Für das Shoppingerlebnis benötigen viele Menschen keinen Einkaufswagen, zumindest keinen analogen. Sie erledigen das über das Internet von der Couch aus. Foto: Hildenbrand

IHK-Vertreter sieht Weg ins Internet sowie Online-Marketing als "riesen oder letzte Chance".

Schwarzwald-Baar-Kreis - "Tut es": Länger als diese zwei Worte ist die Botschaft von Thomas Weisser in Richtung Einzelhandel nicht. Der Vorsitzende des Handelsausschusses der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg meint, die Branche werde sich jetzt dringend verändern müssen. Eine oft gebrauchte Aussage will er aber nicht mehr hören.

Das Haus der 1000 Uhren in Triberg, das Weisser in fünfter Generation führt, habe schon viele Krisen miterlebt. Die Ausbreitung des Coronavirus sei aber eine neue Form gewesen, sagt der Fabrikant von Kuckucksuhren. "Der Lockdown Mitte März war schon massiv. Wir hatten null Einnahmen bei laufenden Kosten", erklärt er. Die Schließung mitten in der für das Unternehmen so wichtigen Tourismus-Saison habe den Umsatz um 60 Prozent wegbrechen lassen. "Bei zehn Prozent zuckt man, bei 20 Prozent zittert man", verdeutlicht Weisser, wie hart die Corona-Pandemie seine Firma getroffen hat.

"Maximale Lehren aus der Vergangenheit"

Dennoch: Weisser ist überzeugt, dass sein Unternehmen auch für die Zukunft gut aufgestellt ist. Die Krise habe man überstanden, weil man die Kosten schnell runtergefahren, die Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt hat und auf genug finanzielle Reserven zurückgreifen konnte. "Die oberste Priorität war, die Liquidität zu erhalten. Das ist wie der Sauerstoff für den Menschen. Ohne Liquidität bist du schnell am Ende", bilanziert er.

Die Krise sei das eine, und die Einschränkungen das andere gewesen. Für Weisser war wichtiger, dass er die "maximalen Lehren aus der Vergangenheit" zieht. Und die Lehre ist: Ohne die Digitalisierung und den Online-Handel geht es nicht. "Wir im Haus der 1000 Uhren müssen sparen, jeden Cent umdrehen. Aber an der Digitalisierung und neuen Formaten sparen wir nicht", erklärt er, dessen Firma während des Lockdowns "die Zeit nutzte und sich online massiv verbessert" hat.

Der Weg ins Internet sei eine "riesen oder aber die letzte Chance" für den Handel. "Wir müssen das jetzt angehen", meint er. "Wenn wir uns nicht öffnen, wird es schwierig." Die Meinung, das Internet habe den stationären Handel kaputt gemacht, will er nicht gelten lassen. "Wir brauchen online wie offline. Verteufelt das Internet nicht. Nehmt es selbst in die Hand", fordert Weisser. Den Schritt in den Online-Bereich muss aber rund die Hälfte der Einzelhändler erst noch wagen. Eine deutschlandweite IHK-Studie zeigt, dass 49 Prozent noch rein stationäre Händler sind, 37 Prozent sind sowohl online tätig wie über ein Ladengeschäft erreichbar. Bestes Beispiel dafür ist ausgerechnet Online-Riese Amazon, der nun beginnt, sich in der Fläche niederzulassen. Die restlichen Händler in Deutschland vertreiben ihre Waren nur im Internet.

Mit seinem Unternehmen hat Weisser sich an die Eroberung der virtuellen Räume gemacht. Seit März wurde die Internetseite angepasst und ein "kleines TV-Programm" aufgezogen. Mit den Clips sowie neuen Apps lernten die Kunden das Unternehmen und die Mitarbeiter kennen. "Wir haben mehr auf das Image und die Kultur abgezielt", sagt Weisser. Dies habe sich gelohnt. "Die Leute sind ins Geschäft gekommen und haben gesagt, dich kenn ich, da kauf ich ein." Deshalb werde das Marketing im Internet "in Zukunft ein Erfolgsfaktor sein", um die Kunden zu erreichen. "Die junge Generation tickt anders, sie hat ein völlig anderes Konsumverhalten. Die Leute informieren sich vorher und wissen, was sie kaufen wollen. Da geht es ohne Webseite nicht." Über Social Media Marketing oder das Einschalten von Influencern könne man sich für die junge Kundschaft interessant machen. Dabei sei der Preis nicht in erster Linie ausschlaggebend. Mehrere Anbieter, die dasselbe Produkt verkaufen wollen, könnten sich nur versuchen, in einer Rabattschlacht zu unterbieten.

