Alle um einen Tisch: Die Ermittlungsgruppe "Brigach" bei der Arbeit in Zimmer 221 der Polizeidirektion. Sie ermitteln im Fall von Daniel B. der vor einer Woche in Villingen zu Tode gekommen ist. Foto: Maier Foto: Schwarzwälder-Bote

Die Kriminalpolizei VS versucht fieberhaft, den Tod von Daniel B. zu klären / Zweites Raubopfer meldet sich

Von Steffen Maier

Villingen-Schwenningen. Thomas Gerth ist seit mehr als 25 Jahren Polizist, seit 2009 leitet er die Kriminalpolizei Villingen-Schwenningen, er hat in vielen Fällen ermittelt, aber einen erfrorenen Toten hatte er noch nie. Das änderte sich am vergangenen Sonntag. Seitdem versucht die Kriminalpolizei VS mit Hochdruck und enormer Akribie, das Puzzle zusammenzusetzen, aus dem sich die letzten Stunden von Daniel B. ergeben – und das Antwort auf die Frage gibt, ob dessen Tod ein Unfall war oder ob jemand Schuld trägt. Und ob man diesem Jemand die Schuld auch nachweisen kann.

Wenn es gelingt, dann in Zimmer 221 der Polizeidirektion an der Waldstraße. Sechs Kriminalbeamte sitzen in dem Raum an Schreibtischen vor Computern und Telefonen. An eine Tafel, nicht ganz so schick, wie man sie beispielsweise aus dem "Tatort" kennt, sind Spuren, Hinweise, Fotos gepinnt. Und anders als immer wieder sonntags in der ARD ist dieser Fall nicht innerhalb von 90 Minuten lösbar.

Der Villinger Daniel B. ist am vergangenen Wochenende zu Tode gekommen, wie es niemandem zu wünschen ist: gestorben an Unterkühlung, im öffentlichen Raum und dennoch einsam und allein. Eine Passantin fand den leblosen Körper des 25-Jährigen morgens um 7 Uhr am Brigachufer oberhalb der Paradies-Brücke. Es war der Beginn für die umfassende Ermittlungsarbeit.

Kriminalhauptkommissar Heinrich Kienzler machte sich mit den Kollegen noch am Sonntag ans Werk; am Montag richtete Kripo-Chef Gerth die Ermittlungsgruppe "Brigach" ein. Zu Beginn 25 Polizeibeamte aus VS kümmerten sich teilweise bis zu 15 Stunden am Tag einzig und allein um diesen einen Fall – eine so große Ermittlungsgruppe gibt es im Schwarzwald-Baar-Kreis nur alle paar Jahre.

Während die einen am Fundort der Leiche Spuren sicherten, machten andere Zeugen ausfindig und befragten sie, wieder andere analysierten die Belege, versuchten, Verknüpfungen zu erstellen, Kriminaltechniker werteten zudem das aus, was die Ermittler in die Polizeidirektion brachten. Weit mehr als 50 Spuren gingen und gehen die Beamten bis heute nach.

Kern des Puzzles ist weiter einschwarzer Fleck

Wie bei einem wirklichen Puzzle, so waren die Ränder des Bildes vom Tod des Daniel B. schnell abgesteckt: Der junge Mann war in der Nacht auf den vergangenen Sonntag in Villingen unterwegs gewesen. Das bestätigen Zeugen. Der Kern des Puzzles, die Minuten, in denen Daniel B. unter welchen Umständen auch immer ans Brigachufer kam, dieser Kern ist derweil weiter ein schwarzer Fleck. Zeugen, die das Geschehen beobachtet haben, fehlen oder haben sich bisher nicht gemeldet.

Einen Tatverdächtigen nahm die Polizei am Montag fest. Daniel B. war mit dem 30-Jährigen, einem Bekannten, in der Nacht seines Todes um die Häuser gezogen; der Mann hat nach Zeugenaussagen die letzten Stunden zusammen mit ihm verbracht. Er steht im schweren Verdacht, Daniel B. in einer hilflosen Lage am Brigachufer zurückgelassen zu haben. Die Frage steht zudem im Raum, ob der 30-Jährige, was deutlich schwerer wiegen würde, die hilflose Lage möglicherweise mit herbeigeführt hat. K.O.-Tropfen?

Der Tatverdächtige könnte den schwarzen Fleck möglicherweise ausfüllen helfen. Indes: Er schweigt. Das mag sich unerträglich anhören, aber es ist sein Recht.

Der Mann steht zudem im dringenden Verdacht, am Samstagabend vergangener Woche im Inselparkhaus einen 48-Jährigen ausgeraubt zu haben. Im Blut des 48-Jährigen wurde eine noch nicht näher klassifizierte Substanz entdeckt, die ihn offenbar widerstandsunfähig machte. K.O-Tropfen?

Gestern nun teilte die Polizei mit, dass sich ein weiterer Zeuge gemeldet hat, ein 33-jähriger Mann aus dem Kreis. Auch er hatte mit dem Tatverdächtigen Kontakt am vergangenen Samstagabend, sie tranken gemeinsam – anschließend verfiel der 33-Jährige in einen schlafenden, fast bewusstlosen Zustand. K.O.Tropfen? Auch er wurde ausgeraubt.

Die Polizei vermutet, dass es weitere Personen gibt, die am Samstag, 19. November, und auch davor in der Villinger Innenstadt mit dem Tatverdächtigen unterwegs waren und denen ebenso etwas verabreicht wurde.

Bis zum Ergebnis des toxikologischen Gutachtens bleibt die Frage, ob Daniel B. Ähnliches widerfahren ist. Ob auch er, möglicherweise ohne es zu merken, in einen widerstandsunfähigen Zustand versetzt wurde, aus dem er letztendlich nicht mehr erwacht ist.

Weitere Informationen: Polizeidirektion Villingen-Schwenningen, Telefon 07721/60 10