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Porträt / Grete Gundacker engagiert sich in der Hospizbewegung

Gerade hat Grete Gundacker den von der Baugenossenschaft Familienheim ausgelobten Ehrenamtspreis "s’goldene Male" verliehen bekommen. Seit 25 Jahren widmet sie sich im Ehrenamt sterbenden Menschen. Angst vor dem Tod hat die 84-Jährige nicht, aber ihre Meinung dazu: "Der Mensch muss sterben dürfen".

VS-Villingen. Engelszungen braucht es, damit Grete Gundacker von sich erzählt, denn eigentlich möchte sie um ihr Leben und ihr unentgeltliches Engagement kein Aufhebens machen. Für die Aussicht, weitere hilfsbereite Kräfte für die Arbeit als Sterbebegleiter bei der Hospizbewegung ambulant Schwarzwald-Baar zu gewinnen, macht sie aber eine Ausnahme.

In Karlsruhe ist sie geboren und in Donaueschingen aufgewachsen. Jung heiratete sie Fritz Gundacker, den späteren Gründer des Jazz-Clubs Villingen, und zog 1967 mit ihm, zwei Söhnen und einer Tochter nach Bretten-Diedelsheim bei Karlsruhe. "Da werde ich nicht alt", habe sie damals gedacht, erinnert sich Grete Gundacker, die den Schwarzwald als "meine innere Heimat" bezeichnet. Die Rückkehr dorthin sollte allerdings 27 Jahre dauern.

Bedürfnisse anderer erspüren, ohne sich selbst wichtig zu nehmen

Gemeinsam mit ihrem Mann betrieb sie eine Unternehmensberatung. Als Ehrenamtliche gründete sie einen "Eine-Welt-Kreis", war in der örtlichen Kirchengemeinde 20 Jahre lang Mitorganisatorin von Seniorennachmittagen und von 1977 bis 1980 Schöffin am Amtsgericht Bruchsal. In den 1980er-Jahren schloss sie sich für viele Jahre sehr aktiv der Friedensbewegung "Unterwegs für das Leben" an, die bis heute für die Bewahrung der Schöpfung demonstriert und Gespräche mit Politikern, Waffenherstellern und Umweltorganisationen führt. "Das hat mich innerlich weit gebracht", sagt sie heute. 1994 – die Kinder waren aus dem Haus – zogen die Gundackers zurück nach Villingen. Die damals 59-Jährige schloss sich ein Jahr später der Hospizbewegung im Schwarzwald-Baar-Kreis an und absolvierte eine halbjährige Ausbildung zur Sterbebegleiterin. Umgang mit alten und kranken Menschen hatte sie seit ihrer Kindheit und sie übernahm den Wahlspruch ihrer Mutter – "Tue recht und scheue niemanden". Nach zwölf Unterrichtsstunden zu Themen wie Gespräche am Bett, die Flut der Gefühle, Trauerarbeit, Schmerztherapien und rechtliche Fragen sowie 40 Stunden Praktikum in einem Altenheim nahm Grete Gundacker ihren ehrenamtlichen Dienst auf. Immer im Herbst führt die Hospizbewegung ambulant diese rund ein halbes Jahr währende Ausbildung durch.

Ein neuer Kurs hat zwar gerade erst begonnen, Interessenten können sich aber schon jetzt für 2021 anmelden und erhalten im Frühjahr die Einladung zu einem Informationsabend. "Danach als Sterbebegleiter zu arbeiten, ist nicht verpflichtend", weiß Grete Gundacker. "Manche nehmen teil, um einfach mehr über das Sterben zu erfahren".

Sie selbst überstand bereits eine Krebserkrankung und erlebte, was es heißt, zu glauben, dass man jetzt sterben müsse. Sie erinnert sich konkret an einen Moment, von dem sie dachte, es sei ihr letzter. "Ich hatte keine Angst. Ich war ganz ruhig", erzählt sie. Diese Erfahrung gibt ihr Halt. Sie sagt aber auch: "Das Sterben ist ein Mysterium". Sie ist überzeugt davon, dass das Stadium zwischen Leben und Tod eine eigene Welt und der Mensch dabei nur mit sich selbst beschäftigt ist. Wenn Grete Gundacker an das Bett eines unheilbar Kranken tritt, schärfen sich all ihre Sinne. Stille oder ein Gespräch, eine zärtliche oder kräftige Berührung – es gelte, sagt sie, die Bedürfnisse des anderen zu erspüren und "sich selbst dabei nicht wichtig zu nehmen".

Sie fordert andere Lösungen für eine zweite Corona-Welle

Eine Herausforderung sei es immer, wenn jemand nicht ansprechbar sei. "Dann versuche ich, ganz gelassen zu bleiben, summe ein Lied oder lese vor. Dabei achte ich auf jede Regung des kranken Menschen". Wenn Kommunikation möglich ist, gehe es darum, "mit Fantasie und manchmal auch Humor" herauszufinden, was der Patient sich wünscht. Während des Lockdowns aufgrund der Coronapandemie waren Besuche in Altenheimen und Krankenhäusern auch für Sterbebegleiter nicht möglich.

Das Alleingelassenwerden empfand Grete Gundacker als "ganz schlimm" für die Sterbenden und sie sagt: "Bei einer zweiten Welle müssen für diese Menschen andere Lösungen als die Isolation gefunden werden". Wenn sie an ihr eigenes Ende denkt, dann wünscht sie sich – und so steht es auch in ihrer Patientenverfügung – "keine lebensverlängernden Maßnahmen". Sie selbst nehme so gut wie keine Medikamente und finde nicht gut, wenn die Möglichkeiten der Medizin bis zuletzt ausgeschöpft werden. "Ein Mensch muss doch sterben dürfen", sagt sie mit Nachdruck.

Seit acht Jahren ist Grete Gundacker Witwe. Ihre bewundernswerte körperliche und geistige Fitness verdankt sie regelmäßigem Schwimmen, außerdem malt sie ausstellungsreif Aquarelle und handarbeitet für sich und ihre Familie. Am meisten Respekt hat sie davor, eines Tages ihre Unabhängigkeit und Selbstständigkeit zu verlieren. Dann, so hofft sie, "geht es schnell mit dem Sterben".