen Aus- und Fortbildungen – unter anderem wieder in Maria Tann, aus dem inzwischen eine Polizeiakademie geworden war – kam er 1987 dort auch an und wurde Polizeikommissar. Als solcher war er eine Zeitlang Mitarbeiter im Lagezentrum des Stuttgarter Innenministeriums, wo er das Geiseldrama von Gladbeck hautnah miterlebte. "Wir rechneten damals damit, dass Täter und Geisel bis nach Baden-Württemberg kommen", erinnert er sich.

Zur Zeit des Balkankrieges war er als Abteilungsleiter ein Jahr lang in Albanien auf EU-Polizeimission. Seine angeborene Neugier und das Interesse an persönlicher Weiterentwicklung trieben ihn stets. Selbst seine Erkrankung sah er als solche an: "Das ist jetzt mein persönliches Medizinstudium", habe er, der eigentlich Arzt werden sollte, sich damals gesagt. Deshalb stürzte er sich auch in diese Situation mit Neugier und ist bis heute unermüdlich unterwegs, um für die Interessen der Menschen mit Behinderung zu kämpfen. Dass sie es nicht leicht haben, weiß er schließlich aus erster Hand.

Sein Auto umgebaut

Er lebt in der Villinger Südstadt in einem barrierefreien Haus. Um zur Arbeit zu kommen, musste er sein Auto umbauen und sich mit 120 000 Euro verschulden. Am Wochenende bekommt er kein rollstuhlgeeignetes Taxi und wenn er abends ausgeht, findet er nur sehr schwer einen Pflegedienst, der ihn nach 22 Uhr noch für die Nacht vorbereitet und ins Bett bringt.

"Ich bin vielleicht für manche ein Störenfried", sagt er. Aufgeben und sich verkriechen kommt für Wolfgang E. Mallach aber nicht in Frage.