Caster Semenya ist eine der besten Läuferinnen der Welt. Foto: Nikku Foto: Schwarzwälder Bote

Sport: Intersexualität im Leistungssport / Ist Caster Semenya zu gut für ihr Geschlecht? / Ein Schritt gegen das System

Von Ivana Rozic

19. August, 21.35 Uhr, Startschuss zum Finallauf der 800 Meter der Frauen im Berliner Olympiastadion. Unter den Starterinnen sind die Besten der Welt und darunter eine, die schon im Vorfeld für Aufregung sorgte – Caster Semenya.

Triberg. Caster Semenya, die damals 19-Jährige stand vor ihrem ersten wichtigen internationalen Wettkampf, der Weltmeisterschaft. Alle Mitstreiterinnen stehen hochkonzentriert an der Startlinie, mit dem Ziel Weltmeisterin zu werden. Und Caster Semenya? Sie natürlich auch, aber wie wird wohl das Gefühl sein, zu wissen, dass alle an ihr Zweifel mit dem eigenen Geschlecht haben? Und eine Frage immer in den Raum gestellt wird und zwar ob diese Frau wirklich eine Frau ist?

Zweimalige Olympiasiegerin und dreifache Weltmeisterin über die 800 Meter, darunter auch ihr erster internationaler Titel aus Berlin, gehören zu ihren bisherigen größten Siegen. Eine Hochleistungssportlerin ist sie, Caster Semenya, die von Geburt an weibliche und männliche Geschlechtsmerkmale in sich trägt, dennoch wird sie von ihrer Familie als weiblich gesehen, was auch in der original Geburtsurkunde festgehalten wurde.

Auch sich selber sieht sich Caster Semenya als Frau, die das gleichwertige Recht hat bei den besten der Welt mitzulaufen. Doch laut dem IAAF-Ex-Stabschef Nick Davies ist der Wettkampf Zitat "von Frauen zu absolvieren, damit ist es uns (der IAAF) überlassen zu prüfen, ob es überhaupt Frauen sind" (IAAF WM Berlin 2009 Interview ARD).

Bereits in Berlin bei der Weltmeisterschaft 2009, ihrem ersten internationalen Wettkampf, wurde sie von der IAAF kritisiert für ihren zu hohen Testosteronspiegel, der laut der International Association Of Athletics Federation kurz IAAF ein Indiz ist, dass sie keine Frau ist. Nicht nur die IAAF kritisiert Semenya, alle Mitstreiterinnen beurteilten sie als zu männlich mit ihren breiten Schultern und ihrem markanten Aussehen, sie sei eben zu anders.

Doch eins ist hier fraglich, wie kam es 2009 zu den Fragen und den Feststellungen über Semenya? Die Antwort auf diese Frage ist wohl eher bizarr als menschlich, sie ist einfach zu gut, um eine Frau zu sein. Ihr Leistungszuwachs stieg in dieser Zeit rapide, es ging nur noch bergauf für sie. Sie gewann immer mit herausragenden Zeiten, wie sie keine anderen liefen. Aus der Sicht der Mitstreiterinnen und des Weltleichtathletik-Verbandes IAAF kann das nicht eine "richtige" Frau gelaufen sein. Es sind Fakten und Auffälligkeiten, die auf den ersten Blick Eindrücke einer Person erweisen, die manchmal gar nicht stimmen, bei Caster Semenya ist es die tiefe Stimme und das Erscheinen des Gegenteils der typischen Frau. Doch was ist typisch? Lange Haare, klein und zierlich? Es ist das, was sich mit der Zeit in unsere Köpfe festgesetzt hat, das typische Sinnbild, welches aber meistens nicht die volle Wahrheit zeigt. Um als richtige Frau zu zählen, braucht es die biologischen Indizien, die passenden Organe und die normalen Werte.

Der Grund der IAAF war zunächst, dass sie einfach zu gut sei und die anderen Athleten sie nicht passend fanden. Daraufhin wurden die Untersuchungen kurz nach der Weltmeisterschaft 2009 eingeführt, ganze elf Monate wurde an ihr geforscht und untersucht, ob sie wirklich eine Frau sei. In diesen elf Monaten hatte sie zusätzlich ein Startverbot bei jeglichen internationalen Wettbewerben. Schlussendlich wurde ihr Weltmeistertitel nicht aberkannt und sie durfte die Medaille behalten. Diese Handlungen der IAAF waren gegenüber Caster Semenya weder menschlich noch moralisch, man könnte meinen, sie haben nur darauf gewartet, dass irgendwas rauskommt um die damals 19-Jährige von jeglichen Wettbewerben auszuschließen.

