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Grüne reichen ihren Antrag ein. Vieles wird auf dem Prüfstand stehen. Konstanz dient als Beispiel.

Villingen-Schwenningen - Die Doppelstadt soll den Klimanotstand ausrufen. Nach Städten wie Konstanz, Heidelberg, Münster oder Bad Segeberg soll nun auch das Oberzentrum offiziell erklären, dass die Klimakrise kein Modephänomen ist und die bisher ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen, sie in den Griff zu bekommen.

Hinter den Kulissen befassen sich die Gemeinderatsfraktionen gerade mit dem Vorstoß der Grünen-Fraktion des Gemeinderates in Villingen-Schwenningen. Bereits im Mai, kurz nach den Kommunalwahlen, trafen sich die damals künftigen Grünen-Kommunalpolitiker auf der Möglingshöhe und formulierten ihr Ziel: VS soll dem Beispiel anderer Städte, etwa Konstanz, folgen und ebenfalls den Klimanotstand beschließen.

Seit einer Woche sind sie nun in Amt und Würden und wollen als zweitstärkste Kraft im doppelstädtischen Gemeinderat Fakten schaffen. Doch das Aurufen des Klimanotstandes soll kein Alleingang werden. Die Grünen wollen, so Fraktionssprecher Joachim von Mirbach im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten, "bereits im Vorfeld möglichst viele Kollegen mit einbeziehen". Bereits in der Gemeinderatssitzung am kommenden Mittwoch, 24. Juli, wollen die Grünen ihren Antrag stellen, erklärt von Mirbach. Entsprechende Vorarbeit wurde schon geleistet. Sowohl innerhalb der Fraktion als auch mit interessierten Mitgliedern hat die Fraktion bereits über ihre Klimanotstands-Idee diskutiert. Zudem ging ein Anschreiben an Oberbürgermeister Jürgen Roth und haben die Grünen bereits eine entsprechende Resolution formuliert. " Dabei geht es zunächst um Grundsätzliches", so von Mirbach, der ebenso wie seine Mitstreiter bereits im Gespräch mit den anderen Gemeinderatsfraktionen ist. Ins Detail gehen möchte von Mirbach zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Er will den anderen Stadträten "die Möglichkeit geben, sich an dem Antrag zu beteiligen", erläutert er sein vorsichtiges Vorgehen.

Doch klar ist angesichts der Beispiele anderer Städte: Hier ist auch Vorsicht geboten, will man mit dem Thema verantwortungsbewusst und behutsam umgehen und tatsächlich etwas erreichen. Denn mit einem bloßen Lippenbekenntnis soll es auch beim Klimanotstand in VS nicht getan sein.

Konstanz gibt gutes Beispiel

Was eine Initiative wie diese konkret bedeuten kann, wurde zuletzt in Konstanz anhand des dortigen Seenachtfestes an einem besonders populären Beispiel deutlich: Das weit über die Grenzen von Konstanz hinaus bekannte und beliebte Feuerwerk beim Seenachtfest soll es in künftigen Jahren nicht mehr geben. Spätestens nach dieser Entscheidung war klar: CO2 zu sparen, kann einer freizeitorientierten Gesellschaft schon einmal weh tun.

Doch neben diesem öffenltichkeitswirksamen Beschluss, gab es in Konstanz schon viele weitere Auswirkungen, seit die Bodensee-Metropole den Klimanotstand am 2. Mai erklärt hatte: eine Solarpflicht für Neubauten beispielsweise, die nur nach eingehender Beratung und gut begründet abgelehnt werden kann. Kein Dienstwagen mehr für den dortigen Oberbürgermeister – aus freien Stücken. Und es wurde eine Arbeitsgruppe einberufen, die ganz konkret Vorschläge erarbeitet, wo nd wo kurz-, mittel- und sogar langfristig in der Stadt CO2 eingespart werden kann. Neben Gemeinderäten sitzen darin auch Experten und Vertretern der lokalen Fridays-for-Future-Bewegung.

Ein Szenario, das durchaus auch in VS denkbar wäre, denn auch hier soll nach dem von den Grünen geforderten Ausrufen des Klimanotstandes jede Handlung der Stadt Villingen-Schwenningen unter dem Klima-Aspekt überprüft werden und gegebenenfalls korrigiert werden. Gibt es auch dann noch ein Feuerwerk bei der Langen Kulturnacht in Schwenningen? Das Silvesterböllern der Grenadiere? Und darf der OB weiterhin eine Mercedes E-Klasse fahren? Und wie schaut es eigentlich aus mit dem bislang ignorierten Verbot von Papptellern und Styroporbechern auf städtischem Grund und bei städtischen Veranstaltungen aus den Neunzigern aus? Ein "Weiter so" dürfte sich mit dem Ausrufen des Klimanotstandes in VS sicherlich kaum vertragen.

Hitzewellen und Jahrhundertniederschläge

Dass der Klimanotstand uns längst erreicht hat, dafür besteht für die Grünen im übrigen keinerlei Zweifel: Unabhängig von sich häufenden Nachrichten zu Extremwetterlagen weltweit, müsse man auch hier immer häufiger mit Hitzewellen, immer neuen "Jahrhundertniederschlägen" und Orkanen umgehen – abgesehen von der Tatsache, dass das Handeln der Stadt und der Menschen hier immer auch Auswirkungen auf andere Teile der Welt habe.

Info: Klimanotstand

Neu ist der Begriff Klimanotstand nicht. In aller Munde ist er aber erst seit dem 4. Dezember 2018. Damals präsentierte der Club of Rome vor dem europäischen Parlament nämlich seinen Notfallplan in Sachen Klima.

Zehn Maßnahmen mit hoher Priorität, die alle der Begrenzung der globalen Erwärmung dienen sollen, wurden in diesem zusammengefasst. Und seither hat die Beschäftigung mit dem Klimanotstand tatsächlich auch in Deutschland schule gemacht – oder eben auch nicht: Im Zuge der anhaltenden Protestaktionen von Fridays-for-Future beispielsweise, bei dem Schüler immer wieder freitags auf den Notstand in Sachen Klima aufmerksam machen.

Darüber hinaus haben viele Städte und Gemeinden in Europa den Klimanotstand bereits erklärt. Sie verpflichten sich beispielweise dazu, ihre CO2-Emission alle fünf Jahre um zehn Prozent zu senken.