Märit Kaasch ist Pfarrerin in Schwenningen.Foto: Kaasch Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: Heute mit der evangelischen Pfarrerin Märit Kaasch

Villingen-Schwenningen. Im "Home Schooling" der Kinder ist mir Martin Luther King wieder begegnet. Seine Worte "I have a dream" – ich habe einen Traum – und seine visionäre Rede in Washington 1963 gehen mir seitdem nach.

Wovon träume ich gerade? frage ich mich jetzt immer wieder und mache mich auf die Suche nach meinen Träumen, die im veränderten Alltag leicht verloren gehen.

Ich träume davon, dass der Himmel auch im Sommer noch so blau und streifenfrei ist wie jetzt und dass die Schmetterlinge im Garten tanzen und die Insekten brummen.

Ich träume davon, dass die neue Freundlichkeit auf der Straße und die Achtsamkeit füreinander uns noch lange erhalten bleiben.

Ich träume davon, dass durch die Krise noch viel mehr die sichtbar werden, die sonst im Verborgenen leben und arbeiten. Und dass sie endlich gewürdigt werden in dem, was sie tun, und dem, was sie brauchen.

Ich träume davon, dass wir alle etwas Neues entdecken an dieser Zeit, dass wir überhaupt die Zeit entdecken, die plötzlich zur Verfügung ist und einfach nur gelebt sein will.

Ich träume davon, dass wir gemeinsam träumen und Ideen entwickeln, wie wir weiterleben wollen. Dass wir entdecken, was wir brauchen, um freundlich zu bleiben und hilfsbereit. Was wir geschenkt bekommen, wenn wir Zeit haben, und was wir teilen können von unserem Besitz.

Und während ich so träume merke ich, dass die Wände der Wohnung sich weiten und das Dach sich ein bisschen hebt und ein Hauch von Zukunft hereinweht. Ich habe einen Traum…

Träumen Sie mit?

Es ist, als sei die Welt aus den Fugen geraten. Auch in Villingen-Schwenningen ist scheinbar nichts mehr so, wie es all die Jahre gewesen ist. Es herrscht ein Ausnahmezustand – und manche Angst und Sorge. Anlaufstellen in solchen Tagen sind seit jeher auch Kirchen. Doch Gottesdienste finden vorerst nicht mehr statt. Kirchenleute in VS möchten ihren Beitrag auch während der Krise leisten und den Menschen in Villingen-Schwenningen Impulse mit in ihren derzeit so ungewöhnlichen Alltag geben. In unserer neuen Reihe "Auf ein Wort in besonderen Zeiten" wenden sie sich nun täglich an unsere Leser. Sie sprechen über mitmenschliche Werte und das Miteinander trotz möglichst großer persönlicher Distanz – natürlich ökumenisch und die großen Stadtbezirke übergreifend. (cos)