Aufgrund der Krise gehen die Einzeleinsätze für die Polizei auf der Straße zurück. Allerdings sind mehr Kontrollfahrten, wie hier in der Villinger Innenstadt, notwendig, um die Einhaltung der Landesverordnung zu überprüfen. Foto: Eich

Corona-Krise beeinflusst Arbeit der Polizei. Viele Betrüger unterwegs. Bei häuslicher Gewalt droht deutlicher Anstieg.

Villingen-Schwenningen - Die derzeitige Corona-Krise hat auch Auswirkungen auf die Kriminalität. Während Einbrecher momentan schlechte Karte haben, versuchen Betrüger aus der Situation Profit zu schlagen. Befürchtet wird darüber hinaus ein Anstieg bei der häuslichen Gewalt.

Fast tägliche Einbrüche, verdeckte Ermittlungsarbeit der Polizei in betroffenen Wohngebieten und Nachbarschaftshilfe, um gegen die Ganoven gefeit zu sein: Während vor wenigen Wochen insbesondere im Schwarzwald-Baar-Kreis und Villingen-Schwenningen das Thema Wohnungseinbrüche noch in aller Munde war, ist es nun angesichts der Corona-Krise fast von der Bildfläche verschwunden. Verständlicherweise. "Die Menschen sind mehr daheim, deshalb gibt es auch weniger Einbrüche", weiß Polizeisprecher Dieter Popp hierzu zu berichten. Gänzlich Entwarnung in diesem Bereich vermag er aber nicht zu vermelden. Denn die Polizei registriert, dass die Einbrecher nun vermehrt andere Objekte ins Visier nehmen, "insbesondere im Gastronomiebereich, da hier derzeit viele Stätten verwaist sind."

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Die Polizei reagiere aber darauf und schlage hierbei gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Denn im Rahmen der Kontrollfahrten hinsichtlich der Einhaltung der Landesverordnung, welche den Betrieb von Gaststätten jeder Art – außer, wenn Speisen mitgenommen oder bestellt werden – untersagt, könne auch kontrolliert werden, ob möglicherweise Ganoven dort ihr Unwesen treiben.

Weniger Diebstähle

Überhaupt würden derzeit die Einzeleinsätze für die Beamten auf der Straße zurückgehen. Weniger geöffnete Geschäfte bedeutet zugleich ein Rückgang von Ladendiebstählen, während die nachlassende Frequenz im öffentlichen Raum dazu führt, dass beispielsweise auch weniger Verkehrsunfälle verzeichnet werden.

Es wäre jedoch laut dem Polizeisprecher ein Trugschluss, dass die Beamten weniger zu tun hätten. Aber statt Anzeigen aufzunehmen, gehe es im Moment insbesondere darum, Kontrollfahrten durchzuführen. "Die Polizei hat nicht wenig zu tun – die Aufgabe verschiebt sich derzeit nur", so Popp.

Vermehrt Betrugsfälle

Das macht auch der Blick in den Bereich des Betrugs deutlich. Dort verzeichne man derzeit einen drastischen Anstieg. Die Kriminellen würden dabei gezielt mit der derzeitigen Angst der Menschen spielen. "Da wird zum Beispiel erzählt, dass Mitarbeiter des Robert-Koch-Institutes oder Mitarbeiter des Gesundheitsamtes verseuchte Geldscheine abholen möchten", erzählt der Polizeisprecher von einem Fall.

Und auch der Weiße Ring, eine Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer, warnt, dass Betrüger die aktuellen Entwicklungen rund um die Coronavirus-Pandemie geschickt ausnutzen, um ihren kriminellen Aktivitäten nachzugehen. So berichtet der Weiße Ring außerdem von einem Rentner, den angeblich sein Enkel anrief und behauptete, er habe sich mit dem Coronavirus infiziert, liege im Krankenhaus und bräuchte dringend Geld für die teuren Medikamente. Der Großvater wurde allerdings stutzig und rief seinen Enkel direkt an – der ließ den Betrug auffliegen, da er kerngesund war.

Vorsicht an der Haustüre

Doch auch Begegnungen an der Haustüre mit Fremden seien mit Vorsicht zu genießen. So sind dem Weißen Ring Fälle bekannt geworden, in denen sich Personen als Mitarbeiter des Gesundheitsamtes ausgegeben haben, die aufgrund eines Corona-Verdachts angeblich die Räume des potenziellen Opfers inspizieren und gegebenenfalls desinfizieren müssten. Während der angebliche Mitarbeiter des Gesundheitsamts das Haus begutachtete, kam ein Komplize durch die angelehnte Haustür geschlichen und nahm Wertsachen und Bargeld mit, berichten die Präventionsexperten des Weißen Rings.

