Stadtteilserie: Das Wohngebiet Frühlingshalde ist 60 Jahre alt / Großzügige Gartenflächen als Markenzeichen
Von Andreas Hennings
"Am Neckar, am Neckar, do ischt e Jedes gern": Dieses Volkslied wird auch heute noch in Schwenningen gesungen. Wir bauen eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart und stellen die acht großen Stadtviertel von Schwenningen vor. Teil sieben: die Frühlingshalde.
VS-Schwenningen. Gelegen an einem seichten Hang im Grünen, bahnen sich die schmalen Straßen mit vielen Kurven ihren Weg. Der ein oder andere stolze Bau liegt links und rechts der Fahrbahn. Was sich liest wie eine Beschreibung der weltberühmten Hollywood Hills in der Filmmetropole Los Angeles, schildert auch das Idyll der Frühlingshalde in der Neckarstadt.
Ob Leibnizstraße, Kantstraße, Humboldtstraße, Herderstraße, Schellingstraße oder Schopenhauerweg: mit heutigen Neubaugebieten ist dieses bunte, in den 1950er- und 1960er-Jahren entstandene Viertel kaum zu vergleichen. Fast ausschließlich freistehende Ein- und Mehrfamilienhäuser gibt es hier, umgeben von großzügig angelegten Gärten.
Kein Wunder: Vorreiter für die Frühlingshalde waren zwei besondere Gebäude, die 1925 auf dem freien Feld in der heutigen Humboldtstraße errichtet wurden – die beiden Villen des Uhrenfabrikanten Christian Kienzle und von Direktor Ch. Strohm, unter anderem Miteigentümer der Bärenbrauerei. Bis fast 40 Jahre später das Wohngebiet Frühlingshalde verwirklicht wurde, waren die ummauerten Bauten umgeben von Wiesen und Wald. Ein schmales Waldstück musste jedoch als Reparationsleistung an Frankreich abgeholzt werden.
Die Schellingstraße diente einst als beliebte Rodelbahn
Die Natur wurde von den Schwenningern hinreichend genutzt: So war die heutige Schellingstraße einst im Winter eine beliebte Rodelbahn. Auf Holzschlitten ging es auf dem von Bäumen gesäumten Feldweg vom Reutewald hinab ins Tal.
Wo die Rutschpartie startete, wurde im Jahr 1929 das ehemalige Kurhaus mit dem Höhenrestaurant "Zum Schönblick" erbaut. In seiner langen Geschichte diente das Gebäude auch als DRK-Kinderheim, Lehrstätte der Fernuniversität Hagen und derzeit der Polizei als Trainingszentrum. 1930 wurde am Waldeck das Turnerheim Reute, die Heimat der Turngemeinde, errichtet.
Mitte der 50er-Jahre folgte die Erschließung des Wohngebiets Frühlingshalde. Eines der ersten Häuser, das damals bezugsfertig war, ist das heutige Elternhaus von Gertrud Happle in der Leibnizstraße. "Das war 1956 und wir konnten damals noch bis hinunter zur Neckarstraße sehen. Es war ringsherum noch alles leer", erinnert sie sich.
Mit der Aussicht war es aber schnell vorbei – innerhalb weniger Jahre wurde die Frühlingshalde komplett erschlossen. Ihr Gesicht hat sich seitdem kaum verändert: Runde Formen schmiegen sich an Kantiges, zwischen schlichten Satteldächern sorgen Zelt- und Walmdächer für Abwechslung. Farbe ins Spiel bringen bunte Hausfassaden sowie groß gewachsene Bäume. Weil sich hier viele Familien niederließen, wurde 1968 der evangelische Kindergarten Frühlingshalde eröffnet. Zuvor hatten die Kinder des neuen Wohngebiets den Paulus-Kindergarten besucht, dieser platzte jedoch schnell aus allen Nähten. Gebaut wurde der Kindergarten von der evangelischen Kirchengemeinde, die Kosten betrugen 443 000 Mark. Feierlich eröffnet wurde er von den Pfarrern Kurt Rommel und Bernhard Lörcher sowie OB Gerhard Gebauer.
"Wir haben den Wald vor der Tür, es ist wirklich ruhig gelegen hier. Auch der Sportplatz und das Moos sind nah", schwärmt Anwohner Michael Zigrovecki. Auch Carsten Newiger, zuhause in seinem Elternhaus in der Leibnizstraße, stimmt mit ein: "Einmal habe ich ausversehen meinen Geldbeutel auf dem Dach meines Autos liegen lassen. Am nächsten Tag war er noch da", schmunzelt er. Es sei sehr ruhig und friedlich in der Frühlingshalde, und besonders wichtig: "Wir haben eine gute Nachbarschaft. Wir passen alle aufeinander auf."
Für das Leben mit Kindern und Hunden sei das Wohngebiet "ein Paradies", beschreibt er weiter. Nur eine nahe gelegene Einkaufsmöglichkeit in VS fehle – um nicht durch die Stadt fahren zu müssen, bevorzugen er und seine Frau das Gewerbegebiet in Bad Dürrheim. Auch Johanna Koch, seit 53 Jahren wohnhaft in der Reutestraße im benachbarten Neckarstadtteil, fühlt sich hier pudelwohl: "Es ist eigentlich alles schön hier, vor allem die Ruhe."
Generationenwechsel hat Verkauf zahlreicher Häuser zur Folge
Hört man sich im Wohngebiet um, überwiegt das Positive. Zudem sind viele beruhigt, dass kaum Wohnungseinbrüche zu verzeichnen sind. Natürlich gibt es aber auch Ausnahmen: So dürfte sich hier nach Meinung mancher Anwohner ein Bäcker ansiedeln, und während der Südwest-Messe und bei Eishockey-Spielen sei die Frühlingshalde teilweise zugeparkt.
60 Jahre ist die Frühlingshalde nun alt. Viele Menschen, die hier einst ein Haus gebaut haben, leben nicht mehr – ein Generationenwechsel im Wohngebiet ist die Folge. Viele Häuser haben in den vergangenen Jahren einen neuen Besitzer gefunden, wodurch die Frühlingshalde auch internationaler wurde. Unter anderem Menschen türkischer, russischer oder rumänischer Abstammung verwirklichen sich hier jetzt ihren Traum vom Eigenheim. Klare Sache – international geht es schließlich auch in den Hollywood Hills zu.