Der Streifenbeamte Markus Danner wird die Bodycam am Mittwoch erstmals im Einsatz tragen. Foto: Heinig

"Objektives Mittel" von Beamten lange ersehnt. Groß wie eine Zigarettenschachtel. Sichtbar befestigt.

Villingen-Schwenningen - "Heute ist ein guter Tag". Gerhard Regele, Chef des Polizeipräsidiums Tuttlingen, macht keinen Hehl daraus, dass man die Einführung der Bodycam für Streifenbeamte seit Jahren sehnsüchtig erwartet. Ab Mittwoch werden die ersten Polizisten sie tragen.

Sie ist nicht einmal so groß wie eine Zigarettenschachtel und wird sichtbar am Revers befestigt. Bei einem Einsatz kann sie vom Beamten auf Knopfdruck aktiviert werden und zeichnet 60 Sekunden lang Bild und Ton auf – das sogenannte "Pre-Recording". Erst wenn der Polizist danach noch einmal zur Kamera greift, zeichnet sie länger auf, wenn nicht, schaltet das Gerät ab und löscht die ersten Aufzeichnungen.

Zum Einsatz der Bodycam in Baden-Württemberg war es ein langer Weg. Seit 2012 beobachtete man das wachsende Phänomen der körperlichen und verbalen Gewalt gegen Ordnungskräfte. 2018 gab es allein im Einsatzbereich des Polizeipräsidiums Tuttlingen 181 Straftaten, die Fälle von Beleidigungen ausgenommen, davon 56 im Schwarzwald-Baar-Kreis und 38 in Villingen-Schwenningen. "Dabei wurden 103 Polizeibeamte verletzt", sagt Polizeipräsident Regele. In anderen europäischen Nationen und auch in etlichen deutschen Bundesländern ist der Einsatz von Bodycams längst Routine. In Baden-Württemberg musste dafür zunächst das Polizeigesetz ergänzt werden. Das geschah 2016. Die Suche nach einem Hersteller von Bodycams war 2017 noch erfolglos, erst ein Jahr später wurden von der Firma "Axon" alle Hard- und Softwareanforderungen erfüllt. Nach Pilotphasen in Stuttgart, Mannheim und Freiburg gab es aus dem Ministerium endlich grünes Licht. Jetzt endlich erhielt auch das Tuttlinger Präsidium 92 Bodycams für seine 14 Reviere.

Das Innenministerium investierte 1,8 Millionen Euro in landesweit 1350 Exemplare. Ihr Einsatz werde nicht nur positiv gesehen, weiß Regele. Kritiker monieren die Erhebung persönlicher Daten. Er sehe darin dagegen "ein objektives Mittel zur Entscheidung, es war so und nicht anders". Eine juristische Aufarbeitung relevanter Daten liege danach einzig und allein in den Händen der Staatsanwaltschaft. Die allermeisten Bilder werden spätestens nach 28 Tagen gelöscht, eine Manipulation ist ausgeschlossen. Die Ahndung von Straftaten stehe nicht im Fokus, betont Sven Reuter vom Sachbereich Einsatzplanung. Die Hoffnung liege eher auf der abschreckenden und deeskalierenden Wirkung der Körperkamera – "und die ersten Erfahrungen gehen in diese Richtung". Die Bodycam, die die Beamten offen tragen und auch extra auf sie hinweisen, soll Gewalttäter zurückhalten, sofern diese "kognitiv steuerungsfähig", also nicht alkoholisiert sind oder unter Drogen stehen. Zum Einsatz kommen darf die Kamera laut baden-württembergischem Polizeigesetz, allerdings nur "an öffentlich zugänglichen Orten", aber nicht in Wohnungen, in Betriebs- oder Geschäftsräumen, das heißt, auch nicht in Kneipen. "Darüber sind wir nicht glücklich", sagt Gerhard Regele. Denn genau dort seien die Beamten den Angriffen am häufigsten ausgesetzt. "Nordrhein-Westfalen ist da schon weiter", weiß Regele, "aber wir arbeiten daran". Gearbeitet wird, betreut von der Polizeihochschule, auch an den Erkenntnissen zur Wirksamkeit der Bodycams. Die Begleitung von Beamten, Interviews und Fragebögen sollen im Februar 2020 in eine Evaluation münden.