Laut Polizeipsychologe Adolf Gallwitz gebe es immer einen gewissen Prozentsatz in der Bevölkerung, die auf solche Betrügereien hereinfallen, "mit der zusätzlich Angst derzeit ist der Prozentsatz derjenigen, die anfällig dafür sind, noch gestiegen", berichtet der Profiler, der unter anderem an der Polizeihochschule in Villingen-Schwenningen tätig war. "Mit der aktuellen Sorge, Angst und Hysterie geht die Möglichkeit, Geld damit zu verdienen, einher – das nutzen auch Kriminelle", so Gallwitz.

Häusliche Gewalt droht

Beim Blick in die Zukunft könnte die Polizei aber durchaus wieder verstärkt bei Einsätzen eingebunden sein – insbesondere in Wohnhäusern. "Wir haben die Befürchtung, dass es viele Menschen nicht gewohnt sind, auf engem Raum mit ihren Angehörigen zu leben", so Gallwitz. Aufgrund der fehlenden Unternehmung bestehe die Gefahr, dass die Menschen aufeinander losgehen und es zu einem Anstieg bei der häuslichen Gewalt kommt. "Das wird dann an der Familie, dem Partner oder den Kindern ausgelassen", so der Psychologe hinsichtlich seiner Befürchtung.

Er sieht aber auch die Gefahr, dass die Situation für weitere Bevölkerungsgruppen negativen Folgen haben könnte: "Alleinlebende sowie Menschen mit psychischen Auffälligkeiten oder Krankheiten könnten nun destabilisiert werden." Aus seiner Sicht könne die Vereinsamung bei Betroffenen eines bestimmten Alters auch nicht mit sozialen Netzwerken aufgefangen werden.

Polizeisprecher Popp sieht bei der Situation derzeit noch das Positive, dass es keine Ausgangssperre gibt: "Die Menschen dürfen auf die Straße, Familien können sich ausweichen – das könnte in kritischen Fällen für Entspannung sorgen."

Wie kann sich die Bevölkerung vor Betrügern schützen? Und was tun, wenn es daheim zur Eskalation kommt? Unsere Redaktion hat die Tipps der Experten zusammengetragen.

Tipps der Polizei zum Schutz vor Betrug: Sollten Sie telefonisch oder auf der Straße persönlich von angeblichen Polizeibeamten oder Mitarbeitern des Gesundheitsamtes nach Ihren Vermögensverhältnissen gefragt oder gar zur Herausgabe von Geld aufgefordert werden, informieren Sie die Polizei. Geben Sie Personen, die Sie nicht kennen, keine Auskünfte über Ihre persönlichen und finanziellen Verhältnisse. Legen Sie einfach den Telefonhörer auf, sobald Ihr Gesprächspartner nach Ihrem Geld fragt oder dieses sogar von Ihnen fordert. Übergeben Sie niemals Bargeld an unbekannte Personen, auch nicht an angebliche Polizeibeamte oder angebliche Mitarbeiter vom Gesundheitsamt. Weitere Infos: www.polizei-beratung.de

Was der Weiße Ring rät: Jochen Link, der Leiter der Außenstelle Schwarzwald-Baar-Kreis des Weißen Rings rät stets zur Vorsicht, wenn Anrufer Geld fordern. "Seien Sie immer misstrauisch, wenn Personen sich am Telefon als Verwandte oder Bekannte ausgeben, die Sie als solche nicht erkennen", meint er. "Sollten Sie Zweifel an der Identität eines Anrufers haben, der sich als Familienangehöriger ausgibt, legen Sie auf und rufen Sie den angeblichen Bekannten oder Verwandten selbst an", ergänzt Max Bammert, Präventionsbeauftragter des Weißen Rings im Schwarzwald-Baar-Kreis. "Die Angerufenen sollten sich auf keine Diskussion einlassen, denn die Betrüger verfügen in der Regel über eine rhetorische Schulung und einen reichen Erfahrungsschatz, dem überrascht angerufene Menschen meist nicht gewachsen sind", wie Link erklärt. Bammert gibt den Tipp, immer die Polizei zu informieren, wenn jemandem die Kontaktaufnahme verdächtig vorkommt. Beide raten zudem, niemals fremde Personen ins Haus oder die Wohnung zu lassen.

Hilfe bei häuslicher Gewalt: Der Verein "Frauen helfen Frauen" rät bei einer akuten Bedrohung, den Polizei-Notruf 110 zu wählen. Es ist hierbei möglich, Täter für mehrere Tage aus der Wohnung verweisen. Beratung des Vereins gibt es unter der 24-Stunden-Notrufnummer 07721/5 44 00. Weitere Möglichkeiten gibt es unter anderem bei der Psychologische Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen, Kanzleigasse 30 in Villingen, Telefon 07721/5 10 90. Betroffene Kinder, Jugendliche und Elternteile können sich auch an die Nummer gegen Kummer wenden (Telefon: 11 61 11).