In Teilen von VS muss das Wasser weiter abgekocht werden, bevor es getrunken wird. (Symbolfoto) Foto: Berg

Grenzwert für coliforme Keime überschritten. Telefone laufen heiß. Abkochgebot noch mindestens eine Woche.

Villingen-Schwenningen - Familie Müller kocht wie viele andere Betroffene aus VS zurzeit das Wasser ab. Doch nicht nur die Müllers fragen sich: "Wie lange müssen wir das noch machen?" Oder anders gefragt: Wann ist das Wasser wieder keimfrei und kann vom Hahnen direkt ins Glas gefüllt werden?

Die Mitteilung kommt über das Wochenende. In Teilen von Villingen-Schwenningen und Stadtteilen muss ab sofort das Trinkwasser abgekocht werden. Nachdem der Grenzwert für coliforme Bakterien überschritten wurde, hat das Gesundheitsamt des Landratsamtes Schwarzwald-Baar diese bei Maßnahmen in einigen Stadtteilen ausgesprochen.

Anders als in den beiden Vorjahren ist Schwenningen diesmal nicht betroffen, sondern verstärkt der Zentralbereich und zudem die kleinen Stadtbezirke Weilersbach, Obereschach, Nordstetten sowie die Gemeinde Dauchingen. Parallel zum Abkochgebot haben die Stadtwerke Villingen-Schwenningen (SVS) umgehend damit begonnen, das Wasser zu chloren.

Hunderte von Anrufen auf den Hotlines

Die Telefone der SVS-Mitarbeiter stehen kaum still und auch im Gesundheitsamt der Kreisbehörde klingelt das Telefon ständig. Hunderte von Anrufern, auf beiden Hotlines. Am meisten interessiert die Antwort auf die Frage: "Was darf ich, was darf ich nicht? Ebenso wichtig ist vielen betroffenen Bürgern die Info, wann sie mit dem Abkochen aufhören und ihr Wasser wieder direkt aus dem Hahn einfüllen und trinken können. Wann das sein wird? Den genauen Zeitpunkt kann Susanna Schmidt, Pressesprecherin der Stadtwerke VS, auf Anfrage des Schwarzwälder Boten nicht nennen.

Dies dürfte noch ein paar Tage andauern, so Schmidt. "Wir nehmen die Nachproben innerhalb dieser Woche." Die Auswertung jeder Probe benötige jedoch eine gewisse Zeit. "Erst, wenn wir drei aufeinanderfolgende, befundfreie Proben haben, wird das Gesundheitsamt das Abkochgebot aufheben." Dieses Prozedere werde noch mindestens diese Woche in Anspruch nehmen. Landratsamt und SVS werden umgehend informieren, sobald das Gesundheitsamt die Abkochanordnung wieder aufhebe.

Chlorung eine politische Entscheidung

Könnte eine dauerhafte Chlorung helfen, die Situation zu entspannen? Immerhin deutete Jochen Früh, Leiter des Gesundheitsamtes, an, dass generell bereits rund die Hälfte des Trinkwassers gechlort werde. "Eine dauerhafte Chlorung in Villingen-Schwenningen wäre kein Präzedenzfall", bekräftigte er.

Permanent chloren oder nicht: Diese Entscheidung, klärt Susanna Schmidt (Stadtwerke) auf, obliege zum einen dem Aufsichtsrat, da es sich um eine politische Entscheidung handle. Zum anderen halten sich die Stadtwerke an die Trinkwasserverordnung und damit auch an das darin enthaltene Minimierungsgebot, dem Trinkwasser nur das zuzugeben, was unbedingt notwendig ist. "Anders ausgedrückt: Das Wasser soll so rein und ursprünglich gehalten werden wie möglich." Diese Dauerchlorungs-Maßnahme würde gegebenenfalls eng mit dem Gesundheitsamt abgestimmt werden.

Vergiftetes Klima

Dass eine dauerhafte Chlorung das Wasser zwar desinfizieren, dafür aber durchaus auch das örtliche Klima vergiften kann, zeigt ein Beispiel aus Bayern: Im Freistaat spitzte sich der Konflikt zwischen einer für die Wasserversorgung zuständigen Kommune und dem zuständigen Gesundheitsamt derart zu, dass man sich vor Gericht wiederfand. Hintergrund: In einer Gemeinde bei Augsburg wurde ein Abkochgebot angeordnet und dazu eine anschließende Sicherheits-Chlorung. Gemeinderat und Bürgermeister sahen durch diese Anordnungen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Die Kommune prozessierte, verlor jedoch.

Was sagt Wasserexperte Nick Gailer aus Freiburg zu einer permanenten Chlorung? In der Trinkwasserverordnung, so Gailer am Montag, gelte das Minimierungsgebot, also so sparsam wie möglich zu chloren. Doch ob oder nicht, sei letztendlich ein "Abwägungsprozess". Was sei das kleinere Übel: auf eine dauerhafte Chlorung zu verzichten und die Bevölkerung möglichen gesundheitlichen Risiken auszusetzen oder aber permanent zu chloren. Trotz des potentiellen Risikos, dass Desinfektions-Nebenprodukte das Auftreten von Krebs begünstigen oder auslösen. Mit einzubeziehen in die Diskussion sei auch, dass Deutschland vergleichsweise niedrige Chlor-Grenzwerte habe.

Risiko einer Keimbildung verringern

Was können Wasserversorger generell tun, um eine erhöhte Bakterienbildung zu vermeiden? Für den Experten Nick Gailer ist eine intensive Netzpflege das A und O, um die "Leckungsrate signifikant nach unten zu bringen" und damit das Risiko einer Keimbildung zu verringern.

Zurück zu Familie Müller ins Oberzentrum. Alle Familienmitglieder besitzen Smartphones, sind in den sozialen Netzwerken aktiv und haben bereits die NINA-App auf ihrem Handy, die dazu dient, der Bevölkerung wichtige oder und dringende Warnmeldungen zukommen zu lassen. Doch wie sieht es mit Bürgern aus, die keine Smartphones haben und nicht im Netz aktiv sind: Wäre eine Lautsprecherdurchsage nicht sinnvoller gewesen? Dazu Schmidt: "Wir haben uns in enger Abstimmung mit dem Landratsamt gegen die Lautsprecherdurchsage entschieden, da wir keine Krankheitserreger im Trinkwasser haben und keine unmittelbare Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung ausgeht." Zudem seien die Informationen regelmäßig über die Radio-Nachrichten verbreitet worden.

Am entspanntesten sieht man das Thema im Schwarzwald-Baar-Klinikum. "Wir setzen die Chlorungsanlage nach Abstimmung mit dem Gesundheitsamt ein. Das Wasser im Klinikum wird vorübergehend gechlort als reine Vorsorgemaßnahme, ebenso wie 2017 und 2018, als es belastetes Trinkwasser gab, so Kliniksprecherin Sandra Adams.