Das Logo des Leuchtenherstellers Hess ist am ehemaligen Hauptsitz der Hess AG und jetzigem Firmensitz der Hess GmbH Licht + Form zu sehen. Die Hess GmbH Licht + Form ging nach der Insolvenz des Unternehmens aus der AG hervor und wurde mittlerweile vom Leuchtenhersteller Nordeon übernommen. Foto: Murat

Börsengang von Leuchtenhersteller Stoff für Gericht. Es geht um Millionen und gut 600 Gläubiger.

Villingen-Schwenningen/Mannheim - Als die Hess AG aus Villingen-Schwenningen im Oktober 2012 an die Börse drängte, sah alles nach einem Wirtschaftsmärchen um einen Leuchtenhersteller aus dem Schwarzwald aus. Doch das sollte sich ändern.

Hess war einer der wenigen Mittelständler, gar der einzige der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg, der diesen mutigen Schritt in dieser Zeit wagen sollte. Doch nun, acht Jahre später, ist die mittlerweile zerschlagene Aktiengesellschaft die Kulisse für einen Wirtschaftskrimi: Es geht unter anderem um die vorgeworfene unrichtige Darstellung nach dem Handelsgesetzbuch. Schauplatz des Prozesses ist seit Mittwoch die Große Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht in Mannheim.

Anklage: Vorstände haben manipuliert, um Braut aufzuhübschen

Es geht um Millionen und um über 600 Gläubiger. Auf der Anklagebank in Mannheim nahmen am Mittwoch die beiden ehemaligen Vorstände der Hess AG, Christoph Hess (47) und Peter Ziegler (52), Platz, sowie Ulrich W. (63), damaliger Alleingeschäftsführer einer der vielen GmbHs, die zu dem weit verzweigten Firmenkonstrukt Hess AG gehört haben. Laut Anklage sollen die Vorstände die Bilanzen manipuliert haben, um die Braut vor dem Börsengang aufzuhübschen.

Tatsächlich seien die Umsätze und Ergebnisse jeweils deutlich geringer ausgefallen. Scheinrechnungen, fiktive Entwicklungskosten und nicht bestehende Umsatzerlöse sollen die Instrumente gewesen sein, um die Zahlen des Leuchtenherstellers im besseren Licht dastehen zu lassen. Ulrich W. soll "in das System der Erstellung und Begleichung von Scheinrechnungen (…) in einem Einzelfall eingebunden gewesen" sein, so der Vorwurf – er habe gewusst und gebilligt, sagte der Staatsanwalt, dass es sich bei den angegebenen Rechnungen um Scheinrechnungen gehandelt habe.

Wie kompliziert die Sache ist, zeigten stattliche 77 Aktenordner, die in Saal 1 hinter dem Vorsitzenden Richter Oliver Ratzel bei der Großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Mannheim auf einem Regal aufgereiht waren. Volle zwei Stunden lang wurde von den Staatsanwälten Uwe Siegrist und Christina Arnold zudem die Anklageschrift verlesen. Demnach war die Ausgangslage für den Börsengang im Oktober 2012 nicht rosig – mittels Scheingeschäften und dergleichen sollen allen anderen voran die beiden im Januar 2013 geschassten Geschäftsführer die Zahlen geschönt haben – auch um einen Großaktionär, der später 20 Prozent der Firmenanteile gehalten haben soll, bei der Stange zu halten, aber ebenso um den Börsenprospekt lukrativer zu gestalten.

Nicht nur Anleger, auch Banken zählten zu den Leidtragenden

Immer wieder neue GmbHs unter dem Mantel der Aktiengesellschaft hätten als Adressaten, aber auch Auftraggeber von Rechnungen gedient. Häufig sei verschleiert worden, dass den Rechnungen "keine tatsächlichen Bestellungen zugrunde lagen", sagte Siegrist: "Die Hess AG bezahlte damit von ihr ausgestellte Rechnungen selbst." Besonders massiv eingebrochen sei das tatsächliche Geschäft im dritten Quartal 2012, also unmittelbar um den Börsengang herum. Bis Ende 2012 sollen die Umsatzerlöse alleine für 2012 um über 9,3 Mio. Euro, die Ergebnisse um fast 5 Mio. Euro manipuliert worden sein – auch 2011 geht die Staatsanwaltschaft von millionenschweren Manipulationen aus.

Doch nicht nur Anlieger seien so getäuscht worden, auch Banken zählten zu den Leidtragenden – denn das nötige Kleingeld in Millionenhöhe, so der Vorwurf, sollen die ehemaligen Hess-Chefs per Kreditbetrug mit eben solchen falschen Bilanzen, Umsatzzahlen und prophezeiten rosigen Geschäftsentwicklungen auch als Darlehen bei Banken eingesammelt haben. Die Hess AG hingegen war bald schon viel weniger wert – startete die Aktie in Frankfurt mit einem Börsenpreis in Höhe von 15,60 Euro, stürzte sie am Tag X im Januar 2013, als der Bilanzskandal öffentlich geworden war, auf 5,80 Euro.

Der Verfall der Hess AG wird das Kernthema im Wirtschaftskrimi vor dem Mannheimer Landgericht bleiben – noch weitere 35 Verhandlungstage sind angesetzt.