Zur Kontaktverfolgung muss man sich derzeit überall registrieren - nur nicht bei Gemeinderatssitzungen. Das sorgt für Zoff. Foto: Strauch

Bürger bespitzeln und selbst "Rechtsbruch" begehen? Laxe Handhabung der Stadt bei Gemeinderatssitzungen verärgert.

Villingen-Schwenningen - Gelten im Kampf gegen die weitere Ausbreitung des Coronavirus unterschiedliche Maßstäbe? Die Verwunderung über manches Vorgehen seitens der Stadtverwaltung Villingen-Schwenningen jedenfalls ist groß.

Mitarbeiter der Stadtverwaltung – und zwar weit über das eigentlich für solche Dinge zuständige Ordnungsamt hinaus – schwärmen aus, um die Einhaltung der Corona-Vorschriften in der Gastronomie zu kontrollieren. Das eine oder andere teure Corona-Knöllchen soll auf diesem Weg schon geschrieben worden sein, wie unsere Recherchen ergeben. Und nicht immer sind es die ganz großen, groben Verstöße und Total-Verweigerungen der Gastronomen oder ihrer Gäste, die dazu Anlass geben.

Bespitzelungen?

Manchmal sind es auch kleinere Verstöße: Mal, weil bei der Angabe des Gasts die Endzeit seines Besuchs im Lokal fehlte, ein anderes Mal wird bei tadellosem Verhalten innerhalb der Gastwirtschaft auf der eigentlich geschlossenen Außenterrasse die Datenerhebung vergessen – ausgerechnet bei zwei städtischen Bediensteten, die sich in der Nähe eines gerade draußen rauchenden Gasts niedergelassen hatten.

Von "Bespitzelungen" durch Verwaltungsangestellte ist in Villingen-Schwenningen die Rede. Darüber, ob das in Ordnung ist, scheiden sich die Geister. Für die einen ist das Vorgehen völlig in Ordnung, weil die Corona-Regeln eben für alle gelten und nichts zu befürchten hat, wer sich daran hält. Für andere schießt die Verwaltung im Kampf gegen das Virus an diesem Punkt über das Ziel hinaus – zu Lasten eines guten Miteinanders in Villingen-Schwenningen.

Keine Kontaktdaten der Besucher bei Gemeinderatssitzungen erhoben

Dass allerdings ausgerechnet seitens der Stadtverwaltung, die penibel auf die Einhaltung der Vorschriften achtet, keine Kontaktdaten der Besucher bei Gemeinderatssitzungen erhoben werden, stößt dann doch selbst bei Skeptikern auf Verwunderung – schließlich seien Kontaktlisten bei allen möglichen Veranstaltungen, selbst kleiner Vereine, keine Seltenheit und auch bei Konzerten oder etwa der Nominierungsversammlung der CDU in der Neuen Tonhalle unlängst gängige Praxis geworden.

Am vergangenen Mittwoch beispielsweise waren es besonders viele Zuhörer, die sich für die kommunalpolitischen Aufregerthemen wie die drohende Schließung des Schwenninger Heimatmuseums interessierten. Rund 50 Zuschauer sollen gekommen sein. Listen zur Datenerhebung für den Fall einer möglichen Rückverfolgung der Kontakte, falls ein Corona-Fall im Zusammenhang mit einem Sitzungsteilnehmer bekannt werden sollte, gab es dort jedoch nicht.

Dafür aber verwunderte Gesichter in den Reihen der Zuschauer und die Nachfrage, wo sie denn nun ihre Daten hinterlassen müssten. Noch verblüffender soll die Antwort gewesen sein: Eine Datenerhebung sei in einem solchen Fall nicht vorgeschrieben.

Letztlich eine Frage der Verhältnismäßigkeit?

Mit Blick auf das außergewöhnliche Vorgehen der Verwaltung, wo beim Ahnden der Verstöße in der Gastronomie Verwaltungsmitarbeiter aus allen möglichen Ämtern als zivile Kontrolleure ins Spiel kommen, stößt diese laxe Handhabung vor allem Gastronomen übel auf: "Wenn man schon solche Dinge macht, sollte man mit gutem Beispiel vorangehen und nicht selbst ›Rechtsbruch‹ begehen", argumentiert ein Wirt gegenüber unserer Zeitung mit Blick auf die "Rathaus-Spitzel". Gastronomen würden derzeit von der Stadtverwaltung "mit drakonischen Strafen abgewatscht", die Verwaltung selbst aber verzichte selbst bei so großen Zusammenkünften wie am Mittwoch auf eine Erhebung der Kontaktdaten. Dabei hätten mit deren Hilfe vielleicht einmal Kontaktketten nach Corona-Infektionen nachvollzogen werden können.

Ein Gastronom hat erhebliche Zweifel, ob das Vorgehen der Stadtverwaltung korrekt ist. Ein von ihm befragter Anwalt jedenfalls ist sich sicher: "Selbstverständlich müssen bei jeder öffentlichen Veranstaltung, da nimmt die Gemeinderatssitzung keine Ausnahme, sämtliche Besucher registriert werden!" Bei einer Gemeinderatssitzung könnten seiner Auffassung nach keine anderen Regeln gelten als bei anderen Zusammenkünften – "würde die Stadt hier eine entsprechende Ausnahme machen", wären alle anderen Maßnahmen, etwa das harte Vorgehen in der Gastronomie, unterm Strich "unverhältnismäßig", so der Jurist.

Verhältnismäßig oder nicht? Das unterschiedliche Vorgehen der Stadtverwaltung jedenfalls steht derzeit verhältnismäßig stark in der Kritik ihrer Bürger.