Für Stefan Leonhardsberger (rechts) genügte als Requisite ein Stuhl, alles weitere erarbeitete sich der oberösterreichische Schauspieler auf der Bühne durch Pantomime. Martin Schmid übernahm mit viel Fingerspitzengefühl die akustische Untermalung des Abends im Capitol. Foto: Trenkle Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: "Rauhnacht" – skurrile, dunkle Mythen im Capitol / Österreichisches Duo zeigt Einakter mit Musik und Pantomime

VS-Schwenningen. Komödie, Tragikomödie, vielleicht sogar Tragödie? Immerhin sind am Schluss so gut wie alle tot. Der von Stefan Leonhardsberger und seinem akustischen Begleiter Martin Schmid am Mittwochabend im Capitol aufgeführte Einakter für einen Schauspieler hinterließ eine breite, wenn auch unsichtbare Blutspur auf der Bühne.

Meist war es schummrig dunkel auf dieser. Denn egal, ob die senile Oma die dunkle Kellertreppe hinunter humpelt und sich an die schrecklichsten oberösterreichischen Überlieferungen erinnert oder ein Vater mit passendem Namen "Höllerbauer" seine 15-jährige Tochter Nora sucht, da sie in der Neujahrsnacht spurlos verschwunden ist: Immer droht das Verschlungenwerden in den schwarzen Abgrund.

Das gilt letztlich auch für die weiteren, allesamt vom österreichischen Schauspieler und Sänger Leonhardsberger verkörperten Charaktere. Rasend schnell wechselt er die zehn vorgesehenen Rollen. Ein Kostümwechsel wäre hierbei kaum möglich, es muss der Lichtwechsel ausreichen. Meist genügen jedoch andere schauspielerische Mittel wie Stimme, Gestik oder Mimik und sehr viel Pantomime. Die Geschwindigkeit erlaubt so auch Dialoge zwischen den durchweg skurrilen Figuren – märchenartig überspitzt gezeichnete Archetypen einer unheilvollen Familienwelt. Mal ist Leonhardsberger auf der Bühne sehr sportlich unterwegs, mal langsam und fast in Zeitlupe, oder er verharrt im schier vereisten Zustand, um dann, nach Rollenwechsel, ins Bewegungsgegenteil zu verfallen.

Thematische Klammer sind die besagten beängstigenden Erzählungen der dementen Großmutter. An die gefährlichen früheren Zeiten mit scheinbar untiefen Abgründen kann sie sich bestens erinnern. Nicht jedoch daran, welche Fernbedienung nun für den Fernseher und welche für den elektrisch verstellbaren Lehnstuhl zu benutzten ist. Will sie aufstehen und drückt hierzu auf einen Knopf, startet der Fernseher. Spätestens hier kommt Martin Schmid ins Spiel. Der zweite Protagonist auf der Bühne hält sich im Hintergrund. Ohne ihn und seine akustisch-musikalischen Untermalungen wäre das Stück von Autor Paul Klambauer jedoch kaum tragfähig.

Ob der Vater seine Tochter findet, ob die beiden Söhne eines eigensinnigen Patriarchen gegen ihren Vater schließlich rebellieren oder doch nicht, wird irgendwann nicht mehr wichtig. Dass das ekstatische Spiel von Stefan Leonhardsberger ehedem nicht zu einem Happy End führt, ist jedem Zuschauer bald klar. Schmid illustriert akustisch in sehr guter Abstimmung alle pantomimischen Künste seines agilen Kollegen im düsteren Rampenlicht vor ihm. Ähnlich früheren Tonkünstlern in Hörspielproduktionen erzeugt er die jeweils passenden Töne, egal ob aufkommender Wind, Telefonwartezeichen, das Gekreische einer Holzsäge oder auch mal das akustische Tagesschau-Logo. Zudem nutzt er die drei um ihn herum drapierten Gitarren für perfektes Spiel, wenn es tatsächlich um Musik geht. Leider bleiben die Stücke – ganz in der Manier der nur hochfrequent angespielten Rollen – nur jeweils angerissen. Nach eineinhalb Stunden war die "Rauhnacht" vorbei. Dann ging‘s zurück in die dunkle und verregnete Schwenninger Nacht.