Digitalisierung durch Corona

Dem stimmt Vanessa Hermann vom Trossinger Klavierhaus Hermann zu. Jedes Geschäft müsse online sichtbar sein. "Es kann sich kein Unternehmen leisten, nicht dabei zu sein", sagt sie. Auch bei dem Familienunternehmen hat bedingt durch die Corona-Pandemie die Digitalisierung verstärkt Einzug gehalten. Man strebe das papierlose Büro an, die Außendienstmitarbeiter seien mit Tablet-PCs ausgestattet.

Die Krise hat das Klavierhaus nicht so hart getroffen wie das Triberger Haus der 1000 Uhren. "Das Umsatzminus beträgt vielleicht zehn Prozent. Wir sind bisher mit einem blauen Auge davongekommen", sagt Hermann. Ihre Firma habe auch - anders als der Schwarzwälder Uhrenfabrikant - nicht auf Fördergelder des Bundes zurückgegriffen.

Weil nach dem Handel mit Klavieren und dem Veranstaltungsbereich auch die Service-Dienstleistungen abnahmen, war das Klavierhaus auch darauf angewiesen, auf sich aufmerksam zu machen. So wurden Klavierkonzerte ins Internet übertragen. Das Marketing, sagt Hermann, müsse schon jede Firma selbst machen. Für die eigenen Produkte ausreichend und zielgenau zu werben, sei mühselig, räumt sie ein. Aber: "Man muss herausstellen, was das Besondere an dem Produkt ist. Das kann niemand anderes machen, weil dieser die Zielmärkte nicht erreicht." Das Erzählen einer Geschichte zu den Produkten - wie wird es hergestellt und wer baut es - sei zukünftig notwendig. "Wir müssen eine Beziehung zum Kunden aufbauen", sagt Weisser.

Von der Stadt und den Handels- und Gewerbevereinen könnten die Händler nicht erwarten, dass diese sie aus dem "Loch ziehen". Diese Institutionen seien dafür da, die Rahmenbedingungen zu schaffen, erklärt Weisser. Dies sei in Tuttlingen in vielfältiger Hinsicht geschehen, erklärt Oberbürgermeister Michael Beck. Ein "gut aufgestelltes Citymanagement" sei für eine Stadt dieser Größe keine Selbstverständlichkeit. Dadurch werde der Einzelhandel in vielerlei Weise gefördert. Mit Christof Manz sei die Federführung des Projekts "Buy local" in den Händen eines "genauen Kenners der Sorgen und Nöte, aber auch der Chancen des Einzelhandels". Das Ziel müsse sein, gemeinsam mit dem Gewerbe- und Handelsverein ProTUT "Menschen aller Altersgruppen zu motivieren, für ihren Einkauf nicht den Online-Handel, sondern die lokalen Händler zu wählen."

Projekte wie einen städtischen Online-Marktplatz sehen die Handels-Fachleute der IHK aber kritisch. "Mir fallen da nur wenige funktionierende Beispiele ein", sagt Philipp Hilsenbeck, bei der IHK für Standortpolitik verantwortlich. Das Problem sei, ein Beteiligter würde die Plattform bereitstellen, zur Mitarbeit und Pflege des Angebots seien dann aber nur die wenigsten bereit. Ein Patentrezept, sagen die Beteiligten, gebe es nicht. Jeder Händler müsse schauen, ob sich die Beispiele umsetzen ließen, meint Weisser. Aber: "Nicht die Großen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen fressen die Langsamen."

Weitere Informationen: Die Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg bietet im Umgang mit der Corona-Pandemie Hilfe und Informationen. Interessierte können die Angebote einsehen unter www.ihk-sbh.de/corona Wer sich in Bezug auf die Digitalisierung weiterbilden möchte, findet Anregungen unter www.ihk-sbh.de/Veranstaltungen