Architekturdenkmal bekommt durch Hess-Pleite Schlagseite / Firma habe fast alles finanziert, sogar den Winterdienst

Von Cornelia Spitz

Villingen-Schwenningen/Löbau. Und plötzlich bekam der Nudeldampfer Schlagseite. Hatten die Löbauer den Einsatz von Christoph Hess 2009 zur Rettung ihrer Villa Schminke auch noch so geschätzt, traf sie der Vorwurf der Bilanzmanipulation und die daraufhin folgende Pleite der Hess AG umso bitterer. Schon wieder kämpfte ihr herausragendes Architekturdenkmal ums Überleben.

Jetzt aber heißt es erst einmal: aufatmen. Ein neues Konzept für die im Volksmund "Nudeldampfer" genannte Villa des ehemaligen Löbauer Nudelfabrikanten Fritz Schminke scheint gefunden zu sein. Das Haus hat schwierige Fahrwasser hinter sich. Nachdem seine Zukunft zu Beginn dieses Jahrtausends noch unklar schien, war mit dem Engagement von Christoph Hess mit seinem Unternehmen Hess AG und der Stadt Löbau die Rettung in Sicht. Gemeinsam gründeten die Firma und die Stadt die "Stiftung Haus Schminke". Sie sollte den Erhalt des Baudenkmals gewährleisten. Nicht nur vor Ort in der Oberlausitz, auch in Architekturblättern bundesweit wurde Hess’ herausragendes Engagement für das "Zeugnis Neuen Bauens" in der Heimatstadt seiner Frau gepriesen. In der Stiftungsbroschüre, herausgegeben "mit freundlicher Unterstützung der Hess-Gruppe" erklärte Christoph Hess seinen Einsatz für den Erhalt eines "Meilensteins der modernen Architektur" folgendermaßen: "Dies in vollem Umfang zu leisten, übersteigt die Möglichkeiten der öffentlichen Hand." Und so reihte er ein weiteres Perlchen auf die lange Kette sozialen Engagements seiner Familie.

Die Anzahl der Stifter blieb überschaubar. Neben den Gründungsstiftern, der Stadt Löbau und der Hess AG, gab es laut Homepage noch drei Zustifter, darüber hinaus drei Stifter für bestimmte Projekte. Mit ein Grund, warum die Hess-Pleite das Haus Schminke in seinen Grundfesten erschütterte. Das Unternehmen hatte "eigentlich die komplette Finanzierung des operativen Geschäfts" der Villa sichergestellt, wie Architektin Claudia Muntschik, die das Haus heute betreibt und dort seit Oktober beschäftigt ist, im Gespräch mit unserer Zeitung erzählte. Und mehr noch: "Da ist auch viel gelaufen, was nicht in den Büchern steht – die Firma hat bei uns zum Beispiel den Winterdienst gemacht." Hess sei immer da gewesen, um in die Presche zu springen, "salopp gesagt", so Muntschik, "die ehemalige Leiterin durfte sich immer melden, wenn sie was brauchte." Unterdessen nächtigten die Gäste zum Schnäppchenpreis im architekturhistorisch bedeutsamen Baudenkmal. 45 Euro habe die Übernachtung gekostet, sechs Euro das Frühstück. Später erhöhte sich die Übernachtung auf 65 Euro pro Kopf. "Das ist ein Witz, das ist billiger als im Hotel Löbau!", erzählt Claudia Muntschik, die bei der Restrukturierung nach der Hess-Pleite großen Wert auf wirtschaftliche Preise legte – jetzt kostet die Nacht 250 Euro, "und das ist immer noch völlig in Ordnung, die Nachfrage ist gut".

Vom großen Knall bei Hess erholt man sich gerade. In der Schminke Villa hatte man telefonisch durch einen Bankanruf davon erfahren und mussten schlagartig alle Beschäftigten gehen, außer die zu einem großen Teil EU-finanzierte Claudia Muntschik. Zwischenzeitlich sei das laufende Geschäft, sagt Muntschik, durch die Übernachtungseinnahmen finanzierbar. Aber: Um auch bauliche Maßnahmen zu ergreifen in dem Haus, das zuletzt vor zehn Jahren durch die Wüstenrot-Stiftung renoviert worden sei, bedürfe es noch einiger Sponsoren. Die Durststrecke zwischendurch habe sie mit viel Ehrenamt gestemmt, jetzt würden auch wieder Mitarbeiter eingestellt.

Es sieht so aus, als schafft man nun aus eigener Kraft, was vorher unmöglich schien. Der Nudeldampfer hat wieder Fahrt aufgenommen.