Daraufhin gingen die Untersuchungen weiter, es hieß man solle sich operieren lassen oder Medikamente aufnehmen, um bei den den Frauen starten zu dürfen. Es sind Operationen, die die Sportlerkarriere nicht erleichtern, sondern viel schwerer machen. Sie zerstören den Körper, sodass man nicht mehr bei den Profis starten kann, und die Medikamente seien ein Pfusch laut Semenya, sie seien unfair und sie manipulierten den Körper. Caster Semenya ließ das nicht zu, sich das wegzunehmen was sie sich fair erkämpft hatte, wie jede andere im Wettkampf. Durch ihren hohen Testosteronspiegel, den sie seit der Geburt in sich trägt, hat sie beim Muskelaufbau einen natürlichen Vorteil, der ihr im Sport bessere Leistungen erbringen kann. Laut der IAAF ist ein zu hoher Testosteronspiegel im Blut, leistungsfördernd, da das männliche Hormon Testosteron den Muskelaufbau unterstützt. Daher sieht dies die IAAF als "Problem" in der Frauen- Leichtathletik, da die Chancengleichheit bei Wettbewerben gegenüber "normalen" Frauen fair sein sollte. Grund dessen soll Semenya Medikamente zu sich nehmen, die in ihrem Körper den Testosteronspiegel künstlich verändern.

Zur Auswahl hat sie nur die Medikamente oder die Starterlaubnis bei den Männern, so oder so ist das nicht das Problem der IAAF, wenn diese Medikamente oder Operationen Nebenwirkungen zeigen. Aber das wussten die meisten Sportlerinnen zuvor nicht, sie begingen den Schritt, sich operieren zu lassen für eine Zukunft im Leistungssport ohne Probleme. Wie würde man sonst handeln, wenn man ganz oben ist und an dem eigenen Geschlecht gezweifelt wird. Man will weiter das tun, was man liebt, auf dem Level das man schon erreicht hat. Aber nicht mit Caster Semenya, bereits 2009 hielt sie Einspruch gegen die Testosteronverordnung des IAAFs, um die Chancengleichheit gegenüber Intersexuellen zu stärken. Diesbezüglich griff sie auf, dass dieser Prozess sich nicht allein um sie handeln würde, sie möchte als starke Sportlerin anderen bald aufsteigenden Sportlerinnen helfen, nicht bekämpft zu werden, um das sein zu können, was man sein möchte wie jede andere.

Dieser Prozess verläuft seit zehn Jahren, auch Semenya wurde in dieser Zeit Opfer der Medikamente. Um bei den Olympischen Spielen starten zu dürfen, musste die Tabletten zu sich nehmen, welche ihre Leistungen leicht negativ beeinflussten. Die meisten Titel gewann sie in der Zeit trotzdem Olympia 2012 und 2016 und zweimal Gold und einmal Bronze bei den Weltmeisterschaften. Als sie die Weltmeisterschaften in Doha 2019 anpeilte kam die Nachricht, dass sie nicht mehr starten dürfe, wenn sie keine zusätzlichen weiblichen Hormone zu sich nehmen würde.

Das war nichts für Semenya, sie wollte als Caster Semenya starten ohne zusätzliche Hormone, sie nahm bereits Medikamente zu sich zu, um nicht allzu "anders" zu sein. Das war auch das Ergebnis eines zehnjährigen Konflikts. Der internationale Sportgerichtshof CAS in Lausanne beschloss Anfang 2019, dass die Frauen mit einem zu hohen Testosteronwert, die bei den Strecken zwischen 400 Metern und einer Meile antreten sechs Monate vor ihren internationalen Wettkämpfen Medikamente zu sich nehmen sollten, welche den Testosteronspiegel senken und die Athletinnen für diesen Moment mehr zu das machen, was sie schon sind.

Caster Semenya hat noch lang nicht das erreicht, was sie erreichen wollte, aber sie hat einen Schritt gemacht, einen Schritt der sich davor niemand anders traute. Einen Schritt gegen das System. n Die Autorin ist Schülerin der Klasse 9a des Schwarzwald-Gymnasiums in Triberg.