Ein kleiner Haar-Riss an der Aufschlagsseite des Klöppels und das heißt vorerst Sendepause für die größte der insgesamt neun Glocken im Villinger Münster. Unser Foto zeigt Mesner Andreas Turner neben dem guten Stück, das verstummt ist. Foto: Marc Eich

Haar-Riss bringt die größte von neun Glocken zum Verstummen. Hohe Kosten für Instandsetzung.

Villingen-Schwenningen - Wenn an Ostern die Münsterglocken klingen, bringen nur acht Klöppel die Klangkörper in Schwingung. Die neunte und größte Glocke bleibt stumm, sie hat einen Haar-Riss und klingt, so Mesner Andreas Turner, wie ein Kochtopf.

Das hat nicht nur Mesner Andreas Turner gerade noch gefehlt. Die Hiobsbotschaft macht langsam die Runde durch die Stadt. "Stell Dir mal vor, die größte Glocke im Münster ist kaputt", so hörte es ein Leser des Schwarzwälder Boten von einem Bekannten. "Ja, das ist richtig. Und deshalb wird unsere größte Münsterglocke an den Osterfeiertagen nicht läuten", bestätigt Turner auf Anfrage des Schwarzwälder Boten. Und mit ihm auch Martin Schuhbauer, Vorsitzender des Pfarrgemeinderats der Seelsorgeeinheit Villingen. Die Glocke sei vorerst still gelegt worden. Grund für diese Zwangspause sei ein feiner Haar-Riss, der sich unterhalb des Klöppelanschlages abzeichne. Wie sieht dies Dekan Josef Fischer? Dieser war gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Das Klangerlebnis ist auf einmal nicht mehr das gleiche: "Irgendetwas stimmt da doch nicht..?", raunen sich nicht nur manche Gottesdienstbesucher zu. Zum ersten Mal stutzig wird Turner um die Weihnachtszeit herum. "Auch mir fiel auf, dass sich der Klang der Glocke verschlechtert hat", erinnert er sich. Bei der alljährlichen Wartung des guten Stücks versucht der Experte vor Ort, der Sache auf den Grund zu gehen. "Denn auf den ersten Blick hat man keine Beschädigung erkennen können", so Mesner Andreas Turner: Zunächst habe er die Glocke mit einer starken Taschenlampe abgeleuchtet, "doch zu sehen war da nichts." Was kurze Zeit später beim Wartungstermin herauskommt, bestätigt auch der alarmierte Glockeninspekteur der Erzdiözese Freiburg: Was sich auf dem Glockenrand wie "ein dünnes Haar" abzeichnet, ist ein feiner Riss. Demnächst kommt noch ein dritter Experte ins Spiel, "der oberste Experte aus Kempten", wie es Schuhbauer formuliert. Und dieser soll nicht nur herausfinden, wie groß der Riss sei, sondern auch wie viel die Schadensbehebung in etwa kosten werde.

Rätselraten über Ursache

Wie diese kleine Beschädigung zustande kam? Das gibt auch Turner noch Rätsel auf. Über die Ursachen lasse sich nur spekulieren. "Vielleicht Materialermüdung", vermutet er. Eigentlich sei die Glocke erst seit 63 Jahren in Betrieb, berichtet er, andere erklingen eisern mehrere Jahrhunderte lange, "und gehen nicht kaputt", wundert er sich. Zuletzt hörte man das 5,4 Tonnen schwere Stück am Silvestergottesdienst. "Und da klang die Glocke wie ein Kochtopf". Nicht nur ihr Feiertagsgeläut wird verstummen, auch das Freitagsläuten, das an die Opfer der beiden großen Weltkriege erinnern soll.

Der Haar-Riss, so fein er auch sein mag, ist nicht ohne. An einen Weiterbetrieb sei nicht zu denken, das Risiko von Folgeschäden sei zu groß. "Der Riss könnte ja weitergehen und sich vergrößern", so Mesner und Schuhbauer. Also heißt es fürs nächste: Sendepause für die größte und schwerste Glocke, die im nördlichen Münsterturm, dem Turm mit dem bunten Ziegeldach sitzt. Was passiert nun mit dem Prachtexemplar, das seit 1954 im Nordturm des Münsters sitzt? Das Kirchengemeindeteam wolle sich bald zusammen setzen, um über mögliche Spendenaktionen zu sprechen, so Schuhbauer. Denn die Reparatur sei aufwendig und kostspielig und könnte gut zwischen 80 000 und 100 000 Euro kosten, so erste vorsichtige Prognosen.

Und diese recht hohen Kosten kommen nicht von ungefähr: Die wuchtige Glocke muss mit einem Kran vom Nordturm herunter gehievt, auf einen Tieflader verlagert und ins bayrische Nördlingen verfrachtet werden. Dort ist eines der wenigen Glockenschweißwerke angesiedelt, die es deutschlandweit gibt. Nach der Reparatur geht es wieder in den Schwarzwald-Baar-Kreis und in einer erneut aufwendigen Aktion wieder auf den Turm mit dem bunten Ziegeldach zurück. An der Reparatur führe kein Weg vorbei, so Schuhbauers Einschätzung: "Wir können die kaputte Glocke nicht einfach so dort oben hängen lasen."