Studieren im Ausland und wegziehen von der Heimat – viele Schüler stellen sich der entscheidenen Frage um ihre Zukunft. Für einige steht die Entscheidung jedoch schon fest: weg von zu Hause und raus in die Großstadt. Fotos:© William W. Potter , Elnur – stock-adobe.com Foto: Schwarzwälder Bote

Bildung: Schulabgänger stehen vor der Frage: Wie geht es weiter?

Villingen-Schwenningen. Hierbleiben oder weggehen? Diese Frage stellt sich vielen Schulabgängern nach den Prüfungen. Welche Berufsaussichten habe ich hier? Gibt es bessere Angebote in Großstädten? Was interessiert mich überhaupt? Und finde ich das, was ich will auch hier in der Region?

Vielen steht der Prüfungsstress noch bevor, einige haben ihn auch schon hinter sich – aber alle sind sie jetzt auf der Suche nach der beruflichen Weiterentwicklung. Die Messe Jobs For Future vergangene Woche hat gezeigt, wie viel Bedarf es gibt – an Arbeitgebern und -nehmern. "Wir strecken die Hände aus – nach Fachkräften", betonte auch IHK-Präsidentin Birgit Hakenjos-Boyd bei ihrer Begrüßungsrede. Der Mangel an Fachkräften konfrontiert die Unternehmen schon lange. "Hinzu kommen die komplexen Herausforderungen rund um die Digitalisierung. 4.0 ist in aller Munde", beschreibt sie die aktuelle Lage. Der ländliche Raum scheint für viele Jugendliche auch den Charme verloren zu haben – oder wird ihn spätestens noch nach dem Schulabschluss verlieren.

Der Wunsch nach etwas Neuem – wo liegt dieser mehr in der Luft als auf der Jobs for Future, die jährlich auf dem Messegelände in Schwenningen stattfindet. Jungs und Mädels tummeln sich zwischen Ständen, hier und da werden Flyer verteilt. Die Hoffnung der Aussteller, es mit ihren Give-Aways bis ins Wohnzimmer potenzieller Bewerber zu schaffen und dort nicht im Mülleimer zu landen, haftet an jeder Tüte, die sie den Besuchern mit auf den Weg geben.

Doch oft steht bei den Jugendlichen der Wunsch, Weg aus der Doppelstadt und raus in die Welt, an erster Stelle. Es kann nicht schnell genug gehen, endlich einen "neuen Lebensabschnitt" anzufangen. Bei der Frage "Hier bleiben oder weggehen?" entgegnet Celine Läufer ohne groß nachzudenken "weg". Eine große Stadt, viele Möglichkeiten, schwärmt die 15-Jährige. "Hier ist alles schon bekannt", unterstützt sie ihre Mitschülerin Alison Stark. Medizin stehe auf ihrer beruflichen Wunschliste, wenn sie in drei Jahren vom Gymnasium am Hoptbühl in Villingen geht. Dass Großstädte mehr Möglichkeiten eröffnen, zeigt sich bei vielen Jugendlichen in den Köpfen verankert. "Wir müssen die Vorzüge der Region noch stärker herausstellen, um top ausgebildete Fachkräfte hier her zu bekommen", kennt Hakenjos-Boyd die Problematik. Es fehlen Azubis. 

30 bis 40 Prozent junge Leute könnten etwa die Schornsteinfeger noch aufnehmen, bedauert Sascha Dominke. Der Schornsteinfegermeister betont, dass mit dem jetzigen Stand an Auszubildenden die nächsten Jahre kaum abgedeckt werden könnten. Viele Kollegen verabschieden sich bald in den Ruhestand, der Nachwuchs allerdings bleibe aus. Zwei bis drei Lehrlinge kommen aktuell auf etwa 60 Schornsteinfeger im Schwarzwald-Baar-Kreis. Darunter zählen die Meister jeweils mit ihren Mitarbeitern. Viele Jugendliche wüssten oftmals auch nicht, was der Beruf Schornsteinfeger alles mit sich bringe. Denn mit neuen gesetzlichen Regelungen habe sich der Kaminfeger zum Energieberater weiterentwickelt. "Bis der Heizungsmonteur kommt, sind wir Berater", erklärt Dominke. Er finde es schade, dass diese Eigenschaften oft übersehen werden. Der Beruf sei im Laufe der Jahre interessanter geworden.

Das viele Jugendliche Großstädte vorziehen, empfinde Dominke als Trend. "Ob das immer sein muss, weiß ich nicht." Schließlich bekommt man seiner Meinung nach auch hier in der Region viel geboten. Und der Schwarzwald-Baar-Kreis, ergänzt Dominke, sei gar nicht so ländlich aufgestellt. Probleme sehe er eher darin, dass oft Abitur und Studium als ein Muss verkauft werden. Was ja nicht falsch sei, aber: "Der kleine Handwerker-Beruf bleibt auf der Strecke."

Auch in ihrer Rede forderte Hakenjos-Boyd zu einer "Imageveränderung der Berufe in Industrie, Handel, Dienstleistungen und Handwerk" auf. Es brauche ein Umdenken in Richtung Lehre und weg von dem Glauben, dass "einzig und allein Abitur und Studium bedeutsam sind". Dabei betonte sie, dass vor allem die duale Ausbildung mehr Aufmerksamkeit verdiene – von Seiten der Unternehmen und des Nachwuchses.

"Weil man hier schon alles kennt", begründet Eveline Bewer ihre Entscheidung. Zieht es sie also auch in eine Großstadt? Nein. Für die 14-Jährige ist genau das ein Argument, um hier zu bleiben und eine Ausbildung in der Umgebung zu machen. "Man ist hier sicherer", unterstützt sie auch ihre 15-Jährige Klassenkameradin Anastasia Diamantidou. Beide sind sich in Sachen Zukunft einig – zumindest der naheliegenden, die nach dem Abschluss nach der Friedenschule folgt: Ausbildung in der Region. Aber – danach darf es dann auch gerne weiter weg gehen, gesteht Bewer. Dann darf es auch "was Größeres" sein.

"Ich könnte auch hierbleiben", entgegnet hingegen Sude Naz Gökde, nachdem die anderen vier Klassenkameradinnen sich für eine Zukunft in der Großstadt ausgesprochen haben. Für die 14-Jährige zähle schließlich die Stelle mehr als der Standort. "Wo es halt am besten ist." Man müsse nur gut verdienen und die Freude an der Arbeit müsse da sein, dann kann sich Sude Naz Gökde auch eine Zukunft im Lehramt, der Medizin oder Pflege hier in der Region vorstellen.

Größeres nimmt sich auch Jörn Salzwedel vor. Den 16-Jährigen zieht es nach England. Kultur und Sprache haben es ihm angetan. Im nächsten Jahr ist er fertig. Mit dem Abschluss in der Tasche soll es dann zum Studieren – wenn England nicht klappen sollte – zumindest in eine Großstadt gehen.

"Da fühle ich mich einfach wohler." Und praktischer zum Leben sei es auch. In Brigachtal, wo er wohne, sei es schließlich nicht wie in einer Großstadt. Die Nähe zu Geschäften und Freunden fehle. Aber selbst, wenn künftig kürzere Wege geschaffen werden sollten, das Leben in der Großstadt habe einfach eine andere Atmosphäre.