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Mit neuer Technik gegen Medikamentenrückstände/Untersuchungen laufen an

Rückstände von Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Spuren von Röntgenkontrastmitteln: Was an Spurenstoffen in die Kläranlagen der Doppelstadt hineinwabert, bringt die Technik an ihre Grenzen. Und nicht nur das: Über die Abwässer werden auch noch multiresistente Keime in den Zulauf gespült.

VS-Villingen. Thomas Fricke, Abteilung Klärwerk Villingen, das dem Amt für Wasserwirtschaft und Breitband angesiedelt ist, hat sicherlich kein leichtes Los. Täglich werden die Mitarbeiter der beiden Kläranlagen (Villingen und Abwasserzweckverband Oberer Neckar) mit den Hinterlassenschaften von Bürgern konfrontiert. Nach wie vor werfen zu viele Doppelstädter in beiden großen Stadtbezirken munter ihre benutzten Feuchttücher und Binden ins WC, umwickeln sorgfältig ihre ausgebrauchten Wattestäbchen mit Toilettenpapier, damit sie auch ja in der Schüssel versinken. Der Schwarzwälder Bote berichtete bereits über diese "Unsitte" und die Folgen, die Fricke gegenüber unserer Zeitung in einem weiteren Gespräch nachzeichnet. Die Kläranlage Villingen verfügt seit 2017 über eine neue Rechenanlage mit einer deutlich geringeren Spaltweite, was letztlich das Problem in den Bereich der Rechenanlage verschiebt. "Jetzt bleibt eben noch mehr vor dem Rechen liegen, was auch das Ziel war", so der Fachmann. Die angeschwemmten Feuchttücher wickeln sich teilweise um die Bürsten, die sich am oberen Ende des Rechens befinden. Deshalb sei ein wesentlich höherer Wartungs- und Unterhaltungsaufwand für die Mitarbeiter der Kläranlage notwendig, was auch einen erhöhten Verschleiß bei Maschinen und Pumpen darstellt.

Lästige Feuchttücher, Binden und Wattestäbchen sind nur eine Seite des Klärbergs. Problematisch sind Spurenstoffe und multiresistente Keime, denen man jetzt auf die Spur kommen möchte. Was beim Abwasserzweckverband (AZV) Oberer Neckar bereits betrachtet und analysiert wurde, soll in diesem Jahr in der Villinger Kläranlage in Form einer Machbarkeitsstudie "zur weitergehenden Abwasserreinigung unter Berücksichtigung der Entnahme von Spurenstoffen" untersucht werden. Die Kosten liegen bei rund 40 000 Euro, die Landesförderung liegt bei 50 Prozent.

Hartnäckige Rückstände

Die zentrale Frage dabei ist: Welche Spurenstoffe kommen vor? Hierzu werden "Mischproben" im Ablauf der Vorklärung und im Ablauf der Kläranlage genommen und anschließend in einem Fachlabor analysiert. Und um welche Stoffe handelt es sich ganz genau? Auf der Kläranlage des AZV Oberer Neckar wurden neben Arzneimittelrückständen auch Spuren von Biozoiden und Röntgenkontrastmittel im Abwasser nachgewiesen. In der Kläranlage in Villingen soll sich bei den nun kommenden Untersuchungen auch das Aufkommen multiresitenter Keime widerspiegeln. Dies wurde bei dem bereits erfolgten Messprogramm des AZV Oberer Neckar nicht berücksichtigt. Nicht ohne Grund. "Das Thema multiresistente Keime ist erst in letzter Zeit aufgegriffen worden", bevor diese erste Untersuchung gestartet worden sei, erläutert Fricke.

Koffeeinspuren können derzeit bis zu 80 Prozent abgebaut werden. Bei Rückständen von Schmerzmitteln dagegen sind es nur etwa 40 bis 50 Prozent. Der Abbaugrad manch anderer Stoffe liege sogar nur bei 30 Prozent. Medikamentenrückstände oder auch Spurenstoffe von Röntgenkontrastmitteln gelangen nicht hauptsächlich über Kliniken ins Abwasser, sondern vor allem über die Privathaushalte (etwa 90 Prozent). Dazu komme die Angewohnheit mancher Bürger, Medikamentenreste in der Toilette zu entsorgen. Nicht zuletzt kommen solche Rückstände über das Ausbringen von Gülle und damit die Intensiv-Landwirtschaft in die Gewässer.

Ozon gegen Multiresistente

An die 55 Einzelsubstanzen sollen nun chemisch und biologisch in Villingen untersucht werden. Zum Jahresende sollen die ersten Ergebnisse vorliegen (auch welche Stoffgruppen in welcher Konzentration vorliegen). Auf der Basis der Auswertung für das Klärwerk Villingen, wollen die Experten ablesen, wie sie technisch mit den Stoffen umgehen können und welche Erweiterungsmaßnahmen Sinn machen. Die bisherigen drei Reinigungsstufen dürften nicht mehr ausreichen. Für den Abbau von Spurenstoffen sei eine vierte Reinigungsstufe nötig: So können Problemstoffe mit Pulver-Aktivkohle- und Sandfilter sowie das gegen Keime wirksame Ozon "behandelt" werden. Dadurch könne ein sehr hoher Abbaugrad von rund 90 Prozenz erreicht werden.