Capitol-Auftritt in Mode und Haarschnitt der 1920er-Jahre: das A-cappella-Trio "Muttis Kinder" mit (von links) Christopher Nell, Claudia Graue und Marcus Melzwig. Foto: Trenkle Foto: Schwarzwälder Bote

Unterhaltung: A-cappella-Trio "Muttis Kinder" begeistert in voll besetztem Schwenninger Capitol

Hier passt das Wort "stimmgewaltig" besonders gut. Das Trio "Muttis Kinder" hat es geschafft, eindrucksvolle Soundcollagen im Capitol zu erzeugen und bot abendliche Unterhaltung – ganz ohne Fußball-Weltmeisterschaft.

VS-Schwenningen. Zu sehen ist erst einmal nur ein einsames Mikrofon und eine Flasche Wasser. Dann drei, vom Publikum vorsichtig beklatschte Personen. Anschließend ist das Trio zu hören, aber woher stammen Bass, Gitarre oder Schlagzeug? Sind die Instrumente schlichtweg eingemischt? Mit "Muttis Kinder" ist am Donnerstagabend eine der derzeit bundesweit besten A-cappella-Gruppen im Schwenninger Capitol aufgetreten.

Egal mit welchen, ob aus Jazz, Rock, Pop oder Klassik entlehnten Elementen, erzeugen die drei in scheinbar spontanen Improvisationen eine ganz eigene, die Zuhörerschaft fesselnde Dynamik. Tatsächlich sind die stilvollen Stücke bis ins kleinste Detail einstudiert, weniger Improvisation als vielmehr Perfektion bildet das jeweilig tragende Element und reizt dabei alle Facetten der menschlichen Stimme aus.

Perfektion ist auch federführend für die sonstige Performance. Gestik und Mimik sind ein zweites Kommunikationsfeld, vor allem in den Freiräumen zwischen den musikalischen Acts. Da gehört sogar der vor dem Publikum verneigende Griff zur Wasserflasche und das aussageschwere Weiterreichen dieser dazu.

In Stimmhöhe, nicht jedoch der Qualität, unterscheiden sich die drei stark und passen gerade deshalb so gut zueinander: Da ist der etwas stoisch wirkende Bariton Marcus Melzwig, die elegante Claudia Graue mit ihrer eindrucksvollen Alt-Stimme und der in seiner Rolle nervöse Tenor Christopher Nell.

Nicht selten, wenn der eine oder die andere gerade zu gesanglichen Höhenflügen ansetzt, unterlegt unterschwellig der Rest akustisch das Ganze mit fehlenden Instrumenten. Gespielt wird auch eindrücklich mit Stille. Sie bietet den Widerpart, um das Publikum sensorisch auf Geräusche und Gesänge zu fokussieren.

Warum eigentlich "Muttis Kinder?" Graue, Nell und Melzwig lernten sich 2002 während ihres Schauspielstudiums in Rostock kennen und erkannten ihre gemeinsame Leidenschaft für gesangliche Improvisationen – sozusagen die künstlerische Mutter der drei Stimmbandakrobaten. Sie gründeten das Trio, welches sich bis heute auf den Bühnen Deutschlands – jedoch sogar auch international, hierunter vielfach in Europa und sogar in Taiwan – immer wieder neu bewährt.

Beim internationalen A-cappella-Wettbewerb in Graz 2010 errangen sie den Publikums- und Jurypreis in der Comedy-Kategorie und einen Extra-Performance-Preis im Bereich Pop. Für die beste musikalische Darbietung gab es 2011 die "Freiburger Leiter". Neben ihrer Tätigkeit als Schauspieler treten sie zuletzt wieder verstärkt als Trio auf, aktuell mit der Show "Das epische Programm". So auch in Schwenningen.

In Mode und Frisuren der Zwanzigerjahre erzählten "Muttis Kinder" allerlei Geschichten um Liebe, Zuneigung und schmerzliche Ablehnung. Während Claudia Graue scheinbar zu Beginn ganz zweifellos zum groß gewachsenen Marcus Melzwig gehört und der kleine Christopher Nell sie nur chancenlos umschwärmt, ist nach der Pause und damit einer Viertelstunde hinter dem Vorhang offenbar alles anders und der Tenor mit der markanten Nase steht der Dame mit der Altstimme wesentlich näher. "Muttis Kinder" war für das Publikum im voll besetzten Capitol ein großer abendlicher Genuss.

Ganz ohne Fußball-WM ging es dann doch nicht: Nach der Vorstellung und zwei Zugaben dominierten akustisch die glückselig-hupenden Kroatien-Fans den Heimweg am Donnerstagabend.