Vor dem Bild des Schwenninger Moos im Umweltzentrum: Cornelie Jäger, Referentin, Buchautorin und ehemalige Landesbeauftragte für Tierschutz. Foto: Trenkle Foto: Schwarzwälder Bote

Umweltzentrum: Ehemalige Landesbeauftragte für Tierschutz hält engagierten Vortrag gegen qualvolle Tierhaltung

"Fleischessen können dann nur noch die Reichen!" Solche vorschnellen Urteile sind immer wieder zu hören, wenn es um Überlegungen geht, die Nutztierhaltung tatsächlich tiergerecht zu gestalten.

VS-Schwenningen. Eine Fachfrau, die sich seit Langem mit dem Tierschutz beschäftigt und bundesweit in vielerlei Gremien von Politik und Wirtschaft die gängigen Standards hinterfragt, ist die Tierärztin Cornelie Jäger.

Am Wochenende war die ehemalige Landesbeauftragte für Tierschutz ins Schwenninger Umweltzentrum zu einem Vortrag eingeladen. Ihre Rechnung sieht anders aus als die der vorurteiligen Schätzungen: Zur Finanzierung einer anderen Tierhaltung schlägt Jäger eine Tierwohlumlage vor. "Ja, Fleisch würde hierdurch teurer. Aber nicht ins Unermessliche, sondern gerade mal um 37 Cent pro Kilogramm und Milch um sechs Cent pro Liter Milch." Eine solche Erhöhung müsste es wert sein, damit Tiere endlich so gehalten werden könnten, dass sie nicht litten, so Jäger.

Schnell wurde in den Ausführungen klar, dass bei einer generellen Umstrukturierung der Tierhaltung vor allem kleinere landwirtschaftliche Betriebe profitieren würden – somit tendenziell Höfe wie sie beispielsweise im Schwarzwald-Baar-Kreis vorhanden sind.

Den Bedarf für Tierschutz sieht die approbierte Tierärztin nicht nur bei den Tieren selbst. 82 Prozent der Verbraucher in der EU wollten einen verbesserten Tierschutz. Das Tierwohllabel von Landwirtschaftsministerin Julia Glöckner sei hier ein wichtiger, aber nicht ausreichender Schritt. Gefordert werde eine Kennzeichnung schon seit Längerem, Glöckner hinke der Branche ziemlich hinterher. Selbst Lidl habe sich bereits vor Jahren interessiert gezeigt und mit Cornelie Jäger als damalige Landesbeauftragte Gespräche geführt. Ein "Wandel beim Handel" werde sehr viel bringen, so Jäger. Der Markt habe eine enorme Macht. Eigentlich auch die Landwirtschaftsverbände. "Ich frage mich, weshalb diese allerdings immer wieder solche Vertreter an ihre Spitze stellen, welche letztlich nicht wirklich in deren Interesse handeln." Keinen guten Weg sieht Jäger darin, gänzlich auf Fleisch zu verzichten. "Der löst das Problem nicht, aber so wie bisher kann es auf jeden Fall nicht weiter gehen!" Zwischen den Extremen des Weitermachens ohne Änderung und dem völligen Verzicht gebe es viel zu kommunizieren.

Ein Besucher richtete seine Kritik auch direkt an den Verbraucher: Deutschland sei ehedem schon das Land mit den geringsten Preisen hinsichtlich der Lebensmittel und trotzdem heiße es weiter: "Es darf nichts kosten." Ein Bewusstsein für Lebensmittelqualität, welche auch die dessen Entstehung mit einbeziehe, fehle.

Jäger plädiert für eine stärkere Verbindung zwischen Futtererzeugung und Haltung der Tiere. Eine Landwirtschaft, welche die Futtermittel über tausende Kilometer weit einkaufe und den Tieren dann ohne Sonnenlicht in engen Ställen verfüttere, habe mit Tierschutz wenig zu tun. An dieser Stelle ist der Schnittpunkt zu einem zweiten großen Anliegen Jägers: dem Umweltschutz. Aktuell ist die Einsparung von Kohlendioxid in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.

Mit einer veränderten Tierhaltung könne man sehr viel Kohlendioxid binden. Jäger sieht die Chancen in der Einbringung von Mist auf die landwirtschaftlichen Flächen. Ganz anders als bei heute standardisiert genutzten synthetischen Düngemitteln werde damit das Wasserhaltevermögen des Bodens verbessert, CO2 über Entstehung von Humus gebunden und gleichzeitig die extremen Mengen an Stickstoff verhindert.