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Beschimpfungen und Angriffe: Randale in der Notaufnahme oder im Rettungswagen keine Seltenheit.

Villingen-Schwenningen - "Du bisch doch nit ganz sauber..." Klare Ansage eines älteren Doppelstädters. Doch wenn es nur bei Beleidigungen bliebe. Einsatzkräfte aus der Doppelstadt erleben immer wieder unverschämte wie aggressive Bürger. Selbst in die Notaufnahme muss die Polizei ausrücken.

Ein älteres Ehepaar beobachtet einen kleineren Einsatzwagen, der mit Martinshorn um die Ecke biegt. Die Frau zeigt dem Fahrer den Vogel, ihr Mann schreit ihm beleidigende Worte hinterher. Ein ganz normaler Einsatz und ein ganz normales Verhalten? Sicherlich sind Beleidigungen wie die geschilderte, die sich am Benediktinerring abspielt, kein Alltag. Doch nicht nur für Michael Aschenbrenner (Polizei) oder Winfried Baumann vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) steht fest: Eine Verrohung im Umgang mit den Einsatzkräften und damit eine zunehmende Respektlosigkeit haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen.

Anmaßend und aggressiv

Beschimpfungen und Angriffe wie blöde Anmache sind mittlerweile das, was auch Mitarbeiter des DRK-Kreisverbands, genauer gesagt der Rettungsdienst Schwarzwald-Baar gGmbH, immer wieder erfahren. "Das Verhalten ist anmaßender geworden", beobachtet DRK-Kreisverbandsgeschäftsführer Winfried Baumann. Die Rettungssanitäter werden beschimpft und angepöbelt. Meistens spielen Alkohol oder Drogen eine Rolle. Und häufig müssen die Retter in der Not in ihrer Not Polizeikräfte rufen. "Früher war das DRK eine besondere Institution und respektiert", beschreibt er den Wandel. Ralf Hirt, Leiter des mittlerweile aus dem DRK-Kreisverband ausgegliederten Rettungsdienstes, erlebt, dass selbst in der nicht Großstadtgröße verdächtigen Doppelstadt die Toleranzschwelle sinkt.

Randale im Rettungswagen

Fassungslos hört er von Beschwerden, weil am Vorabend ein Rettungswagen mit Blaulicht unterwegs war und "sich Anwohner in ihrer Nachtruhe gestört fühlen". Wenn dann noch die Bemerkung laut werde, "war das Blaulicht denn wirklich nötig?", fällt auch Hirt nichts mehr ein. Noch absurder wird die Situation, wenn Passanten die Rettungskräfte alarmieren, weil sie "hilflose Personen" beobachten, die unter Drogen stehen oder deutlich zu viel getrunken haben. Statt Dankbarkeit zu zeigen, reagieren einige Betroffene mit Aggression und Rüpelhaftigkeit. "Manche werden im Rettungswagen noch rabiater, randalieren und reißen Geräte von den Wänden", berichtet Hirt aus dem Alltag.

Faust trifft selbst Polizistin

Michael Aschenbrenner, Leiter der Pressestelle im Polizeipräsidium Tuttlingen, wundert sich kaum noch über solche von Ralf Hirt beschriebenen Szenarien. "Der Anteil der Bürger, die aggressiv werden, steigt" und sei auch im Oberzentrum relativ hoch. Alkohol und Drogen spielen eine große Rolle, wenn Beamte Opfer von Aggressionen und Beleidigungen werden. Was nicht nur Folgen für die Aggressoren hat.

"Es ist psychisch belastend, wenn unsere Kollegen als ’Scheiß Bullen’ beschimpft, ihnen Beleidigungen weit unter der Gürtellinie entgegen geschleudert werden oder Aufforderungen, zum Beispiel, Papiere zu zeigen, schon gar nicht mehr befolgt werden."

Noch traumatischer: Gewalt gegen Polizisten: "Tritte oder Schläge sind keine Ausnahmefälle mehr", weiß Aschenbrenner aus dem Streifenalltag der Kollegen. Die Aggressionen treffen selbst weibliche Polizisten. Einer jungen Kollegin wurde im Zuge einer Festnahme ein heftiger Faustschlag versetzt; eine andere bei einer Fahrzeugkontrolle vom Beifahrer heftig geschlagen. In Zahlen geformt (Schwarzwald-Baar-Kreis) bedeutet dies: 2014 gibt es 17 Vorfälle, 2015: 23, 2016: 32, 2017: 26. "Und für 2018 ist keine Entspannung in Sicht.

Profil-Suche in Villingen und Schwenningen, die sich stark unterscheiden: In Schwenningen, analysiert Aschenbrenner, gebe es ein spezielles Klientel sozialer Randgruppen, "da bringt die Deeskalationstaktik der Polizei nichts mehr". In Villingen dagegen konzentrieren sich Aggressionen weniger auf spezielle Gruppierungen, sondern sind eher "spontane Geschichten". Auch der hohe Ausländeranteil spiele bei der zunehmenden Respektlosigkeit gegenüber Beamten eine Rolle, erläutert der Leiter der Pressestelle, vor allem in der Neckarstadt. "Dort erleben wir eine sehr hohe Aggressionsbereitschaft."

Problem junge Männer

Generell, entnimmt Aschenbrenner den Zahlen, seien auch hier Ausländer oder Deutsche mit Migrationshintergrund, in Relation zum Anteil an der Bevölkerung, häufiger an Straftaten beteiligt als Deutsche. Das liege auch daran, dass der Anteil an jungen Männern bei den Ausländern besonders hoch sei und diese Gruppe allgemein zur mehr Straf- und Gewalttaten neigt als andere Bevölkerungsgruppen. Hinzu komme, dass bestimmte junge Ausländer es am nötigen Respekt gegenüber Polizisten mangeln lassen, kulturell anders geprägt seien und ein völlig anderes Frauenbild haben.

Das Schwarzwald-Baar-Klinikum erlebt wie andere Häuser bundesweit eine steigende Tendenz zu aggressivem Verhalten bei Patienten und Angehörigen. Gerade in der Notaufnahme. Kliniksprecherin Sandra Adams: "Patienten, aber auch Angehörige oder Begleitpersonen schimpfen, schreien oder werfen mit Gegenständen. Mitarbeiter werden beleidigt und bedroht." Häufig seien die betreffenden Personen alkoholisiert, fügt sie hinzu. Ein Rüpel-Verhalten mit Folgen: Die Sicherheitsvorkehrungen seien angepasst worden, auch ein Sicherheitsdienst sei im Einsatz. Immer wieder müsse die Polizei einschreiten.

Mit Aggressionen wird der Villinger Feuerwehr-Abteilungskommandant Ralf Hofmann zwar nicht konfrontiert, aber immer wieder mit ungeduldigen und unverschämten Autofahrern. "Wir sollen bei Bränden unsere Schläuche einrollen und die Fahrzeuge umparken, nur damit manche vorbeikommen." Da verschlägt es auch ihm die Sprache.