Widmeten sich der Geschichte der Familie Boss (von links): Lehrer Heinrich Schidelko und seine Schüler Sophia Plotzitza, Emilie Brugger, Daniel Haas und Isabel Allgeier von den St. Ursula-Schulen. Fo to: Heinig Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Ausstellung "Ich kam als Gast in euer Land gereist ..." im Franziskaner eröffnet

Sie heißen Günther, Fehler, Remmele, Lesser und Tieke – jeder Familie ist im Kreuzgang des Franziskaners ein Text- und Bild-Transparent gewidmet. Die Ausstellung "Ich kam als Gast in euer Land gereist…." ist noch bis 28. Oktober zu sehen.

VS-Villingen. "Sie sehen mich glücklich" – Friedrich Engelke, Vorsitzender des Vereins Pro Stolpersteine VS, holte die Wanderausstellung mit den Geschichten deutscher Familien, die vor dem Nationalsozialismus in die Sowjetunion flohen, dort dann aber auch Opfer staatlichen Terrors wurden, ins Franziskaner nach Villingen.

Und war überrascht, wie viel Interesse sie erregt. Die rund 80 Besucher erlebten am Donnerstag eine berührende Eröffnung, bei der auch Silvia Armstead, geborene Boss, sprach, die Ur-Enkelin von Berta und Joseph Boss. Das jüdische Paar wohnte mit drei Kindern in der Rietstraße 15, eröffnete 1910 in der Innenstadt ein Bekleidungshaus, verließ die Stadt aber 1936 aufgrund anhaltender Repressalien der Nationalsozialisten. Deren Enkel Valentin, Silvia Armsteads Vater, war 1934 mit seinen Eltern nach Moskau ausgewandert, wo sein Vater Adolf als Arzt arbeiten wollte, 1938 aber verhaftet und 1942 auf der Flucht erschossen wurde.

Die von den St. Ursula-Schülern Daniel Haas, Isabel Allgeier, Emilia Brugger und Sophia Plotzitza mit ihrem Lehrer Heinrich Schidelko zusammengetragene Geschichte der Familie Boss war ein bewegendes Beispiel für viele andere und bislang nur wenig beachtete Schicksale von deutschen SU-Emigranten, die Stalins Terror erleben mussten. Erst 2008 bildete sich ein Arbeitskreis, der sich seither "mit der vergessenen Geschichte der kleinen Leute" beschäftigt und unter anderem diese Ausstellung konzipierte.

Carola Tischler vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin gehört dazu. Sie recherchierte gemeinsam mit Valentin Boss, der 2015 im Alter von 83 Jahren starb, in Moskau die Geschichte seiner Eltern. Die Historikerin berichtete von den vielfach zerrissenen Lebenslinien der doppelt Verfolgten, die auch nach Ende des Krieges noch nicht in die Freiheit entlassen wurden.

Erst Ende der 1950er-Jahre durften viele von ihnen in die Heimat zurückkehren und erst seit dem Fall der Mauer und der Öffnung des Eisernen Vorhangs werden ihre Schicksale öffentlich gemacht. "Damit schließt sich für mich der Kreis zu den Stolpersteinen", sagte Silvia Armstead, die zur Ausstellungseröffnung mit ihrem Mann Myles aus dem kanadischen Vancouver anreiste, in perfektem Deutsch. "So lange ich am Leben bin, werde ich die Erinnerung an meinen Vater wach halten", versprach sie.

Die Ausstellung ist zu den Öffnungszeiten des Franziskaners noch bis einschließlich 28. Oktober zu sehen. Führungen werden angeboten am 30. September, 11 Uhr, sowie am 7., 21. und 28 Oktober, 15 Uhr. Der Eintritt ist frei.