Kölner Oberlandesgericht gibt Jura-Student Markus Frohnmaier bei Mitvergewaltigungs-Zitat recht.
Villingen-Schwenningen/Tübingen/Köln - Eine Meinung darf polemisch und überspitzt formuliert werden. Nur wenn die Würde einer Person angetastet, sie beleidigt oder mit Schmähkritik überzogen wird, muss die Meinungsfreiheit zurückstehen. So lautet die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts.
Neben dem "Fall Böhmermann" steht derzeit ein weiterer Rechtsstreit um die Meinungsfreiheit im Fokus. Dabei wird scharf geschossen: Zuerst hatte Markus Frohnmaier, AfD-Landtagskandidat, die Grünen-Politikerin Claudia Roth öffentlich angegriffen. Er bekam jetzt vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln recht, muss sich aber vor Morddrohungen fürchten.
Seit einigen Tagen sieht der so prominent gewordene 25-Jährige sich mit Morddrohungen konfrontiert. Anlass für die Auseinandersetzung mit Roth zuvor waren die Vorfälle in der Silvesternacht in Köln, als Frauen von jungen Männern mit Migrationshintergrund sexuell belästigt und bestohlen wurden. In der ARD-Sendung "Kontraste" hatte der Student aus Tübingen, der für den Schwarzwald-Baar-Kreis kandidierte und auch Mitglied des AfD-Landesvorstandes ist, Claudia Roth eine Mitverantwortung an den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht vorgeworfen. Der Anlass: Ein Facebook-Posting, das Frohnmaier am 4. Januar hochgeladen hatte, zeigte ein Foto von Claudia Roth mit dem Spruch "Ach wäre ich Neujahr nur nach Köln gefahren."
Wörtlich hatte Frohnmaier in der Sendung erklärt: "Meiner Meinung nach haben Leute wie Claudia Roth hier mittelbar mitvergewaltigt." Die 60-Jährige hatte daraufhin den bekannten Medienanwalt Christian Schertz eingeschaltet, der bereits Bettina Wulff, Günther Jauch und Thilo Sarrazin vertreten hat. Schertz verlangte, dass Jura-Student Frohnmaier eine Unterlassungserklärung unterschreiben solle.
Außerdem hatte die Grünen-Politikerin im Polit-Talk mit Maybritt Illner im ZDF, dessen Thema Integration der Flüchtlinge sein sollte, vom AfD-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen eine öffentliche Entschuldigung Frohnmaiers verlangt. Die Fotomontage auf Facebook suggeriere: "Schade, dass man die Roth nicht gleich mitvergewaltigt hat", so die Bundestagsvizepräsidentin bei "Maybrit Illner". Zwar seien auch andere Interpretationen des vieldeutigen Posts denkbar, es bleibe aber eine inakzeptable Geschmacklosigkeit. Das Gleiche gelte für Frohnmaiers Statement, dass "Leute wie Claudia Roth" aufgrund ihrer politischen Einstellung in Köln "mittelbar mitvergewaltigt" hätten.
Meuthen hatte Claudia Roth zwar grundsätzlich recht gegeben, aber auf das jugendliche Alter Frohmaiers verwiesen. Der angehende Jurist selbst wies die Vorwürfe zurück und ließ in einer Presseerklärung auf Facebook verlauten, dass die Politikerin "nicht im juristischen, sondern in einem übertragenen Sinne mitvergewaltigt" habe. Die Bundestags-Abgeordnete des Wahlkreises Augsburg stehe nämlich "stellvertretend für die "irrsinnige Willkommenskultur und Multi-Kulti-Ideologie im Lande".
Auch Frohnmaier nahm einen Promi-Anwalt: Er ließ sich von Ralf Höcker vertreten, der unter anderem Anwalt Jörg Kachelmanns war.
Jetzt ist es entschieden: Die Bundestagsvizepräsidentin hat letztinstanzlich gegen Frohnmaier eine gerichtliche Niederlage erlitten. Das OLG Köln schloss sich der Auffassung des Landesgerichts Köln an, das zuvor eine Unterlassungsverfügung Roths gegen Frohnmaier abgewiesen hatte. Roth hatte dagegen eine Beschwerde eingereicht und wollte in nächster Instanz gegen Frohnmaier vorgehen.
Äußerung ist nicht als unzulässige Schmähkritik einzustufen
Der AfD-Mann sah sich rundum im Recht. Er gehe davon aus, dass er gewinne, sagte er bereits Anfang März im Gespräch mit unserer Zeitung. Nun wurde er in dieser Auffassung bestätigt. Das Oberlandesgericht berief sich in seinem Beschluss vom 4. April auf die Meinungsfreiheit. Frohnmaiers Äußerung sei eine "vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit" erfasste Meinungsäußerung und nicht als "unzulässige Schmähkritik" einzustufen, so das Gericht in seiner Begründung.
Im selben Atemzug stellte es jedoch fest, dass der Ausspruch Frohnmaiers "zwar polemisch-provokant und überspitzt" formuliert sei und das im Vorfeld des Landtagswahlkampfs zu einem kontrovers diskutierten Thema. Gerade auch weil Frohnmaier, dem das Gericht eine "plakative Wortwahl" zuschrieb, unmittelbar klargestellt habe, "dass seine Äußerung im übertragenen Sinne gemeint sei", sei sie "noch sachbezogen und stehe bei ihr keine persönliche Diffamierung der Antragstellerin im Vordergrund". Es sei nicht sein primäres Ziel, Roth "als Hass-Figur für rechtskonservative Wählerkreise zu inszenieren". Kurz: Roth habe Frohnmaiers Äußerung "hinzunehmen".
Der 25-Jährige wurde an seinem Wohnort inzwischen Opfer von Hauswandschmierereien. Erst wurden seine Autoreifen zerstochen, dann wurde der Briefkasten mit Bauschaum gefüllt. Schließlich erhielt er Morddrohungen per E-Mail. Die Täter vermutet Frohnmaier allerdings nicht bei den Grünen, sondern sieht einen Zusammenhang mit dem "Antifa-Lager". Der Staatsanwalt ermittelt gegen unbekannt, und der Student zieht jetzt erst einmal um. Seine neue Adresse will er geheim halten.