Viele Gastronomien überlegen noch, ob sie überhaupt öffnen werden. (Symbolbild) Foto: dpa

Gastronomie vor schwierigem Start. Vorgaben "zu schwammig". Ott-Chef lässt es lieber bleiben.

Villingen-Schwenningen - Mit der Gastronomie wird es sich wohl kommende Woche so verhalten wie mit Schorle und Bier: Viel wird nicht laufen, auch weil einigen die Vorgaben "zu schwammig sind". Denn manche öffnen erst gar nicht. Aufbruchstimmung sieht anders aus.

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Acht Wochen Lockdown, zwei Monate verwaiste Gaststätten und damit leere Kassen, über 60 Tage lang banges Warten auf Lockerungen. Die vorübergehenden Schließungen haben die Gastrobranche besonders schwer gebeutelt. Nicht wenige Inhaber mussten Kredite aufnehmen, manche leben vom Ersparten und bangen weiter um ihre Existenz. Diese Existenzängste sind nicht aus der Luft gegriffen. Michael Steiger, Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes im Kreisgebiet, bleibt bei seiner düsteren Prognose: Rund 30 Prozent der Betriebsinhaber könnte über kurz oder lang die finanzielle Puste ausgehen. "Letztendlich sind wir alle froh, wenn die Gäste wieder kommen", meint Steiger im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten.

Gäste sollen Gastronomie unterstützen

Wichtig ist ihm auch ein Appell an die Klientel: "Wir hoffen auf deren Verständnis und Unterstützung." Denn so wie früher werde es vorerst nicht wieder sein, spielt er auf die typische Lokal-Atmosphäre an, mit vollen Bartheken und Tischen. Abstände von eineinhalb Metern seien einzuhalten, zudem sei eine freie Platzwahl passé, ergänzt Steiger. "Den Gästen werden die Tische zugewiesen." Zudem sollten Gastro-Inhaber ihre Gäste nach deren persönlichen Daten fragen und diese aufnehmen. Ab kommenden Montag dürfen die ersten Betriebe sukzessive öffnen. "Im Vergleich zu anderen Bundesländern" sei der Vorschriftenkatalog noch gut ausgefallen, so Steigers Wertung.

Die Zapfhähne sind verwaist, statt angeregter Unterhaltung in Nischen und an Tischen weit und breit keine Servicekraft, die Pilsgläser und Essen an die Tische bringt. Und zumindest bei Domenico Wittkopf vom "Ott" in Villingen wird das wohl noch eine Weile so bleiben. Die derzeitige Situation verpflichte zu gewissen Auflagen, um den Restaurantbetrieb zu ermöglichen. Aufgrund der baulichen Begebenheiten "ist es uns daher nicht möglich, diesen Auflagen nachzukommen". Das Lokal bleibe deshalb weiterhin geschlossen. An eine Öffnung sei erst zu denken, wenn "permanente Lockerungen dieser Auflagen eintreten".

"Öffnen ist teurer als zulassen"

Für Frank Singer (Salinencafé Schwenningen) ist es glasklar: "Wenn einer rechnen kann, dann öffnet er nicht." Komplette Kosten, ein höherer organisatorischer Aufwand, stehe einer stark verringerten Gästezahl gegenüber: "Wir können vielleicht ein Drittel der Plätze belegen", macht Singer auf das Dilemma aufmerksam. Wie andere hofft auch er jetzt auf weitere Lockerungen. "Ansonsten macht das null Sinn." Oder, wie es ein anderer aus der Branche formuliert: "Öffnen ist teurer als zulassen."

Früher saßen die Gäste Nase an Nase und "jetzt soll ich deutlich weniger Mittagessen verkaufen können?", denkt sich mancher Gastronom. Weniger Gäste heißt eben auch weniger Umsatz. Doch für Michael Steiger tun sich durchaus Alternativen auf, um die Tagesbilanz zu verbessern. Restaurantbesitzer könnten die Essenszeiten ausdehnen und mehrere "Sitzungen" anbieten, schlägt er vor, damit nicht deutlich weniger Gäste aufgrund der Vorgaben einkehren. Zudem könnten Betrieben mit Außenterrassen größere Flächen zugestanden werden. Unterstützung bekomme er bereits von politischer Seite, spielt er auf einen offenen Brief von Marcel Klinge an Oberbürgermeister Jürgen Roth an. Der FDP-Bundestagsabgeordnete aus VS fordert von der Stadt Maßnahmen, um Restaurantbesitzern zu helfen.

Gastronome sind verunsichert

Öffnen, nicht öffnen? Diese Frage hat Bianca Wälde ("Wildpark" in Schwenningen) noch nicht abschließend für sich beantwortet. Draußen, so ihr Plan, soll es jedoch zumindest ab dem Vatertag Bewirtung geben. Ob sie bald auch die Türen zum Innenbereich aufmacht, das entscheide sich am Wochenende. Ihr Problem ist vor allem der Maßnahmenkatalog, der (nicht nur) in ihren Augen recht "schwammig" ausgefallen ist. "Wir warten auf weitere, konkretere Angaben", bekräftigt sie. Nicht nur die Frage nach dem Sicherheitsabstand treibt sie um. Wie vertrage sich die eingeforderte Aufnahme der persönlichen Daten mit dem Datenschutz?

Verunsichert ist auch Klaus Fehrenbach (Café Villa in Villingen). Ihn beschäftigt ebenso das Thema, wie viele Leute nun an einem Tisch sitzen dürfen. "Bald jeden Tag kommt eine neue Verordnung", zeigt er die undurchsichtige Lage auf. Eine "gescheite Personal- und Warenplanung" sei damit unmöglich. Seine Konsequenz: Sein Angebot gibt es zunächst nur zum Mitnehmen.

Wichtig ist nur, "dass unser Betrieb überlebt"

Fünf Minuten von seinem Café entfernt zerbrechen sich Marco und Antonio Garofalo den Kopf über "schwammige Formulierungen" und darüber, wie die Auflagen zu deuten seien. Wenige Wochen vor dem Lockdown hatten sie den "Löwen" in Villingen übernommen. Ab kommenden Dienstag möchten sie wieder ihre Gäste begrüßen. "Mal schauen, wo der Trend dann hingeht", so die beiden. Wichtig ist auch ihnen nur eines: "Dass unser Betrieb überlebt".

Diese Hoffnung hat auch Jan Christoph Uhl nicht aufgegeben, auch wenn er seine beiden Lokationen (Expressguthalle und Ostbahnhof in Schwenningen) noch nicht öffnen darf. "Wir bieten keine Speisen an." Ihm bleibt die Hoffnung auf politische Gespräche Ende Mai und weitere Lockerungen, "denn langsam wird es eng".