Der Technische Ausschuss hat die Bebauung der Lorettowiese abgelehnt. Damit ist das Bauvorhaben vom Tisch. Foto: Eich Foto: Schwarzwälder Bote

Aufreger: Technischer Ausschuss stimmt mehrheitlich gegen Wohnbauprojekt / Entscheidung über Kurgebiet steht aus

Das gute Stück liegt einsam im Spätherbstnebel. Die Ruhe trügt. Im Villinger Kurgebiet brodelt es gewaltig, eines der letzten freien Areale soll bebaut werden. Widerstand gibt es auch im Westen von VS. In der Hammerhalde machen Bewohner gegen die Bebauung der Lorettowiese mobil.

VS-Villingen. In Villingens exklusivstem Wohngebiet, dem Kurgebiet, soll an der Oberförster-Ganter-Straße eine Grünfläche zwischen der Parkresidenz am Germanswald und dem Hotel am Kurpark überbaut werden. Vorgesehen ist auf dem 43 000 Quadratmeter großen Gelände ein allgemeines Wohngebiet. Im Zuge der Bebauung werde laut Planung ein Großteil der bestehenden Grünflächen versiegelt, zahlreiche Gehölze werden gerodet. Pläne, die im Technischen Ausschuss Anfang November behandelt werden sollten. Viele erboste Anwohner kamen ins Münsterzentrum und machten teilweise aus ihrem großen Unmut keinen Hehl: "Eigentlich sind wir davon ausgegangen, dass nur Einfamilienhäuser geplant sind", so ein Anwohner, während die anderen nickten. Und nicht nur ein Betroffener ist sich sicher, dass "sich die direkten Anlieger in spe eine solche massive Bebauung nicht gefallen lassen".

Das Thema wurde kurzerhand abgesetzt und wird auch dieses Jahr, so die städtische Pressesprecherin Oxana Brunner, auf keiner Tagesordnung eines politischen Gremiums mehr auftauchen. Der Druck der Öffentlichkeit war wohl zu groß, oder wie es Brunner beschreibt: Es habe Rückmeldungen von Bürgern und der Öffentlichkeit gegeben. Realisiert werden sollen im Kurgebiet neben Einfamilien- und Doppelhäusern im Südwesten des Gebietes auch Mehrgeschosswohnungen zur Miete, nebst Tiefgaragen. Die Stadt möchte dort sozialgeförderten Wohnraum haben (geplant ist ein Anteil von 30 Prozent). Denn, so die Begründung, der Wohnungsmarkt sei angespannt. Wann landet der Tagesordnungspunkt im nächsten Jahr in die Gremien? Bislang weiß das noch niemand in der Verwaltung. Auch die angepeilte Bürgerversammlung wird verschoben.

Kritik hagelt es ebenso von anderer Seite, genauer gesagt von Thomas Schalk vom Naturschutzbund (NABU), der Gutachten zu Bauvorhaben anfertigt. Während Schalk die noch leere große Fläche auf sich wirken lässt, kann er sich einen Kommentar nicht verkneifen. "Leider bekommen wir die Unterlagen erst dann, wenn die Pläne durch die Gremien sind", stellt er dar. Und dann gebe es nur noch wenige Chancen, in Sachen Artenschutz die Weichen etwas anders zu stellen. Doch Möglichkeiten auf vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen, erläutert er, bestehen nur dann, wenn es sich um besonders schützenswerte Arten handelt: Haselmaus, Zauneidechse und Braunes Langohr, eine Fledermausart. Und genau letztere scheint sich neben 34 Vogelarten den grünen Fleck nahe des Waldes in der Oberförster-Ganter-Straße als Habitat ausgesucht zu haben. Könnte das filigrane Kerlchen eine Bauverzögerung bewirken? "Rein theoretisch ja", kommt Schalk auf die Vorgabe vorgezogener Ausgleichsmaßnahmen zu sprechen. Vorgesehen sei es, mindestens 50 Fledermauskästen aufzuhängen, um dem kleinen Säugetier gerecht zu werden. Doch ob er den Umzug annimmt, wenn "seine" Bäume fallen, das sei noch dahingestellt. Top oder Flop: Vom Erfolg der Umsiedlung hänge auch ab, ob und wann die Bauarbeiten beginnen können, so Schalk.

Widerstand im Westen

Doch nicht nur gegen die Bebauungspläne im Kurgebiet regt sich Widerstand, auch im Westen. Im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten macht Michael Ganter, der Initiator der Online-Petition zum Erhalt der Lorettowiese, deutlich, was er von den Plänen einer Wohnbaufirma hält, sieben Reihenhäuser mit 14 Wohneinheiten zu erstellen. "Das hilft nicht der Wohnungsnot, sondern ist eine reine Profitgier in diesem gehobenen Wohngebiet", ärgert er sich. Nicht nur Ganter sieht "die letzte grüne Lunge im kompletten Wohngebiet Hammerhalde" in Gefahr. Wie andere Anwohner befürchtet auch er, dass der Blick auf das "Kleinod Lorettokapelle" verbaut werde. Oder wie es ein anderer Anlieger drastisch ausdrückt: Das Gesamtensemble aus Grünfläche und Kapelle "ist dann im Eimer. Und das sehen nicht nur wir in der Hammerhalde so". Einig sind sich alle Anwohner, dass angesichts anderer großer Wohnbauprojekte in VS nicht noch die letzten grünen Flächen verbaut werden müssen. Offensichtlich trifft Ganter den Nerv vieler Doppelstädter: Bis zum Wochenbeginn hatten bereits knapp 300 Bürger unterschrieben, Tendenz steigend. Bis zum Wochenende sollten noch Unterschriftenlisten ausgelegt werden, um die Musszahl von 1100 Unterschriften zu erreichen.

Ausschuss lehnt ab

Das allerdings ist nach Dienstagabend gar nicht mehr nötig. Denn der Technische Ausschuss hat als beschließendes Gremium mehrheitlich gegen das Bauvorhaben gestimmt. Somit sind die Pläne des Grundstückeigentümers, der Pfarrpfründestiftung der Erzdiözese Freiburg, vom Tisch. Die CDU-Fraktion war sich intern "uneinig", wie Dietmar Wildi erklärte. Er stellte deshalb die Frage, "ob wir tatsächlich in dieser Schnelligkeit alle noch vorhandenen Baulücken schließen wollen?". Er selbst jedenfalls fühle sich von solchen Sitzungsvorlagen überfahren und "nicht mitgenommen". Auch die Grünen-Fraktion sei sich nicht einig, wie Cornelia Kunkis deutlich machte.

Klare Worte hingegen fand Andreas Flöß von den Freien Wählern: "Diese Wiese ist unbebaubar!" Allein dafür erntete er von den zahlreichen Anwohnern im Zuschauerraum der Tonhalle Beifall – sehr zum Ärger von Bürgermeister Detlev Bührer, der zur Ruhe mahnte. Flöß kritisierte vor allem die geplante Wohnbebauung: "Wenn man sowas plant, sollte man sich wenigstens mit der Topografie auseinandersetzen, und nicht nur ein Typ Reihenhaus aus dem Regal ziehen und überall hinstellen." SPD-Stadtrat Edgar Schurr pflichtete ihm süffisant bei: "Es ist schon beeindruckend, wie viel Geld man heute für wenig Architektur bezahlt."

Die Folge: Die Stadt muss die bisher vom Eigentümer geleisteten Beiträge an diesen zurückzahlen. Laut Detlev Bührer handelt es sich dabei um rund 90 000 Euro.