Unbekannte flexten diesen Altkleider-Container auf. Foto: Spitz

Plüdern ist neues Hobby unter Müllsündern. Täter gehen laut Polizei professionell vor.

Villingen-Schwenningen - Altkleider liegen im Dreck, völlig durchnässt. Sie wurden gespendet, für den sozialen Zweck. Doch beschmutzt und nass wie sie jetzt daliegen, geben sie Zeugnis über ein neues Hobby unter Müllsündern: Altkleider-Container plündern. Und dann sind da noch arme Leute – sie plündern für den Eigengebrauch.

Abgesehen von der Sauerei ringsherum sieht der Container von vorne betrachtet ganz normal aus. Doch hinten klafft eine empfindliche Wunde: Unbekannte haben den Altkleidercontainer des Landratsamtes Schwarzwald-Baar an der Sebastian-Kneipp-Straße in Villingen aufgeschlitzt – ganz offenbar, um ihn zu plündern. Die blaue Metallwand ist dick, robust, lässt sich nicht mit der bloßen Hand verbiegen. Die Täter müssen professionell vorgegangen sein und Werkzeug, eventuell einen Winkelschleifer oder ähnliches Gerät, benutzt haben, bestätigt Harri Frank von der Pressestelle der Polizei in Tuttlingen.

Für den Landkreis ist der Diebstahl von Altkleidern ein relativ neues Phänomen. "Wir gehen davon aus, dass es sich um einen gewerbsmäßigen Diebstahl handelt und dass die entwendeten Alttextilien vermarktet werden", sagt die Pressesprecherin des Landratsamtes, Heike Frank, dazu.

Der Aufbruch des Containers in Villingen ist daher ein Vorgang, der zwar unglaublich, aber längst kein Einzelfall ist: Das Geschäft mit Altkleidern brummt. Dass viele Organisationen mit dem Sammeln der Altkleider in Containern nicht vorrangig einen sozialen Zweck erfüllen, sondern kräftig Geld verdienen möchten, ist hinlänglich bekannt. Scharf diskutiert und kritisch beäugt wird daher auch der Export der Altkleider in Entwicklungsländer.

Dass diesen Einrichtungen – ebenso wie den vielen Wohltätigkeitsorganisationen, die damit tatsächlich armen Menschen helfen – nun aber Kriminelle ins Handwerk pfuschen, ist in Mode – und übrigens nichts anderes als ganz plumper Diebstahl. Der Inhalt eines Kleidercontainers gehört nämlich rein juristisch der Organisation, die diesen Container aufgestellt hat.

Es komme sogar vor, "dass Diebe in Container eindringen und den Inhalt entwenden, was nicht nur illegal, sondern auch gefährlich ist", sagt Heike Frank vom Landratsamt und ergänzt: "Ein solcher Fall ist uns im Landkreis allerdings bislang nicht bekannt". Der Polizei hingegen schon, zweimal ertappte man solche "Diebe" bislang. "Es gibt Menschen, die passen genau in die Klappe der Container", weiß Harri Frank von der Polizei.

Sie kommen mindestens zu zweit. Einer hievt den anderen in die Klappe, bugsiert ihn dann ins Innere des Containers und steht Schmiere. Drinnen wird mit der Taschenlampe sortiert, mögliche Beute in den Schacht geworfen und schließlich klettert die zierliche Person wieder in den Schacht, um vom Kompagnon wieder nach draußen befördert zu werden. Unglaublich. Harri Frank von der Polizei klingt trotzdem nachdenklich, als er davon erzählt. Einmal seien es Flüchtlinge gewesen, sagt er, das andere Mal Bosnier. Und beide Male seien es offenbar arme Menschen gewesen, die die Kleidung, die andere wegwerfen, nötig gehabt haben. Diebstahl war es, streng juristisch, trotzdem.

Bei allem Ärger über das sonst oft widerwärtige Selbstbedienungs-Geschäft mit den alten Kleidern aus den Containern stellt sich also auch eine ethische Frage: Darf man einen Altkleidercontainer plündern, wenn man selbst nicht genug Geld hat, sich neue Kleidung zu kaufen?

Die Frage dürften sich ziemlich regelmäßig auch Bedienstete der Stadt stellen. Jeden Donnerstagmorgen nämlich bietet sich den Männern von den Technischen Diensten Villingen-Schwenningen, die im Auftrag der Stadtreinigung unterwegs sind, an der Sebastian-Kneipp-Straße dasselbe Bild: Die unaufgeräumte Bettstatt einer hier offenbar regelmäßig nächtigenden Person. Sie nutzt den Schlitz am Container, den die Kriminellen hinterlassen haben, um durch ihn Kleidung, Decken und anderes Material herauszuziehen. Und damit baut sie sich dann ein mehr oder minder kuscheliges Bett unter der Brücke – jeden Mittwochabend aufs Neue.

Über die Altkleidercontainer des Landkreises sprach der Schwarzwälder Bote mit Heike Frank, Pressesprecherin des Landratsamtes.

Wie viele solcher Container hat der Kreis aufgestellt?

Insgesamt sind im gesamten Landkreis 73 blaue Altkleidercontainer der Kooperation von sechs gemeinnützigen Organisationen und dem Landkreis aufgestellt. Zudem sind zahlreiche Altkleidercontainer der gemeinnützigen Organisationen aufgestellt und der Landkreis betreibt eigene Container innerhalb der Recyclingzentren und Wertstoffhöfe. Die Verteilung all dieser Container ist untereinander sowie mit den jeweiligen Städten und Gemeinden abgestimmt. Ziel war auch, eine Flächendeckung zu erreichen und die Standortdichte am Bedarf beziehungsweise an den Einwohnerzahlen zu orientieren.

Was passiert mit dem Inhalt?

Der Inhalt wird von einer Fachfirma für Textilrecycling in einer Sortieranlage sortiert. Dabei werden duzende Fraktionen nach Qualität, Erhaltungszustand und Art der Kleidung unterschieden. Gebrauchsfähige Altkleider werden der Wiederverwendung zugeführt. Absatz finden die Altkleider in vorwiegend Osteuropa oder Afrika, aber auch in heimischen Second-Hand-Läden. Bettfedern werden ebenfalls wiederverwendet. Nicht gebrauchsfähige Textilien werden dem Textilrecycling zugeführt, wo aus den Fasern Dämmstoffe oder Schmutzmatten et cetera hergestellt werden. Restmüll oder Fehlwürfe müssen kostenaufwändig entsorgt werden. Die Erlöse fließen den gemeinnützigen Organisationen zu oder dienen zur Minderung der Abfallgebühren.

Wie oft werden sie geleert?

In der Regel werden die Container wöchentlich geleert, bei wenig frequentierten Behältern aber auch seltener.  Die Fragen stellte Cornelia Spitz