Heimat: Harter Winter vor 90 Jahren / Tradioneller Umzug am Dienstag kommt nur bis zum Marktplatz

Schnee, Kälte und Frost verhinderten den Fasnet-Umzug am 12. Februar 1929. Die Stadtmusik kam nur bis zum Latschari-Platz, als bei den Narros die ersten Schemen rissen. Vor 90 Jahren gab es einen harten Winter.

VS-Villingen. Januar 1962 – der große Schneesegen hatte wohl etwas überrascht. Blieb man doch in den Schwarzwald-Wintern der Jahrzehnte zuvor vor größeren Schneefällen verschont. Doch der "heimtückische Überfall" zu Neujahr 1962 erinnerte den Villinger Roman-Autor Hermann Alexander Neugart (1893 bis 1974) in pathetischer Sprache "an die Terror-Herrschaft historischer Winter", wie jenen 1929. Er zitiert den Bartles-Buer, der sich an Schneemengen "so hoch wie d‘ Garte-Hag" erinnerte, die aber stets auch wieder weg gingen, auch wenn – so seine Ironie – es bis Christi-Himmelfahrt gedauert hätte. Selbst Heinrich Hug (1465 bis 1533) benennt in der Chronik aus seiner Zeit, dass "der große Schnee fil hüser nider truckt… und erfroren fil lit uf den wegen und die vögel in der Luft".

Dazu erinnert sich Neugart selbst an jene hohen Schneehäufen, dass man als Kind nicht von einer Straßenseite zur anderen sah. Aufgetürmt durch den metall-beschlagenen, hölzernen städtischen Bahn-Schlitten, gezogen von dampfenden Rössern, und durch Scharen von Schneeschauflern an Straßen und Gassen. Holz, recht viel Holz war folglich die Parole, ob als Bürgerholz, das manch einer vors Haus geführt bekam, oder als Leseholz samt Tannenzapfen, die im Wald zu holen man sich selbst mit einer alten Kinder-Chaise nicht genierte.

Der schlimmste dieser grimmigen "Winter-Gesellen" war wohl jener des Jahres 1929, als selbst "die Villinger Fasnet verfror". Kein Verbot, keine Schikane, kein Käfig und auch keine Geldbuße konnte die Fasnet je verhindern. Bis auf Fasnet-Dienstag, 12. Februar 1929, der den Dickkopf verhinderte: "Das Uhrwerk war aufgezogen, doch es schnurrte nicht ab, dieweil es einzufrieren begann! Der traditionelle Umzug kommt kaum bis zum Marktplatz, als er im Eis erstarrt. Die Kinder auf den Wägen frieren jämmerlich weinend, einzelnen Narros ist die Scheme gerissen oder eine gefrorene gläserne Rotznase hemmt das Atmen, die Finger der Musiker sind steif und ihre Instrumente verstummen. Einzig der Paukist bleibt mit seinen Schlägen übrig. Schon hatten die Zuschauer ihre wunderfitzigen Nasen an die Scheiben der warmen Stuben oder an die der Wirtshäuser gedrückt. Und die kostümierte und tanzwütige Jugend hastete hinunter zur Tonhalle. Wenn dort nicht nur schon die Heizungsrohre geplatzt wären und im Vestibül das Wasser gestanden hätte…!" So wurden selbst jene nicht froh, die an den Heimweg dachten, weshalb einige Narros nach der Polizeistunde im Lindenhof bei Bullenhitze im Bahnwärter-Häuschen bis zum Aschermittwochmorgen ausharrten.