Abnehm-Erfolg: Der Konditormeister Frank Singer und seine Veränderung in 16 Wochen
Von Cornelia Spitz
Es war ein Tag wie jeder andere vor etwa einem Jahr. Der Schwenninger Konditormeister saß am Kachelofen und wollte sich die Schuhe binden. "Aber ich kam nicht gescheit’ hin, da waren einfach ein paar Kilo im Weg." Was tun? "Entweder nur noch Schuhe mit Klettverschluss kaufen oder drastisch etwas ändern."
VS-Schwenningen. Frank Singer entschied sich für Letzteres. Er speckte ab.
Einst wog er 140 Kilogramm, jetzt sind noch 85 davon übrig. Dabei war der Konditormeister gar nicht seit jeher die Willenskraft in Person. "Ich weiß gar nicht, wieviele Diäten es schon waren", sicher "Unzählige", die er in der Vergangenheit schon hinter sich gebracht hatte. Der Erfolg war höchstens von kurzer Dauer. Ein alter Freund aus seinem Abiturjahrgang, heute Ernährungsberater, hatte ihm seit Jahren in den Ohren gelegen und wollte ihn zum Abnehmen über ein entsprechendes Programm bewegen. "Aber ich habe immer gesagt, in meinem Beruf geht das nicht." Als Konditormeister ist er von früh bis spät von der Sünde umgeben.
Dass Singers Schulkamerad just am Tag des frustrierenden Erlebnisses am Kachelofen in sein Salinencafé spazierte, war fast schon Schicksal. Diesmal gab es keine Ausflüchte: "Ich fahre jetzt ein paar Tage nach Berlin, bis ich wieder komme, hast Du mir alles hingerichtet und ich fange an." Gesagt, getan.
Was folgte, waren 16 Wochen, die nach purer Entbehrung klingen: maximal 500 Kalorien täglich, keinerlei Kohlenhydrate – der Hunger sei dank einiger Vitalstoffe in Pulverform trotzdem gar nicht schlimm gewesen und die Gefahr einer Mangelernährung habe er so auch gebannt. "Nur die ersten vier Tage waren streng", erinnert sich Singer. Zucker, Cola und die heiß geliebte Pasta – "ich habe das alles plötzlich auf Null runtergefahren". Doch es lohnte sich: Kilo um Kilo purzelte. Der Zeiger auf der Waage sank. Doch etwas steigerte sich: Singers Lebenslust. "Ich merke einfach, wie mein Körper auf einem guten Niveau ist", sagt er heute.
Als er die erste Zielmarke von 110 Kilogramm erreicht hatte, machte er weiter. Der Abnehm-Erfolg hatte ihm Flügel verliehen – nicht mehr die Energydrinks, die er früher so gerne konsumiert hatte. Es gab Meilensteine, die "Uhu"-Party bei unter hundert Kilo beispielsweise, oder der Arztbesuch mit 95 Kilogramm, als Singer seine Diät beenden wollte. Doch sein Hausarzt motivierte ihn, weiterzumachen: "Er fragte mich: ›Warum, machst Du nicht weiter, bis Du Dein Idealgewicht von 85 Kilo erreicht hast?‹" Singer überlegte und machte tatsächlich weiter. Erst als er nach nur 16 Wochen und 55 verlorenen Kilos sein Idealgewicht von 85 Kilogramm erreicht hatte, baute er langsam wieder eine normale Ernährung auf. "Heute esse ich eigentlich wieder alles", aber: "mit Genuss". Und mit Bedacht, denn ein Manko, ist ihm seither bewusst: "Man konsumiert oft ohne darüber nachzudenken." Mehr denn je habe er sich mit der Ernährung beschäftigt, die versteckten Fette und Zucker ausgemacht und mit Erschrecken festgestellt, wieviel Zucker nicht nur in Süßem, sondern selbst in scharfem Senf oder Chilipaste stecke. "Zucker ist halt ein billiger Geschmacksträger – und süchtig-machend", weiß der 51-Jährige heute.
Verbannt hat der Konditormeister die süße Sünde von seiner Speisekarte trotzdem nicht: "Ich esse trotzdem noch gerne ein Stück Kuchen, aber eben mit Genuss." Süchtig ist Frank Singer aber irgendwie noch immer: nach der Bestätigung der guten Werte durch seinen Arzt. "Er sagt immer zu mir, es sei Wahnsinn, was sich alles verändert hat". Und Frank Singer sieht die Veränderung auch, nicht nur, wenn er in den Spiegel schaut – und übrigens keine überschüssigen Hautlappen, sondern tatsächlich straffes Gewebe sieht. Oder wenn er im Kleiderschrank die einzig übrig gebliebene Hose als Erinnerung an vier Kleidergrößen mehr erspäht. Er sieht es auch daran, dass der einstige Leistungssportler – er war Schwimmer – nach langer Zeit wieder Sport treiben kann und dass er nicht mehr so müde ist – "es gibt ganz viele Bilder von mir bei Veranstaltungen, wenn ich eingeschlafen bin, weil ich so müde war".
Jetzt steckt er voller Tatendrang und will gerne auch andere beim Abspecken unterstützen. Deshalb hat er sogar ein zweites Gewerbe aufgebaut, seine Leidenschaft aber gehört vielleicht gerade deshalb weiterhin der süßen Sünde. "Ich bin trotzdem Vollblutkonditor", sagt er und lacht.