Siebtklässler erleben bei Projekt "Handicap macht Schule" wie anstrengend Sport ohne Augenlicht sein kann.
VS-Schwenningen - Wie kann man blind Fußball spielen, wenn man den Ball und die Mitspieler nicht sieht? Das sollte die Klasse 7 der Waldorfschule Schwenningen im Rahmen eines besonderen Projekts erleben.
"Handicap macht Schule" heißt das Projekt des württembergischen Behindertenverbands, für das sich die katholische Religionslehrerin Christine Rösch-Isak laut Mitteilung beworben hatte. Der Trainer für Blindenfußball, Benjamin Zoll, war eigens dafür von Stuttgart an die Waldorfschule gekommen. Hauptberuflich arbeitet er als Lehrer an der Nikolauspflege in der Landeshauptstadt, einer Stiftung für blinde und sehbehinderte Menschen. Dort unterrichtet Zoll Kinder mit allen Arten von Seheinschränkungen bis hin zur völligen Blindheit.
"Kinder, die blind geboren sind", berichtete er, "vermissen das Augenlicht überhaupt nicht, weil sie die Welt nicht anders kennen." Schlimm sei es aber für Jugendliche, die in der Pubertät eine Netzhautablösung bekommen und innerhalb eines Jahres ihre ganze Sehkraft verlieren.
"Ich habe Sport studiert und alle Sportarten gelernt", stellte er sich den Schülern vor, "aber ich habe nicht gewusst, wie Blinde ticken." Um das zu erfahren, habe er sich blind von einem blinden Freund durch Stuttgart führen lassen. Das war für ihn eine mittlere Katastrophe, wie es weiter heißt.
Um Blindenfußball zu erlernen, habe er ein Jahr lang alle Länder besucht, in denen dieser gespielt wird. Er wurde dann C- und Athletiktrainer der Blindenfußball-Nationalmannschaft. Seither ist Zolls großes Anliegen auch, das Miteinander von Menschen mit und ohne Sehbehinderung im Sport in die Praxis umzusetzen.
"Das Wort Inklusion darf für euch kein Fremdwort mehr sein" betonte er. Die Schüler mit ihren beiden Lehrerinnen Hildegard Kortmann und Uta Birkenberg nickten demnach wohl wissend. Die Inklusion an der Waldorfschule Schwenningen ist schon seit Jahren etwas Normales.
Für das Blindenfußballtraining hatte der Sportpädagoge für alle Blindenbrillen mitgebracht. Diese gleichen dem Aussehen nach Skibrillen. Die größte Überraschung aber waren die rasselnden Blindenfußbälle, die blind im Kreis herumgegeben werden sollten. Die Bälle zu hören, erforderte von den "blinden" Schülern höchste Stille und Konzentration.
Rasselnder Ball muss ständig am Fuß gehalten werden
Wie sich 35 Nicht-Sehende in einer Sporthalle frei bewegen können, ohne sich gegenseitig umzurennen oder gegen die Wand zu laufen, erklärte Benjamin Zoll so: "Haltet die Arme und Hände vor eurem Körper in Abwehrhaltung, um euch zu schützen und ruft ständig leise das Wort ›Voy‹. Das ist Spanisch und heißt ›Ich komme!‹" Einem summenden Riesenbienenschwarm gleich schwärmten die Schüler daraufhin aus, in größter Vorsicht, sich nicht zu verletzen. Zur freien Bewegung kam dann noch das Dribbling mit dem Ball hinzu, was hieß: Das rasselnde Leder musste ständig am Fuß gehalten werden. Ohne Ballkontakt ist der Ball für einen Blinden verloren. Da brauchte es doch noch sehende Partner, die den Blinden immer wieder die Bälle zuspielten. Zu einem Mannschaftsspiel kam es leider nicht mehr. Doch dafür müssten die Schwenninger Schüler laut Zoll auch noch viel trainiere.
Auch wenn für sie das Tranining ein Spaß gewesen sei – für wirklich Blinde sei es kein Zuckerschlecken. Deshalb beträgt eine Halbzeit lediglich 20 Minuten. Die Mannschaften bestehen aus acht Feldspielern, zwei Torhütern, die sehen dürfen, und zwei Rufern (Guides), die hinter den Toren stehen und den Blinden zurufen, damit sie wissen, wo das Tor ist. Von 100 Blinden betreiben vielleicht drei die anstrengende Sportart, meinte Benjamin Zoll.
Die Schülerinnen Anna, Clara und Marie formulierten am Ende ihre Erfahrungen so: "Wir fanden das Training sehr cool und sehr lustig. Wir glauben, die Klasse hat aber auch verstanden, wie schrecklich es sein muss, blind zu sein."
Zum Dank für den Einsatz des Trainers, gab Klaus Ketterer, der Geschäftsführer der Waldorfschule Schwenningen, ihm eine Spende für das Projekt "Handicap macht Schule" mit auf den Weg.