Villingen-Schwenningen - Es war keine alltägliche Beerdigung auf dem Villinger Friedhof. An diesem Dienstag wurden Sternenkinder zu Grabe getragen. Kinder, die den Himmel, die Sterne, erreicht haben, noch ehe sie das Licht der Welt erblicken durften. Ein Angebot, das seinesgleichen sucht und deshalb ausgeweitet werden soll.

Susanne Kroggel fand die richtigen Worte für das Unaussprechliche. Kaum vorstellbar, dass es Kinder gibt, die gegangen sind, ohne bemerkt zu werden – "einfach so, weil die Natur es so gewollt hat". Wie schwer es Eltern fällt, diese Sternenkinder loszulassen, obgleich sie sie nie wirklich in die Arme schließen durften, wissen Stefanie Tröndle und Germana Hauer. Und die beiden Hebammen des Schwarzwald-Baar-Klinikums reagierten darauf mit einem einzigartigen Angebot: Zweimal im Jahr, jeden ersten Dienstag im Mai und im Oktober, finden Sternenkinder-Beerdigungen auf dem Villinger Friedhof statt.

Familien hinterlassen ihre Botschaften

Schon die Szenerie im Altarraum der Friedhofskapelle rührte zu Tränen: Ein Sarg, so klein, dass es ihn gar nicht geben dürfte, stand im Zentrum. Drumherum Engelsflügel, Blumen, Kerzen, gelbe Sterne. Und ein Stiftebecher. "Eine kleine Botschaft zum Abschied" stand auf dem gerahmten Bild daneben.

Die meisten Familien, die in der Kapelle Platz genommen hatten, haben ihrem Ungeborenen diese Botschaft schon mit auf den Weg gegeben. "Lian, wir lieben Dich", stand nun auf dem weißen Sarg zu lesen. Andere malten Herzen, verewigten ein "Du wirst immer bei uns sein" – oder sie nahmen stumm Platz und schickten ihre Botschaft stattdessen in Gedanken an ihr ungeborenes Kind und hielten währenddessen ihre kleine Grabgabe – Blümchen, Herzen, kleine Engelsfiguren – fest in den Händen.

Susanne Kroggels Worte hatten etwas Tröstliches, so wie das Bild das sie mit Worten zeichnete: Ein Sternenkind, das einen Stern im Himmel bewohnt, der fortan strahlt. "Es ist das, was sich nicht nehmen lässt und das, was anscheinend nicht gegeben werden kann", heißt eine Zeile übersetzt aus dem Lied "The Rose", mit dem die Villinger Sängerin Anna-Maria Milia diese besondere Feierstunde denkbar gefühlvoll eröffnete. Am Ende des Liedes stand wieder ein Bild, dieses Mal aber ein hoffnungsvolles: Der Samen, der tief unter dem bitterkalten Schnee liegt, aus dem durch die Liebe der Sonne im Frühling die Rose wird.

"Wunder geschehen", war sich Susanne Kroggel dann auch sicher, ehe Nenas gleichnamiges Lied einen Hauch Zuversicht in der Friedhofskapelle versprühte. "Wir übergeben nun diese kleinen Seelen in Deine Obhut", schloss das Gebet während der Trauerfeier. Was folgte, war der wohl schwerste Gang ihres Lebens: Der Trauerzug mit Eltern, Großeltern und Freunden begleitete den winzigen Sarg mit den sterblichen Überresten von 80 Sternenkindern des Schwarzwald-Baar-Klinikums aus dem letzten halben Jahr zu deren Ruhestätte.

"Ein Hauch Leben" steht an der aus Spenden finanzierten Grabstätte geschrieben, die es seit 2002 auf dem Villinger Friedhof gibt und wo die Sternenkinder zweimal jährlich beigesetzt werden, egal ob unter 500 Gramm schwer, oder tot geboren. Still nahmen Elternpaare, Mütter und Großeltern an dem viel zu kleinen Grab Abschied, streuten Erde und Blütenblätter hinein und ließen bunte Luftballons gen Himmel steigen.

Bald nicht mehr nur für Sternenkinder am Klinikum?

In den Gesichtern war vor allem Trauer, aber auch eine tiefe Dankbarkeit zu lesen für die Möglichkeit, so würdig von einem ungeborenen Kind Abschied nehmen zu dürfen. "Wir spürten diesen Bedarf", erzählte Hebamme Stefanie Tröndle später im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten, und sie weiß: Den haben nicht nur Eltern, die ihre Kinder am Schwarzwald-Baar-Klinikum verloren haben, das die Sternenkinder-Beerdigung finanziert. Die engagierten Hebammen möchten das Angebot deshalb auch für die Sternenkinder von Praxen in der Region und anderen Kliniken erweitern. "Wir sind dran", verspricht Tröndle, und auch eine Vereinsgründung soll bald erfolgen, denn für Familien, die um Sternenkinder trauern, gibt es noch viel zu tun.

Kommentar: Sternstunden

Von Cornelia Spitz

Wie schön, dass es die Sternenkinder-Beerdigungen in Villingen gibt! Die eigenen Kinder vor sich gehen zu sehen oder ihnen gar nicht erst ein Leben schenken zu können – schlimmere Erfahrungen gibt es kaum. Oder doch: Wenn eine 500-Gramm-Grenze darüber entscheidet, ob ein würdevoller Abschied mit Trauerfeier, Beerdigung und Grabstätte möglich ist. Mit Veranstaltungen wie dieser brechen neue Zeiten an, endlich! Schade nur, dass das Angebot bis dato nur für Eltern gilt, die ihr Kind am Schwarzwald-Baar-Klinikum verlieren, und Eltern nach Verlusten in Frauenarzt-Praxen noch verwehrt ist. Die Sternenkinder-Beerdigungen sollten für alle diese Fälle geöffnet werden, es bleibt den Initiatorinnen zu wünschen, dass ihr engagiertes und so liebevolles Bemühen von Erfolg gekrönt wird. Hut ab! Und das nicht nur, weil man das bei Beerdigungen so macht ...