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Nicht jeder Waldbesitzer reagiert verständnisvoll auf Schreiben aus dem Forstamt.

Villingen-Schwenningen - Bei manchen Antwortschreiben könnte es aus Roland Brauner herausfahren: Mein lieber Freund und Kupferstecher! Denn wenn Mitglieder der Borkenkäferfamilie im Privatwald hausen, dürfe das Privatwald-Eigentümern nicht egal sein.

Das Jahr 2019 wird erneut als herausragendes Borkenkäferjahr eingehen. Um so sorgfältiger prüfen die Mitarbeiter des städtischen Forstamtes in VS um Amtsleiter Tobias Kühn und seinen Stellvertreter Roland Brauner mögliche befallene Bäume. Brauner, flankiert von den Hündinnen Gretchen und Luna, holt ein Formular heraus, das in Käfer-Hochzeiten an knapp zehn Prozent der etwa 380 Privatwaldbesitzer im Oberzentrum geht. Per Einwurfschreiben landet bei diesem kleinen Teil der Eigentümer eine Aufforderung im Briefkasten: Auf Ihrem Waldgrundstück sind "aktuell neue Schäden durch Borkenkäfer aufgetreten". Die wirksamste Maßnahme sei der sofortige Einschlag und die Entrindung der Bäume sowie ein zügiger Abtransport aus dem Wald. Daher auch die Mahnung, bis zum Tag X den Holzeinschlag vorzunehmen, schon mit Rücksicht auf die umliegenden Nachbarn, die im Falle eines Nicht-Reagierens Schadensersatzansprüche geltend machen können. "Wenn diese Eigentümer ihren Wald kaputt gehen lassen, betrifft das auch andere", erläutert Brauner. Bei Zuwiderhandeln können schon mal Bußgelder in Höhe von 2500 Euro fällig werden, ganz abgesehen davon, dass "wir dann tätig werden, reingehen und hauen". Betriebliche Forstgemeinschaften gibt es zwar nicht im Umfeld der Doppelstadt, aber der Forst bietet Pflegeverträge an, rund 20 Prozent der Privaten nimmt diesen Service auch an. Zudem gibt es über das Forstamt Hilfen, wenn Besitzer beispielsweise kein Gerät haben, um Bäume zu bearbeiten oder aus dem Wald herauszuziehen. "Wir arbeiten mit guten wie zuverlässigen Unternehmen zusammen."

Bohrmehl sagt alles

Roland Brauner stapft durch das Unterholz. Der Forstexperte zeigt auf eine Fichte auf privatem Terrain: Sofort springen ihm deutliche Zeichen eines Käfer-Befalls ins Auge: schütter werdende Benadelung, Harzaustritt, Bohrmehl am Stamm. Schreibt er in der Folge Waldbesitzer an und macht auf den Befall aufmerksam, können schon mal Reaktionen vorkommen wie "Ist doch nicht mein Problem", "Ich habe den nicht gezüchtet" oder "Ich kann doch nichts für den Käfer". Was sagen Privatwaldbesitzer auf Anfrage unserer Zeitung: "Ja, solche gibts". Diese Gleichgültigkeit erklärt ein Landwirt damit, dass Abstransport und Bearbeitung der befallenen Bäume eben ein "saumäßiges Geschäft" mitunter seien, vor allem wenn viel Fläche im Spiel sei: "Dann wird man nicht mehr Meister."

Mancher blickt nicht durch

Doch auch das Geld spiele eine Rolle. Ein Grund für das zurückhaltende Verhalten mancher Privatwaldbesitzer könnte der Preisverfall befallener Bäume sein: Wer angefressenes Holz ins Sägewerk bringe, mache derzeit keinen Gewinn mehr und müsse in manchen Regionen so viel bezahlen, wie er letztendlich herausbekomme, so Experten. Die meisten jedoch sind eher dankbar für Hinweise und reagieren prompt. Was den Forstleuten jedoch auffällt: "Einige wissen gar nichts über ihren Wald" und damit auch nicht, wie man mit geerbter Waldfläche umgehe. "Doch Eigentum verpflichtet", nicht nur wenn sich Mitglieder der Borkenkäferfamilie, genauer gesagt Buchdrucker und Kupferstecher, an der Fichte gütlich tun und sich der kleine Tannenborkenkäfer an Tannen in die Rinde hineinbohre, bekräftigt Brauner "Vielen ist auch nicht bewusst, dass sie eine Verkehrssicherungspflicht gegenüber Dritten, beispielsweise an öffentlichen Straßen, haben". Manche, treibt es Brauner auf die Spitze, wissen nicht mal genau, wo ihre Hektar Wald liegen. Aus diesem Grund schreibt das Forstamt immer wieder Waldbesitzer an und fragt, ob diese verkaufen wollen. Seit Kühn und Brauner vor gut zehn Jahren ihre Arbeit aufgenommen haben, sind bereits zehn Prozent des Gesamtbestands von rund 800 Hektar, von Privaten ins Eigentum der Stadt übergegangen.

Wenn es um die Zahl eher renitenter Privatwaldbesitzer geht, kann sich Brauner zwar entspannt zurücklehnen, doch der "angerichtete Schaden kann dennoch groß sein, wenn nicht umgehend gehandelt wird", in der Regel binnen einer Woche. Insgesamt beträgt der Kleinprivatwald-Anteil in VS gut 800 Hektar, hinzu kommen 1300 Hektar, die im Besitz des Hauses Fürstenberg sind und für die das Forstamt hoheitlich zuständig ist. Im Stadtforst betreut das Gespann Kühn und Brauner mit den sechs Revierleitern und weiteren Mitarbeitern, ein Gebiet von rund 8000 Hektar Wald.

Die regnerischen Augusttage sind zwar für die Forstleute ein Segen. Doch die Käfer-Gefahr ist noch lange nicht gebannt. Mit Sorge sehen die Forstleute die direkten Folgen des außergewöhnlichen Borkenkäfer-Jahres: Der Erlös für das Festmeter Holz ist gesunken. Ans kommende Frühjahr denkt Brauner auch nicht besonders gerne angesichts der außergewöhnlichen Käferpopulationen mit bis zu drei Generationen in einem Jahr, normalerweise sind es eine oder maximal zwei Generationen. Wie problematisch das Jahr 2019 war, zeigt sich, wenn die Insekten wieder aus dem Winterschlaf erwachen. Dann dürfte sich auch schnell zeigen, wie viele der prognostizierten Milliarden Tierchen – ein weiblicher Käfer kann im Extremfall innerhalb eines Jahres bis zu 100.000 Nachkommen haben – über den VS-Wald herfallen.

Eine Frage der Zeit

Und: Das Problem wird dadurch nicht besser, dass der Wald, mangels Niederschlägen, stark geschwächt in den Herbst und Winter geht. Durch durchdachte Bepflanzung gerade von robusteren Bäumen wie Douglasien versucht der Forst zwar gegenzusteuern. "Aber das braucht alles Zeit, ein nachhaltiger Umbau geht nicht von heute auf morgen."